Bargeldloser Zahlungsverkehr (oder unbarer Zahlungsverkehr, englisch electronic funds transfer mit Abkürzung EFT) ist in der Wirtschaft ein Teilbereich des Zahlungsverkehrs, bei dem die Übertragung von Zahlungsmitteln zwischen Wirtschaftssubjekten durch Buchgeld erfolgt, ohne dass Bargeld erforderlich ist.
Nach den Perserkriegen zwischen 490 und 449 v. Chr. nahmen die im Bankgeschäft führenden Trapeziten (heute noch griechischτραπεζαtrapeza für ‚Bank‘) Depositen an und führten hieraus Zahlungsleistungen durch Umschreibung von einem auf das andere Konto aus.[1]Römisches Pendant zu den Trapeziten stellten die Argentarii dar. Sie vermittelten Zahlungen durch Umschreiben in den Geschäftsbüchern, das Umschreiben (lateinischperscribere) nahm die Bedeutung von „Bezahlung“ an.[2] Der Anweisungsakt (lateinischdelegatio) war im römischen Recht der Ausgangspunkt für Zahlungen.
Das in islamischen Ländern bekannte Hawala-Finanzsystem wurde bereits 1327 dokumentiert[3], das sich durch die Koexistenz kleiner, stammesrechtlich geprägter Gebiete kennzeichnete und auf dem Vertrauen (arabisch حوالة, DMGḤawāla) der Beteiligten aufbaute. In Europa wurde der bargeldlose Zahlungsverkehr mit Wechselbriefen wahrscheinlich im Rechtskreis von Genua im 12./13. Jahrhundert erfunden.[4] Erste Banken mit ausschließlichem Zahlungsverkehrsgeschäft entstanden mit der 1407 gegründeten „Casa di San Georgio“ in Genua, erste staatliche Girobanken waren die 1587 in Venedig entstandene „Banco di Rialto“, die 1592 in Mailand gegründete Banco Ambrosiano und die 1619 in Venedig gegründete „Banco Giro“, die erstmals das Wort „Giro“ im Namen enthielt.[5]
Die Frankfurter Reformation befand im Jahr 1578, dass die bloße Anweisung noch keine Zahlung sei. Die Zahlung werde demnach nicht bereits mit der Verpflichtung des Angewiesenen, sondern erst mit dessen tatsächlicher Leistung bewirkt. Das findet sich noch heute in § 788BGB wieder. Nach dem Vorbild der italienischen Banken entstand im Januar 1609 die Amsterdamer Wechselbank, der im März 1619 die Hamburger Bank folgte. Sie war eine reine Zahlungsbank, der 1621 noch die NürnbergerBanco Publico folgte. Die im Januar 1876 gegründete Reichsbank übernahm die Hamburger Girobank als Niederlassung. Der Reichsbank-Vorstand Richard Koch verstand unter einer Girozahlung die Vermittlung von Zahlungen unter den Kunden durch Ab- und Zuschreibung in den Bankbüchern auf der Grundlage der Depositen.[6]
Der RechtswissenschaftlerGeorg Cohn trug 1885 mit den ersten zahlungsverkehrsrechtlichen Werken zur rechtlichen Einordnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bei und ordnete den Girovertrag als Voraussetzung für die Girozahlung ein[7], Bankguthaben seien die Grundlage jeder Girozahlung.[8] Mit der Gründung der Reichsbank im Januar 1876 übernahm diese neben hoheitlichen Aufgaben auch Aufgaben im bargeldlosen Zahlungsverkehr. An einigen zentral gelegenen Orten trafen sich die Boten der Kreditinstitute und verrechneten die gesammelten Schecks und Überweisungen miteinander, die Spitzenbeträge wurden über die Reichsbankkonten, die von den Kreditinstituten bei der Reichsbank zu unterhalten waren, im Rahmen der großen Abrechnung verrechnet. Überweisungen an andere Orte wurden dann innerhalb der Reichsbank durch körperliche Übersendung der Belege verrechnet. Nach Gründung der Bank deutscher Länder und ihrem Rechtsnachfolger, der Deutschen Bundesbank mit ihren örtlichen Filialen, den Landeszentralbanken, wurde die direkte Verrechnung zwischen den Banken mit Ausnahme der Hamburger Abrechnung 1949 abgeschafft. Alle Beträge wurden mit den Landeszentralbanken verrechnet.
