Die Buchhändlerin Lucie Großer hatte 1943 die Breitkreuz’sche Buchhandlung in der Alten Schönhauser Straße 8 im alten Berliner Scheunenviertel erworben und betrieb das Geschäft seit August 1944 als Altberliner Bücherstube. Am 1. Juni 1945 gründete Großer mit provisorischer Genehmigung der sowjetischen Kommandantur zusätzlich zur Buchhandlung den Altberliner Verlag Lucie Groszer, den ersten Kinderbuchverlag in Nachkriegsdeutschland. (Die Schreibung des Namens mit „sz“ ergab sich dabei aus dem Nichtvorhandensein eines Versal-ß.) Eine vollgültige Lizenz erhielt der Verlag im Februar 1947.
In den 1960er Jahren wurde das ohnehin knappe Papierkontingent für den Privatverlag, in dem bisher 10 Titel pro Jahr erschienen waren, so stark gekürzt, dass das Verlagsprofil auf Bilderbücher (mit geringerem Seitenumfang) umgestellt werden musste. Fortan erschienen im Durchschnitt 7 Titel pro Jahr.
Nachdem Großer sich bereits Mitte der 1970er Jahre mit dem Gedanken getragen hatte, ihren Verlag an die HV Verlage zu verkaufen, verkaufte sie ihn schließlich im Oktober 1979 für 203.200,25 Mark mit allen Rechten und dem Archiv formal an den von Fred Rodrian geleiteten Kinderbuchverlag Berlin (und damit an die SED). Der Name wurde in Altberliner Verlag geändert; neuer Verlagsleiter wurde Gerhard Dahne. Lucie Großer arbeitete noch bis 1982 im Verlag und ging dann in Rente. Mit der Verstaatlichung ging ein stark erhöhtes Papierkontingent einher, so dass nun 80 Titel pro Jahr produziert werden konnten, darunter Kinderbücher von Christoph Hein, Martin Karau, Irina Liebmann, Gerhard Schöne, Richard Pietraß, Bodo Schulenburg und Thomas Rosenlöcher.
Nach der Wende wurde der Verlag im Mai 1990 aus dem Parteivermögen der PDS an die (von einigen Verlagsmitarbeitern gegründete) Altberliner Verlag GmbH verkauft; auch das Verlagsgebäude wurde übertragen. Gerhard Dahne blieb Verlagsleiter und wurde zugleich Geschäftsführer. Da für den Verkauf allerdings keine Genehmigung der Treuhandanstalt vorgelegen hatte, kam der Verlag 1992 in Verwaltung der Treuhand und wurde 1993 verkauft.
In der letzten Existenzphase des Verlags von 1993 bis 2003 erschienen unter anderem Bücher von Christa Kożik, Konstanze Hupe, Martina Dierks, Kemal Kurt, Sobo, Andreas Schlüter und Franziska Groszer (der Schwiegertochter der Verlagsgründerin). Im August 2003 meldete der Verlag Insolvenz an, die Taschenbuchrechte waren bereits vorher an dtv verkauft worden. 2005 lebte der Verlag noch einmal kurz auf, nun allerdings mit Sitz in München und später Leipzig; im September 2008 wurde endgültig Insolvenz angemeldet.
Literatur
Brit Holland: Die privaten Kinder- und Jugendbuchverlage „Altberliner Verlag Lucie Groszer“ und „Alfred Holz Verlag“. In: Thomas Keiderling, Lothar Poethe, Volker (Hrsg.): Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte. Band12. Wiesbaden 2003, ISBN 3-447-04827-1, S.195–229.
Christoph Links: Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen. Ch. Links Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-523-2 (= Univ. Diss., HU Berlin 2008)