Bělotín (deutsch Bölten) ist eine Gemeinde in Tschechien. Sie liegt sechs Kilometer nordöstlich der Stadt Hranice na Moravě (deutsch Mährisch Weißkirchen) und gehört zum Okres Přerov (deutsch Kreis Prerau). Die Gemeinde Bölten war bis zur Besetzung durch die Rote Armee am 7. Mai 1945 ein deutsches Gemeinwesen. Der tschechische Bevölkerungsanteil betrug 1910 bei der letzten österreichischen Volkszählung 0,75 Prozent. 1946 wurden die Deutschen aus Bělotín vertrieben.
Bělotín/Bölten befindet sich am südlichen Fuße der Oderberge im Kuhländchen. Westlich des Dorfes liegt die Wasserscheide der Mährischen Pforte. Bělotín erstreckt sich entlang des Bělotínský potok (Böltener Bach) bis zu dessen Einmündung in den Oderzufluss Luha. Die Oder entspringt unweit von Bölten. In der Nähe der Gemeinde sollte auch der Donau-Oder-Kanal verlaufen.
Ortsteile
Zur Gemeinde Bělotín gehören seit 1983 die Ortsteile Kunčice (Kunzendorf II), Lučice (Lutschitz) und Nejdek (Neudek).
Einwohner laut Volkszählungen 1910, 1930 und 1939
1910 – Bölten: 1464 Einwohner, davon 11 Tschechen
1930 – Bölten 1562, davon 168 Tschechen; Kunzendorf 352; Lutschitz 206; Neudek 316, insgesamt 2436 Einwohner
Belotyn und die weite Umgebung mit damals slawischer Bevölkerung und mit slawischen Ortsbezeichnungen wurden beim Einfall der Mongolen 1241 verwüstet und entvölkert. Die notwendige Rekolonisation wurde ab 1247 von einem der wichtigsten Berater des Königs Přemysl Ottokar II. von Böhmen, dem Olmützer BischofBruno von Schauenburg, der aus dem Weserbergland stammte, gefördert. Es wird in der Literatur für möglich gehalten, dass die Sage vom Rattenfänger von Hameln (an der Weser) mit der deutschen Besiedlung des fraglichen Raumes im Zusammenhang steht.[2]
Bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Saint-Germain am 16. Juli 1920 beanspruchte Österreich die überwiegend von Deutschen besiedelten Gebiete der ČSR, die kurz nach der Staatsgründung vom tschechoslowakischen Militär besetzt worden waren. Der Hauptort des Kuhländchens, Neu Titschein, wurde am 20./21. November 1918 für den neuen Staat eingenommen.
1938 wurde die an der Sprachgrenze gelegene Gemeinde Bölten infolge des Münchener Abkommens bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dem Deutschen Reich einverleibt und dem Landkreis Neu Titschein zugeordnet. Die alteingesessene Bevölkerung erlangte die deutsche Staatsangehörigkeit am 10. Oktober 1938 durch Sammeleinbürgerung.
Im Jahr 1941 wurde in Bölten das Arbeitskommando E540 des Kriegsgefangenenlagers Teschen (Oflag VIIID) errichtet, in dem vorwiegend Kriegsgefangene aus dem Vereinigten Königreich und den Ländern des Commonwealth untergebracht waren.[3]
Am 7. Mai 1945 ab 10:30 Uhr wurde Bölten von der Roten Armee unter dem Kommando von Generalmajor Vasilevsky besetzt.[4] In der Folge kam es zur Wiedereingliederung der Gemeinde in den neu errichteten tschechoslowakischen Staat, zur erneuten Zuordnung zum Bezirk Hranice (Mährisch Weißkirchen). Für „ethnische Säuberungen“ bis 28. Oktober 1945 Verantwortliche wurden straffrei gestellt. Die aufgrund der Beneš-Dekrete entschädigungslos enteigneten und bis zur Vertreibung[5] noch in Bělotín lebenden 1106 Deutschen wurden in der Zeit vom 30. Juni bis 25. September 1946 mit 196 Fuhrwerken in das Sammellager Hranice verbracht und von dort mit sechs Lastzügen nach Bayern und Hessen in der amerikanisch besetzten Zone Deutschlands transportiert.