Die Wirtschaftskrise des Jahres 1907 in Deutschland gab einen Anstoß zur Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, um die Geldversorgung der Wirtschaft unabhängiger vom Bargeld zu gestalten.[9] Hierfür bauten die historisch gewachsenen verschiedenen Bankengruppen (Sparkassen, Raiffeisenbanken/Volksbanken, Großbanken, Private Banken) ab 1908 eigene Gironetze auf, in denen der Zahlungsverkehr durch Spitzeninstitute (Girozentralen, Genossenschaftszentralbanken) schnell abgewickelt werden konnte. Johann Christian Eberle hatte die Vorteile eines sparkasseneigenen, geschlossenen Zahlungsverkehrsnetzes erkannt und die Gründung von Girozentralen als zentrale Verrechnungsstelle in jedem Land Preußens vorgeschlagen.[10] Auf Eberles Initiative hin kam es am 5. Oktober 1908 zur Gründung des Giroverbandes Sächsischer Gemeinden mit 151 Mitgliedern, der eigentliche Giroverkehr begann am 2. Januar 1909 mit der ersten deutschen Girozentrale, die in Dresden den Giroverkehr für 143 Girokassen aufnahm.[11] Seit 1910 stieg die Bedeutung der Zahlungsverkehrsfunktion für Landesbanken, da sie zur zentralen Verrechnungsstelle bei der Beschleunigung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wurden.[12] Seit Februar 1911 übernahm die Stadtsparkasse Köln die Funktion der Girozentrale in der Rheinprovinz. Am 20. Juni 1914 beschloss der Rheinisch-Westfälische Sparkassentag in Köln, die Landesbank der Rheinprovinz anstelle der Stadtsparkasse Köln als Girozentrale einzusetzen.[13] In der Folge gründeten sich weitere Giroverbände, und am 26. Oktober 1916 schlossen sich 12 Giroverbände zum „Deutschen Zentral-Giroverband“ zusammen. Ab 1923 begann der Zusammenschluss von in der gleichen Region tätigen Landesbanken mit reinen Girozentralen, was zur Schaffung der „Gemeinschaftsbanken“ führte.[14]
Um mit den Überweisungsbeträgen während der Postlaufzeit der Belege zinsbringend arbeiten zu können (Float), wurden größere Beträge so lange wie möglich im eigenen Filialnetz gehalten. Die Sparkassen bedienten sich hierzu der Landesbanken oder Girozentralen, der Genossenschaftssektor der Volksbanken und die Raiffeisenbanken bedienten sich der Genossenschaftszentralen. Auch die Postscheckämter, als Rechtsvorgänger der Postbank, hielten die Beträge im eigenen Netz.
Mit Einführung der Bankleitzahlen und der Einigung der Spitzenverbände der Kreditinstitute auf ein einheitliches Überweisungsformular mit einem besonderen Bereich, für eine OCR-fähige Beschriftung wurden die Überweisungsbelege und Schecks maschinenlesbar und auf besonderen Anlagen maschinell auch sortierbar, außerdem erfolgte eine automatisierte Verfilmung der Belege. Die Belege mussten aber weiterhin körperlich zum Institut des Zahlungsempfängers, bei Schecks zum Institut des Zahlungspflichtigen, transportiert werden.
Die Postscheckämter nahmen an dieser Belegstandardisierung etliche Jahre nicht teil.
Für Kunden wurde ferner das Datenträgeraustausch-Verfahren (DTA) geschaffen. Mit diesem Datenträgeraustausch wurde die Erstellung von Belegen überflüssig. Die Überweisungen oder Lastschriften wurden auf Datenträgern wie Magnetbändern oder auch Disketten zur weiteren Ausführung eingereicht.
Ab Mitte der 1990er Jahre wurden sämtliche weitere Angaben in den Betreffzeilen der Überweisungen maschinell eingelesen oder von Hand erfasst. Der Belegtransport konnte entfallen. Die Daten aus der Überweisung wurden entweder innerhalb des Institutssektors oder zur Bundesbank über Standleitungen übertragen und weiterverarbeitet.
Der bargeldlose Zahlungsverkehr erfolgt üblicherweise über Kreditinstitute und betrifft Zahlungen in der Form von Buchgeld zwischen Kontokorrentkonten, auch Girokonten genannt, bei denen kein Bargeld bewegt wird. Das Konto des Auftraggebers wird mit dem Zahlungsbetrag belastet, der Empfänger erhält eine entsprechende Gutschrift auf seinem Konto. Die Kreditinstitute erbringen die Dienstleistung des Transfers und erhalten meist eine Gebührengutschrift, eventuell im Rahmen von Kontoführungspauschalen.
