Der Bergungsort Salzbergwerk Altaussee war von 1943 bis 1945 die größte geheime Einlagerungsstätte für Nazi-Raubkunst[1] und andere wertvolle bewegliche Kulturgüter zum Schutz gegen die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges in der Gemeinde Altaussee in Österreich.
In den stillgelegten Werksanlagen (Werker genannt) des Altausseer Salzbergwerkes wurde ab 1943 ein großes Depot für Kulturgüter eingerichtet. Nach den notwendigen Verschalungs- und Verzimmerungsarbeiten gelangten ab August 1943 vorerst Kunstschätze aus österreichischen Kirchen, Klöstern und Museen zur Einlagerung. Ab Jänner 1944 wurde auch der Bestand von etwa 4700 Kunstwerken eingelagert, der unter dem Decknamen Sonderauftrag Linz von Adolf Hitler angesammelt wurde und für das geplante Führermuseum in Linz bestimmt war.[2] Ein großer Teil dieses Bestandes gilt als NS-Raubkunst. Hier wurden im August und September 1944 unter der Leitung der klassischen Archäologen Armin von Gerkan und Jan Willem Crous 1500 Kisten mit Beständen aus dem DAI Rom eingelagert.
Gegen Kriegsende umfasste das gesamte Depot in acht stillgelegten Werksanlagen etwa 6.500 Gemälde sowie zahlreiche wertvolle Statuen, Möbel, Waffen, Münzen und Bibliotheken. Der Wert dieser Kulturgüter wurde nach dem Krieg auf ungefähr 3,5 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Nachweislich stammen 567 Werke aus beschlagnahmtem jüdischen Eigentum aus Deutschland, Österreich, Frankreich, der Tschechoslowakei, Polen und der Sowjetunion. Weitere etwa 1000 Gemälde stammen aus Zwangsverkäufen oder wurden von NS-Dienststellen eingeliefert. Etwa 3200 Objekte wurden über den Kunsthandel oder über Privatkäufe erworben, auch diese stammen zu einem unbekannten Teil aus Sammlungen, die unrechtmäßig entzogen oder als sogenanntes „Fluchtgut“ unter Zwang verkauft werden mussten. Die Forschungen über die Herkunft der einzelnen Werke dauert bis heute an, sie wird seit August 2008 über eine online gestellte Datenbank des Deutschen Historischen Museums unterstützt.[3]
Ereignisse bei Kriegsende
Zu einer Folge dramatischer Abläufe kam es im April 1945, als der damalige Gauleiter im Reichsgau Oberdonau, August Eigruber, eigenmächtig den Entschluss fasste, die Kulturgüter zu vernichten und zu diesem Zweck acht Fliegerbomben mit je 500 kg in die Stollen des Salzbergwerkes transportieren ließ. Helmut von Hummel, der zu dieser Zeit Beauftragter für die Logistik des Bergungsortes war, verzögerte die gefallene Entscheidung Eigrubers, nach eigenen Angaben, in dem er Führerbefehle fälschte und anders interpretierte.[4] Nach weiteren hektischen Bemühungen und einem ausgeklügelten Plan konnten letztendlich die Salinenleitung, unter dem damaligen Generaldirektor Emmerich Pöchmüller, die Bergungsbeauftragten und Bergmänner die Vernichtung der Kunstschätze und die Zerstörung des Bergwerkes vereiteln. In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 1945 gelang es, die eingelagerten Bomben aus dem Bergwerk zu entfernen. Um weitere Zugriffe auf die Kunstschätze zu vermeiden, wurden anschließend noch die maßgeblichen Zugänge zu den einzelnen Werkern zugesprengt. Nach der Besetzung von Altaussee am 8. Mai 1945 durch eine amerikanische Infanterieeinheit wurde in den darauffolgenden Tagen mit der Öffnung der Stolleneingänge begonnen und die Sicherstellung der Kunstschätze eingeleitet.