Über die Besetzung Böltens durch die Rote Armee, die Ankunft tschechischer Neusiedler und den „Abschub“ der Deutschen berichtete der 1945 nach Bělotín abkommandierte Unterfähnrich Al. Tylich 1979 in der Schrift Bělotín, obec moravské brány (deutsch: „Bělotín, Gemeinde an der Mährischen Pforte“).[4]
Sehenswürdigkeiten
Pfarrkirche St. Georg (Siehe unter Literatur: Festschrift zur 200-Jahrfeier)
Verkehr
Die Gemeinde verfügt über eine Haltestelle der 1847 in Betrieb genommenen Kaiser Ferdinands-Nordbahn (Wien-Krakau) – ohne Güterumschlag, weil die Eisenbahn wegen der Wasserscheide (Meereshöhe: 310 m) vom Frachtenbahnhof Pohl / Polom (280 m) über die 4,2 km entfernte Haltestelle Bölten / Belotin (290 m) bis vor den 5,7 km entfernten Bahnhof Mährisch Weißkirchen / Hranice (wieder 280 m) aufsteigend in Höhenlage, also ohne Abstellgleise errichtet werden musste. Heute liegt der am 15. Mai 1994 in Betrieb genommene neue Bahnhof an der Bahnstrecke Břeclav–Petrovice u Karviné.
Bei Bělotín zweigt die Autobahn D48 von der D1 ab.
2006 entstand eine weitere Partnerschaft mit der Gemeinde Höchst im Odenwald in Hessen und ausdrücklich auch mit dem „Kirchspiel Bölten“ mit Sitz in Höchst. Die Gemeinde Höchst im Odenwald hatte bereits am 2. August 1953 die „Patenschaft für die Sudetendeutsche Gemeinde Bölten“, Kreis Neu Titschein übernommen, später auch für die anderen Gemeinden des „Kirchspiels Bölten“: Daub, Hermitz, Kunzendorf, Litschel, Lutschitz, Neudek und Pohl mit (inklusive Bölten) insgesamt 3765 Einwohnern am 17. Mai 1939. Förderer des Paten- und des Partnerschaftsverhältnisses war Franz Polak, Ehrenbürger sowie römisch-katholischer Pfarrer der Gemeinden Bölten (als deutsches Gemeinwesen) und Höchst im Odenwald.[4]
Persönlichkeiten
Ehrenbürger
Franz Polak (1909–2000), deutscher römisch-katholischer Geistlicher
Festschrift zur 200-Jahrfeier der Pfarrkirche in Bölten (Ostsudetenland). Hrsg.: Franz Polak und Walter Fr. Schleser; Höchst i. Odw. 1957, DNB1009814419.
Bölten – Sudetenland, Patengemeinde von Höchst – Odenwald. hrsg. von Walter Fr. Schleser, Wien 1965, DNB1005054509.
Schicksal der Vertreibung. Gedenkbuch zur Patenschaft der Gemeinde Höchst i. Odw. mit den Gemeinden des Kirchspiels Bölten/Ostsudeten; Erstdruck Erich Stockert in Bad König 1987, 2. Auflage 1988, 290 Seiten, ISBN 3-924388-03-2.
Kuhländchen, unvergessene Heimat. Jubiläumsbuch des Vereines heimattreuer Kuhländler e. V.; Leer 1998, ISBN 3-7921-0588-8.
Weblinks
Commons: Bělotín – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Website der Gemeinde Bělotín. (Zu „Bytové domy Bělotínska > Dům čp. 185 v Bělotíně“ wird bemerkt, dass die Villa Schleser (nicht Schlöser) und die Kuhländer Molkerei nicht in den 1920er Jahren, sondern vor dem 1.WK, 1912/13, auf dem Grundstück 185 neu errichtet wurden. Vorher befand sich die 1902 von Franz Schleser aus Zauchtel/Suchdol erworbene Molkerei am Grundstück Nr. 5.)