1908 wechselte Harms auf den Lehrstuhl für Nationalökonomie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Dort gründete er 1914 das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), das bis heute international renommiert ist. Damit entstand eine Stätte innovativer und stark empirisch gestützter wirtschaftswissenschaftlicher Forschung, welche zugleich das imperiale deutsche Großmachtstreben unterstützte. Finanzielle und politische Förderer waren die Kaiserfamilie, die Marine, kolonialistische Lobbygruppen, Reeder, Bankiers und Industrielle. Im IfW wurden zum ersten Mal in Deutschland überhaupt eine Forschungsabteilung, ein Wirtschaftsarchiv, eine Bibliothek und eine Redaktion zur Herausgabe mehrerer Zeitschriften und Monografien unter einem Dach zusammengebracht. 1920 sollte noch der Wirtschaftswissenschaftliche Club (WWC) hinzukommen.
Mit der Herausgabe der Kriegswirtschaftlichen Nachrichten, einer mehrmals wöchentlich einem Abonnentenkreis aus Militärs, Industriellen und Handelsfirmen zugehenden Informationssammlung zum Geschehen im Wirtschaftskrieg, konnte das IfW ab 1915 seine finanziellen Ressourcen und seine politische Bedeutung stark steigern.[3] Zu Beginn des Krieges schlug Harms einen kriegsbegeisterten Kurs ein, sprach sich für eine Ausweitung des U-Boot-Krieges aus und betrieb Kriegshetze gegen Großbritannien.[4] Im späteren Kriegsverlauf trat er für einen „Kompromissfrieden“ ein und tolerierte den dezidierten Pazifisten Hans Wehberg als Mitarbeiter. 1917/18 war er Rektor der CAU.[5]
Harms öffnete das Institut auch für Studenten und Forscher aus dem Ausland und organisierte einen „an internationalen Standards orientierten“ Forschungs- und Lehrbetrieb. Besonders für den Aufbau der neuen Konjunktur-Abteilung konnte er namhafte Forscher gewinnen, so Adolph Lowe, Gerhard Colm und Hans Neisser.[6] Von 1928 bis 1933 war Harms Mitglied des Senats der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu Beginn des Jahres 1933 versuchte der „Vernunftrepublikaner“ Harms zuerst noch, seine jüdischstämmigen und bekennend demokratischen Kollegen vor der Verfolgung durch SA-Männer und nationalistische Studierenden zu schützen. Kurze Zeit später wurde er selbst rechtswidrig von der Universität entfernt, er blieb noch einige Wochen (bis Juni 1933) Leiter des IfW. Auf politischen Druck hin übergab er die Leitung des Instituts an den durch die NS-Führung ernannten engagierten Nationalsozialisten und späteren Widerstandskämpfer Jens Jessen ab. In den folgenden Jahren machte er mehrere Studienreisen ins Ausland. Harms zog 1935 nach Berlin. Er blieb de jure Ordinarius in Kiel. Durch seinen Freund Johannes Popitz erhielt er eine Privatdozentur in Berlin und wurde Mitglied der Mittwochsgesellschaft.
Harms wurde vor dem Gebäude des Kieler Instituts für Weltwirtschaft begraben.[7]
Bernhard-Harms-Preis und Bernhard-Harms-Medaille
Ihm zu Ehren vergibt das Kieler Institut für Weltwirtschaft seit 1964 alle zwei Jahre den Bernhard-Harms-Preis. Der mit 25.000 € dotierte Preis wird an eine Person verliehen, die „sich durch hervorragende Leistungen auf dem Gebiet weltwirtschaftlicher Forschung ausgezeichnet hat oder die durch ihre Tätigkeit in der Wirtschaftspraxis einen herausragenden Beitrag zur Förderung weltwirtschaftlicher Beziehungen geleistet hat“.[8]
Seit 1980 vergibt das Institut für Weltwirtschaft außerdem in unregelmäßigen Abständen die Bernhard-Harms-Medaille an Personen, die sich um das Institut und die weltwirtschaftliche Forschung in der Tradition von Bernhard Harms verdient gemacht haben.[9]
Schriften (Auswahl)
Zur Entwicklungsgeschichte der Deutschen Buchbinderei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Tübingen und Leipzig 1902.
