Alter Freund des chinesischen Volkes (chinesisch中國人民的老朋友 / 中国人民的老朋友, PinyinZhōngguó rénmín de lǎo péngyǒu – „Des chinesischen Volkes alter Freund“) ist eine diplomatische Phrase, die von Führungspolitikern der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) verwendet wird, um ausländische Personen, die sich um die Wertschätzung der chinesischen Staatsführung (bzw. der Volksrepublik China) verdient gemacht haben, mit dieser Bezeichnung zu ehren.[1][2] In der Sprache der Diplomatie und diesbezüglichen Pressemeldungen wird die Phrase auf Englisch „old friend of the Chinese people“ genannt,[3][4] auf Französisch “un/e vieil/le ami/e du peuple chinois”.[5]
„Freundschaft“ ist in der chinesischen Kultur „leicht“ geschlossen, die Silbenfolge für Freund (朋友, péngyǒu) kann bereits zwischen Fremden verwendet werden, die sich einen Gefallen tun. Erst durch das Hinzufügen des Attributs „gut“ (好, hǎo) wird ausdrücklich die Ernsthaftigkeit einer (in deutschen Verhältnissen: ‚echten‘) Freundschaft signalisiert, doch auch hier ist noch nicht impliziert, dass man bereits über längere Zeit befreundet ist, und dass das so bleibt. Erst nach wirklich langer und dauerhaft positiver Beziehung kann ausdrücklich von guten Freunden (eben: 老朋友, lǎo péngyǒu – „Guter Freund / Kumpan [der über eine lange Zeit in Freundschaft verbunden ist]“) gesprochen werden. Im Sinne des Guanxi geht damit auch eine Erwartungshaltung einher: Kumpane unterstützen sich und ergreifen Partei füreinander. Noch engere Freundschaft lässt sich nur noch durch die Anrede als Geschwister oder andere Verwandte signalisieren.[6][7] Die Bezeichnung als „lǎo péngyǒu“ kann durchaus auch als bloße Schmeichelei genutzt und verstanden werden, sowohl in der Geschäftswelt wie auch der Diplomatie.[8]
Die Silbe ‚lǎo‘ (chinesisch老) trägt die Hauptbedeutung „alt“, mit möglichen Nebenbedeutungen als „ehrwürdig“, „seit langem bestehend“, „erfahren“, „bewährt“ oder „schon immer“. Das gibt dieser Bezeichnung für einen Freund eine positive Konnotation[9], mehr noch als die oben bereits genannte reine Zustandsbeschreibung „gut“.[1]
Geschichte und Häufigkeit der Auszeichnung
Beginnend im Jahr 1956 wurden bis 2010 insgesamt 601 Menschen aus 123 Ländern in der Zeitung Renmin Ribao (einem Parteiorgan der KPCh) als „alte Freunde“ ausgewiesen.[10][3] Stand 2011 waren unter anderem 111 Japaner, 56 US-Amerikaner, 24 Briten, 23 Franzosen, 18 Deutsche, 15 Thailänder, 14 Kanadier, 11 Inder, 10 Bengalen und 9 Italiener mit dem Begriff bedacht worden. Unter den „Alten Freunden“ befinden sich auch solche mit chinesischer Abstammung und Herkunft (bspw.: Han Suyin, Israel Epstein, Ma Haide[11]).[3] Anlässlich der (telefonischen) Zuschreibung an Angela Merkel Oktober 2021 wird eine Zahl von 600 Geehrten genannt.[12]
Der kanadische Geistliche, Missionar und Sozialist James Gareth Endicott, der sich für die Bildung in China eingesetzt und die Kommunistische Partei im Chinesischen Bürgerkrieg unterstützt hatte, war der Erste, der als „Alter Freund des chinesischen Volkes“ bezeichnet wurde.[3]
Waren bis 1978 nur relativ wenige mit jener Betitelung durch die chinesische Staatsführung geehrt worden, änderte sich das, nachdem die Volksrepublik China im Zuge der Reform- und Öffnungspolitik diplomatische Beziehungen zu vielen Ländern aufgenommen hatte. Jedoch sind nicht ausschließlich Politiker unter den „Alten Freunden“, sondern beispielsweise auch Ärzte, Journalisten, Komiker, Schriftsteller und Sportler.[3] Besonders häufig (jeweils knapp über 60 Mal) wurde die Bezeichnung neben dem Jahr 1978, außerdem im Jahr 1984 (als die Chinesisch-britische gemeinsame Erklärung zu Hongkong verabschiedet wurde) und im Jahr 1989 (als das Tian’anmen-Massaker stattfand) gebraucht. Im Jahr 1997 (dem Jahr der Übergabe von Hongkong an die Volksrepublik China) erhielten knapp 80 Menschen die Bezeichnung des alten Freundes des chinesischen Volkes. Seit 1997 hat die Vergabe der Bezeichnung abgenommen, weshalb auch der Spitzenwert von 1997 (Stand 2010) unerreicht blieb.[3]