Wird Geld von einer Bank zur anderen übertragen, so geschieht dies über die so genannten Gironetze oder Girokreise. In Deutschland existierten fünf klassische Gironetze, die ihrerseits ebenfalls vernetzt sind und auch Zahlungen mit dem Ausland abwickeln[20][21]
Seit Januar 2008 existierte das Verfahren für die Schaffung des Europäischen Zahlungsraumes (SEPA), das im Euro-Zahlungsverkehr die Grenze zwischen nationalen und europäischen Transaktionen für den Bankkunden verschwinden lässt und in Zukunft alle Überweisungen (auch im Inland) standardisiert.
Üblicher Weg der Auftragserteilung in Deutschland ist die persönliche Beauftragung in einer Filiale der Bank, oder die Beauftragung über das elektronische Bankgeschäft.
Es gibt derzeit die folgenden grundsätzlichen Auftragsarten im klassischen Zahlungsverkehr:
Überweisung (eine Unterart der Überweisung ist z. B. der Dauerauftrag, bei der eine regelmäßig wiederkehrende Zahlung von der Bank automatisch ausgeführt wird)
Scheck (Barscheck, Verrechnungsscheck und Orderscheck, der garantierte EC-Scheck wurde abgeschafft)
Lastschriften werden aufgrund einer Vertragsbeziehung durch den Zahlungsempfänger erstellt und laufen von seinem Kreditinstitut zum Kreditinstitut des Zahlungspflichtigen, dessen Konto mit dem Betrag belastet wird.
Neben diesen Grundarten gibt es eine Vielzahl von elektronisch basierten Zahlungsmöglichkeiten wie die GeldKarte, Debitkarten – sowie die Kreditkarten. Neben der persönlichen Auftragsabwicklung in einer Filiale ist Beschaffung von Bargeld an Geldautomaten sowie die bargeldlose Bezahlung an Kassen, welche in das System des Electronic Cashs eingebunden sind, möglich.
Letztlich bedienen sich die Kartenzahlungen auch einer der oben genannten Grundzahlungsverfahren – meist werden die Beträge per garantierter, nicht rückgebbarer Lastschriften beim Karteninhaber eingezogen und seinem Konto belastet. Neben der Funktion der Karten als bargeldloses Zahlungsmittel dienen sie hauptsächlich der Bargeldbeschaffung und, bei der Kreditkarte, der kurzfristigen Kreditinanspruchnahme.
Vor- und Nachteile
Vorteile für Kontoinhaber
schnelle und bequeme Zahlungen
Sicherheit durch geringe Bargeldhaltung
Nachteile für Kontoinhaber
Transaktionsgebühren
Protokollierbarkeit/Nachverfolgbarkeit des Geldverkehrs, auch zum Zwecke der Überwachung
kein sofortiger Zahlungseingang
Ggfs. Auszahlungsentgelte an Geldein- und -ausgabeautomaten
Statistische Angaben
Daten zum bargeldlosen Zahlungsverkehr in Deutschland werden von der Deutschen Bundesbank und vom Zentralen Kreditausschuss bereitgestellt. 2010 wurden in Deutschland 64,5 Billionen Euro bargeldlos übertragen. Der überwiegende Anteil der bargeldlosen Transaktionen (gemessen am Umsatz) entfällt auf Überweisungen.[22][23]
Umsatz
Anteil 2010
Anteil 2016
Überweisungen
81,0 %
91,6 %
Lastschriften
18,3 %
7,2 %
Schecks
0,4 %
0,3 %
Debitkarten
0,2 %
0,3 %
Kreditkarten
0,1 %
0,2 %
Transaktionen
Anteil 2010
Anteil 2016
Überweisungen
k. A.
29,6 %
Lastschriften
k. A.
50,6 %
Schecks
k. A.
0,1 %
Debitkarten
k. A.
14 %
Kreditkarten
k. A.
5 %
Trivia
Eine größtenteils bargeldlose Gesamt-Volkswirtschaft ergab sich während der Versorgungskrise und Hyperinflation in Venezuela ab 2018, als Bargeld der Landeswährung Bolivar aus dem Alltagsleben der Bevölkerung nahezu verschwunden war.[24][25]
Siehe auch
Geldwäsche in Hinblick auf Überwachungspflichten der Kreditinstitute
EBPP für Modelle des elektronischen Zahlungsverkehrs
iconomix: Zahlungsverkehr der Schweiz. Abgerufen am 8. April 2013 (Wie der bargeldlose Zahlungsverkehr in der Schweiz abgewickelt wird).
Markus Breitschaft, Thomas Krabichler, Ernst Stahl, Georg Wittmann: Sichere Zahlungsverfahren für E-Government. (Memento vom 17. Januar 2012 im Internet Archive) (PDF) In: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (Hrsg.): E-Government-Handbuch. Bundesanzeiger Verlag, 2005, ISBN 3-89817-180-9, 144 Seiten, 43 Abbildungen, 32 Tabellen