Die holländischen Arbeitskammern. Ihre Entstehung, Organisation und Wirksamkeit, Tübingen 1903.
Deutsche Arbeitskammern. Untersuchungen zur Frage einer gesetzlichen Interessenvertretung der Unternehmer und Arbeiter in Deutschland, Tübingen 1904.
Arbeitskammern und Kaufmannskammern. Gesetzliche Interessenvertretungen der Unternehmer, Angestellten und Arbeiter, Tübingen 1906.
Zur Wiederanknüpfung und Pflege der weltwirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands, Kiel 1915.
Grundriss für einen Vortrag über das Thema: Der englische Aushungerungsplan und wir, herausgegeben von der Kieler Organisation zur Sicherung der Volksernährung, IfW, Kiel 1915.
Freie Meere. In: Akademischer Hilfsbund (Hrsg.): Unter deutschen Eichen. Vierte Liebesgabe Deutscher Hochschüler, Furche-Verlag, Cassel 1915, S. 141–150.
Deutschlands Anteil an Welthandel und Weltschiffahrt, Stuttgart 1916.
Die Zukunft der Weltwirtschaft, Kiel 1916.
Das Königliche Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kaiser Wilhelm-Stiftung, Kiel 1917.
Der uneingeschränkte U-Bootkrieg und die Nahrungsmittelversorgung Englands. Rede beim Antritt des Rektorates. In: Kriegswirtschaftliche Nachrichten aus dem Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft in Kiel, Abt. 1, Sondernummer. 3, 1917 [5. März 1917]. In: ZBW, Signatur: Y 2224.
Völkerrechtliche Sicherungen der wirtschaftlichen Verkehrsfreiheit in Friedenszeiten, Jena 1918.
Ferdinand Lassalle und seine Bedeutung für die deutsche Sozialdemokratie [Kopie von 1919], Jena 1919.
Gegenwartsaufgaben der deutschen Handelspolitik, Jena 1925.
Die Zukunft der deutschen Handelspolitik. Band 1: Vorkriegszeit. Heutige Lage. Problemstellung. Schutzzoll und Freihandel. Agrarzölle, Jena 1925.
Vom Wirtschaftskrieg zur Weltwirtschaftskonferenz, Jena 1927.
Strukturwandlungen der Deutschen Volkswirtschaft. Vorlesungen gehalten in der Deutschen Vereinigung für Staatswissenschaftliche Fortbildung. Berlin 1928.
Universitäten, Professoren und Studenten in der Zeitenwende; vornehmlich vom Standpunkt der Staatswissenschaften (Berliner Antrittsvorlesung, 8. November 1935), Jena 1936.
Literatur
Lisa Eiling: Primat der Praxis. Bernhard Harms und das Institut für Weltwirtschaft 1913–1933. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-162108-6.
Gunnar Take: „Die Objektivität ist durch sein Wesen verbürgt“. Bernhard Harms‘ Gründung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und sein Aufstieg im Ersten Weltkrieg. In: Demokratische Geschichte 26, 2015, S. 13–74.
Gunnar Take: Die Universität Kiel im April 1933. Nationalsozialistische Wissenschaftspolitik „von unten“ und „von oben“. In: Demokratische Geschichte 29, 2018, S. 77–98.
Gunnar Take: Forschen für den Wirtschaftskrieg. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft im Nationalsozialismus, de Gruyter, Berlin 2019, ISBN 3-11-065457-1.
↑Dissertation: Zur Entwicklungsgeschichte der Deutschen Buchbinderei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
↑Gunnar Take: „Die Objektivität ist durch sein Wesen verbürgt“. Bernhard Harms‘ Gründung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und sein Aufstieg im Ersten Weltkrieg. In: Demokratische Geschichte 26, 2015, S. 13–74.
↑Bernhard Harms: Freie Meere. In: Akademischer Hilfsbund (Hrsg.): Unter deutschen Eichen. Vierte Liebesgabe Deutscher Hochschüler, Furche-Verlag, Cassel 1915, S. 147.
↑Ernst Dehning: Prof. Dr. Bernhard Harms' Grab am Kieler Hindenburgufer. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg. Bd. 73 (1966), Nr. 3, März, S. 65f. (Digitalisat).