Die Anzahl der Nationalitäten unter den „alten Freunden des chinesischen Volkes“ stieg von neun in den 1950er und 1960er Jahren auf 24 in den 1990er Jahren und im 21. Jahrhundert auf mindestens 29.[13]
Liste von Geehrten
Herkunft
Ausgezeichnete/r
Grund der Betitelung/Beleg (wo zu den Personen keine Artikel vorhanden sind, kurze Erklärung zur Person)
War mit Zhou Enlai befreundet und ein Unterstützer der Kommunistischen Partei Chinas. Während des Chinesischen Bürgerkriegs stellte er ein unterirdisches Netzwerk zur Verfügung, in dem sich prokommunistische Kräfte treffen und austauschen konnten[14][15][3][16]
Nach Pearl Harbor flog H. W. Bush als jüngster Pilot der US Air Force viele Luftangriffe gegen das japanische Kaiserreich, das im Zweiten Weltkrieg auch Feind der chinesischen Kommunisten war. H. W. Bush lebte vor seiner Präsidentschaft für ein Jahr als Diplomat in China und bemühte sich als Präsident um die Sino-amerikanischen Beziehungen.[31]
Schmidt war der erste Deutsche Bundeskanzler, der China besuchte. Schmidt verfasste außerdem Bücher und Aufsätze über China, die auch ins Chinesische übersetzt wurden. Laut Li Keqiang habe Schmidts Engagement dazu geführt, dass Deutschland in Chinas Europa-Strategie eine herausragende Rolle spiele. Li pflegte Kontakt zu Schmidt.[35]
Merkel bereiste China während ihrer Amtszeit zwölf Mal und besuchte bei jeder Chinareise zusätzlich eine andere Stadt. Im Jahr 2021 würdigte Xi Jinping dies und ihre Art der Diplomatie, die zu guten chinesisch-deutschen Beziehungen beigetragen habe, sowie ihre Kenntnis zu „manchen Realitäten in China“.[1][2][39]
↑ abcdefghiGeorg Fahrion: Chinas Abschied von Angela Merkel: Auf Wiedersehen, »alte Freundin«. In: Der Spiegel. 14. Oktober 2021, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 15. Oktober 2021]).
↑Shengfei Gan: How to Do Business with China. An Inside View on Chinese Culture and Etiquette. AuthorHouse, 2014. ISBN 978-1-4969-9107-2. Digitalisat, vgl. S. 237.
↑Chinese & American Friendship Association of Maine: „In China, you are old“ (eng.) vom 27. Juli 2011, abgerufen am 22. Oktober 2021
↑ abJinjun Zhao: China and the International Society: Adaptation and Self-Consciousness. World Scientific, 2014, ISBN 978-1-938134-51-7 (google.de [abgerufen am 19. Oktober 2021]).
↑Lea Sahay: Alte Freundin Chinas sueddeutsche.de, 15. Oktober 2021, abgerufen am 27. Mai 2023.
↑Jinjun Zhao, Zhirui Chen: China and the International Society: Adaptation and Self-Consciousness. World Century, 2014, ISBN 978-1-938134-51-7, S.73 (englisch).
↑Donn Downey: OBITUARY: James Gareth Endicott Chinese-born missionary was peace activist. Globe and Mail, 1993.
↑Anne-Marie Brady: Making the Foreign Serve China: Managing Foreigners in the People’s Republic. Rowman & Littlefield Publishers, ISBN 978-1-4617-0475-1.
↑Peking: Helmut Schmidt: China trauert um den „alten Freund“. In: DIE WELT. 11. November 2015 (welt.de [abgerufen am 19. Oktober 2021]).
↑Der liebste Kanzler der Chinesen – Beobachtungen von einer Reise. In: Der Tagesspiegel Online. 27. August 1999, ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 17. November 2021]).
↑Andreas Lorenz: Hugging the Panda: Gerhard Schröder Opens Doors for German Companies in China. In: Der Spiegel. 6. November 2009, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 19. Oktober 2021]).
↑Daniel Friedrich Sturm: Flucht aus dem Amt: Warum Horst Köhler nicht mehr Präsident sein wollte. In: DIE WELT. 22. Mai 2011 (welt.de [abgerufen am 17. November 2021]).
↑Ian Aitken: Encyclopedia of the Documentary Film 3-Volume Set. Routledge, 2013, ISBN 978-1-135-20620-8 (google.co.uk [abgerufen am 19. Oktober 2021]).
↑Ian Aitken: The Concise Routledge Encyclopedia of the Documentary Film. Routledge, 2013, ISBN 978-1-136-51206-3 (google.co.uk [abgerufen am 19. Oktober 2021]).