Auslagerungen 1945 bis 1948
In der amerikanischen Armee gab es einen Stab von Beauftragten für den Schutz von Baudenkmälern, Kunst und Archiven (Monuments, Fine Arts, and Archives Section), der in München einen Central Collecting Point für geborgene Kulturgüter eingerichtet hat. In diesen CCP gelangte auch der Großteil der im Salzbergwerk Altaussee gelagerten Kunstgüter. Diese wurden, soweit möglich, nachfolgend an die Staaten, aus denen sie stammten, zurückgegeben. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse war allerdings in vielen Fällen schwierig. Die endgültige Räumung der Kulturgüter aus dem Salzbergwerk Altaussee konnte erst spät abgeschlossen werden.
Gedenken
Das Schaubergwerk Salzwelten thematisiert diese Episode während der regulären Führungen. Im Sommer werden eigene Sonderführungen zur Kunstgüterbergung angeboten. 2019 wurde ein Kunstgutlager modern inszeniert und für Besucher zugänglich gemacht.
Literatur
Eva Frodl-Kraft: Gefährdetes Erbe. Österreichs Denkmalschutz und Denkmalpflege 1918–1945, Böhlau Verlag, Wien 1997, ISBN 3-205-98757-8.
Gertrud Gerhartl, Roman Schlauss, Dorothee Horn: Wiener Neustadts Kunstdenkmäler im Zweiten Weltkrieg. Vorsorge für die Erhaltung des kulturellen Erbes in Zeiten der Not und Gefahr. Vorwort von Bürgermeister Hans Barwitzius, Begleitbuch zur Sonderausstellung des Stadtmuseums Wiener Neustadt und der Österreichischen Gesellschaft für Kulturgüterschutz in St. Peter an der Sperr 5. Mai bis 10. Juni 1982, Wiener Neustadt 1982.
Katharina Hammer: Glanz im Dunkel. Die Bergung von Kunstschätzen im Salzkammergut am Ende des Zweiten Weltkrieges. Österreichischer Bundesverlag 1987, ISBN 3-215-06242-9.
Rainer Hilbrand: Die Kunstgüter im Altausseer Salzberg 1943–1945. Burgverein Pflindsberg, Altaussee ca. 1985, (= Schriftenreihe des Literatur- und Heimatmuseums Altaussee 2, ZDB-ID 1196123-5).
Veronika Hofer (Hrsg.): Berg der Schätze. Die dramatische Rettung europäischer Kunst im Altausseer Salzbergwerk. Prospera-Verlag, Scharnstein 2006, ISBN 3-9501600-1-9.
Konrad Kramar: Mission Michelangelo. Wie die Bergleute von Altaussee Hitlers Raubkunst vor der Vernichtung retteten. Residenz Verlag, Wien, 2013. ISBN 3-7017-3315-5.
Ernst Kubin: Sonderauftrag Linz. Die Kunstsammlung Adolf Hitler. Aufbau, Vernichtungsplan, Rettung. Ein Thriller der Kulturgeschichte. Orac Buch- und Zeitschriftenverlag, Wien 1989, ISBN 3-7015-0168-8.
Emmerich Pöchmüller: Weltkunstschätze in Gefahr. Pallas Verlag, Salzburg, 1948.
Wolfgang Weiß: Vorsicht, Marmor – nicht stürzen! Die wahre Geschichte über die Rettung der Kunstschätze in den Salinen von Altaussee 1945. Ares Verlag, 2009, ISBN 978-3-902475-77-0.
Birgit Schwarz: Alle retten den Genter Altar. Der Weg durch Europa 1940-1945, in: Der Genter Altar. The Ghent Altarpiece. Reproduktionen, Deutungen, Forschungskontroversen. Reproductions, Interpretations, Scholarly Debates, hrsg. von Stephan Kemperdick, Johannes Rößler und Joris Corin Heyder, Michael Imhof-Verlag Petersberg 2017, S. 12–25, ISBN 978-3-7319-0456-4.