« Dagegen wird überall der Umstand besprochen, daß auf dem Bande, welches sich über dem Hauptportale an der prächtigen Freitreppe hinzieht, jegliche Inschrift fehlt. Der Baumeister wollte ursprünglich die Inschrift hinsetzen: ‚Dem deutschen Volke.‘ Die Baucommission des Reichstages hatte diese Inschrift gutgeheißen; sie gehörte in den Bauplan des Hauses und, verfassungsmäßig gedacht, gab es keine Autorität, welche das Recht gehabt hätte, diesen Beschluß umzustoßen oder zu ignoriren, es sei denn der Reichstag selbst. Trotzdem ist die Inschrift nicht angebracht worden, und das Band starrt den Beschauer in öder Leere an. Die antisemitischen Blätter sehen in der Leere ein böses Zeichen; sie verlangen, wenn schon die Worte ‚Dem deutschen Volke‘ Anstoß erregen sollten, so möge man schreiben: ‚‘Dem Wohl des deutschen Volkes‘ oder ‚Für das deutsche Volk‘; andere Blätter rathen boshaft, man möge schreiben: ‚Dem deutschen Heere‘. Die Socialdemokratie höhnt, es sei gut, daß der Platz freigeblieben sei, man könne dann einstmals hinaufschreiben : ‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!‘ »
« Und ohne Inschrift ist’s lange geblieben – Da kam der Deutsche in Feldgrau daher, Er sprach die Worte weittönend und schwer Und hat – mit dem Schwert sie eingeschrieben. »
« Mit einem zwischen schräggestellter Breitfeder und Flachpinsel lavierenden Duktus modifiziert sie die Grundformen der klassischen Unziale (E, U, T) durch Sporen der linken Schaftfüße in M, H, N und K und Brechung der rechten in M, U, H, N, Knickung des oberen Bogenprofils von E, M, S, C und Serifierung der Schaftansätze in U, H, K und L, indem sie die Rundungen streckt (D) und die Geraden rundet (V) und die Aufschrift in einen vitalistisch-flammenden Kontrapunkt zur geometrischen Architektur verwandelt. »
↑Klaus von Beyme: Kulturpolitik und nationale Identität: Studien zur Kulturpolitik zwischen staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Autonomie. Westdeutscher Verlag, Opladen, Wiesbaden 1998, S. 241.
↑ a et bPeter Rück: Die Sprache der Schrift. Zur Geschichte des Frakturverbots von 1941. In: Jürgen Baurmann, Hartmut Günther, Ulrich Knoop (Hrsg.): homo scribens. Perspektiven der Schriftlichkeitsforschung. Niemeyer, Tübingen 1993, (ISBN3-484-31134-7), S. 231–272, hier S. 245.
↑ a et bHeiko Bollmeyer: Der steinige Weg zur Demokratie. Die Weimarer Nationalversammlung zwischen Kaiserreich und Republik (= Historische Politikforschung. Bd. 13). Campus, Frankfurt am Main 2007, S. 57.
↑Michael S. Cullen: Das Reichstagsgebäude. Ein baugeschichtlicher Überblick. In: Ansgar Klein, Ingo Braun, Christiane Schroeder, Kai-Uwe Hellmann (Hrsg.): Kunst, Symbolik und Politik: Die Reichstagsverhüllung als Denkanstoß. Leske + Budrich, Opladen 1995, S. 231–246, hier S. 244 (E-Text).
↑Michael S. Cullen: Das Reichstagsgebäude. Ein baugeschichtlicher Überblick. In: Ansgar Klein, Ingo Braun, Christiane Schroeder, Kai-Uwe Hellmann (Hrsg.): Kunst, Symbolik und Politik: Die Reichstagsverhüllung als Denkanstoß. Leske + Budrich, Opladen 1995, S. 231–246, hier S. 243; Michael S. Cullen: Der Reichstag. Symbol deutscher Geschichte. be.bra, Berlin 2015, S. 62 (E-Book).
↑Hans Haacke: „DER BEVÖLKERUNG“. In: Bundestag.de; Michael Diers, Kaspar König (Hrsg.): „Der Bevölkerung“. Aufsätze und Dokumente zur Debatte um das Reichstagsprojekt von Hans Haacke. König, Köln 2000.
↑Wem gehört das Volk? Ein Gespräch mit Hans Haacke von Matthias Flügge und Michael Freitag. In: neue bildende kunst. Bd. 9, 1999, Heft 7, S. 22–24, (ISSN0941-6501).