Bereits im Urchristentum bildeten sich in den christlichen Gemeinden unterschiedliche Riten und Traditionen, die sich in der Folge weiter entwickelten. Eine besondere Stellung nahmen in der Alten Kirche die Patriarchate von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, Jerusalem und Rom ein.
Mindestens seit dem Mittelalter ist die geografische Zuordnung jedoch nicht mehr eindeutig; unter anderem durch die Kreuzfahrer kam das lateinische, westliche Christentum auch in den Nahen Osten.
Territoriale Ausbreitung
Durch die islamische Expansion sind große Teile der ostkirchlichen Ursprungsgebiete überwiegend muslimisch geprägt und die ostkirchlichen Christen zumeist in der Minderheit.
In der Neuzeit kam die ostkirchliche Diaspora in den Stamm- oder Missionsgebieten der Westkirche dazu, vor allem in Westeuropa, Nordamerika und Australien.
Im Gegenzug hat durch historische Entwicklungen auch die westliche Lateinische Kirche in den ursprünglichen Gebieten des östlichen Christentums Ausbreitung gefunden.
Ostkirchen (lateinischEcclesiae Orientales) sind die vorreformatorischen Kirchen des östlichen Christentums. Die religiösen Traditionen in den einzelnen Kirchen sind sehr verschieden. Diese Unterschiede gehen bereits auf die frühchristlichen Jahrhunderte zurück, in denen sich die verschiedenen Kirchen auf Grund von Differenzen in der Christologie und Fundamentaltheologie, aber auch aus politischen und nationalen Gründen voneinander getrennt haben.
Sie lassen sich in vier Hauptgruppen von östlichen Kirchenfamilien gliedern, die jeweils gewisse theologische und kulturelle Gemeinsamkeiten besitzen:
Orientalisch-orthodoxe Kirchen (auch altorientalisch) sind verschiedene Kirchen mit unterschiedlichen Entstehungsgeschichten. Manche trennten sich nach den Konzilen von Ephesos (431) und Chalcedon (451) aufgrund theologischer Differenzen von der Reichskirche, andere waren Landeskirchen außerhalb der Grenzen des Oströmischen Reichs („Nationalkirchen“). Einige entstanden innerhalb des Reiches als gegen den konstantinopolitanischen Zentralismus gerichtete regionale Bewegungen („Oppositionskirchen“). Sie unterscheiden sich teilweise deutlich in ihren Riten und Traditionen sowie in ihren Theologien.
Zu den orientalischen Kirchen gehören die Ostkirchen, deren historische Entwicklung von der römischen Reichskirche getrennt verlief, weshalb deren Sprache weder Griechisch noch Latein (und auch keine andere europäische Sprache) ist. Dazu gehören die orientalisch-orthodoxen Kirchen und die Georgische Orthodoxe Kirche sowie die mit Rom unierten katholischen Ostkirchen mit orientalischen Riten (alexandrinisch, armenisch, west- und ostsyrisch) und die Georgisch-katholische Kirche. Es wird als konfessionsübergreifender Begriff gebraucht, der siedlungsgeographisch und sprachlich bestimmt ist.
Das vor allem durch die armenische Diaspora getragene armenische Christentum hat seit 1846 sogar einen protestantischen Zweig, die Armenisch-Evangelische Kirche mit Sitz in Jerewan und Beirut.
Aus dem Patriarchat Alexandrien entstand die koptische Kirche sowie verschiedene daraus hervorgegangene orientalisch-orthodoxe sowie katholische Kirchen und das daraus hervorgegangene äthiopische Christentum in Äthiopien und Eritrea. Untergegangen ist das nubische Christentum.
Die Grundsprache alexandrinisch-ägyptischer Liturgie ist und bleibt das Griechische. Noch in der Spätantike traten verschiedene koptische Sprachen hinzu, in den Missionsgebieten das Nubische und das Äthiopische. Nach der Arabisierung Ägyptens wurde das Arabische für die biblischen sowie hagiographischen Lesungen aufgenommen und in den priesterlichen Gebetbüchern als Verständnishilfe in Marginalübersetzungen genutzt. In der Neuzeit kommt das Arabische zunehmend auch in Texten der Gemeinde zum Tragen. Trotz der gesellschaftlichen Benachteiligung in einer islamisch geprägten Umwelt hat das koptische Christentum seine Traditionen bewahrt und ein auf das Alte Ägypten zurückgeführtes Selbstbewusstsein entwickelt.[1]
Merkmale
Obgleich sich die Ostkirchen in ihrem spezifischen Ritus und ihrer kanonischen Jurisdiktion mannigfaltig unterscheiden, zeichnen sie folgende, wesentliche Gemeinsamkeiten aus:
Allatae sunt, 26. Juli 1755, PapstBenedikt XIV., "Über die Befolgung des Orientalen Ritus", die erste zusammenfassende Enzyklika zum Thema der Ostkirchen
Orientalis Ecclesiae, 9. April 1944, Pius XII. , „Über den heiligen Kyrill von Alexandrien und dem Gebet zur Vereinigung mit den Ostkirchen“
Orientales omnes ecclesias, 23. Dezember 1945, Pius XII. , „Über den 350. Jahrestag der Vereinigung der ruthenischen Kirche mit dem Apostolischen Stuhl“
Orientales ecclesias, 15. Dezember 1952, Pius XII. , „Über die Verfolgung der orientalischen Kirchen“
Orientale lumen, 2. Mai 1995, Papst Johannes Paul II., „Zum hundertsten Jahrestag des Apostolischen Schreibens "Orientalium Dignitas" von Papst Leo XIII“.
Johannes Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Ostens. Orthodoxe, orientalische und mit Rom unierte Ostkirchen. Topos plus, Kevelaer, 2., aktualisierte Aufl. 2008, ISBN 3-8367-0577-X.
Johannes Oeldemann: Orthodoxe Kirchen im ökumenischen Dialog. Positionen, Probleme, Perspektiven. Bonifatius, Paderborn 2004, ISBN 3-89710-255-2.
Reinhard Thöle (Hrsg.): Zugänge zur Orthodoxie (= Bensheimer Hefte 68). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, 3., neubearbeitete Auflage ISBN 3-525-87176-7.
Dietmar W. Winkler, Klaus Augustin: Die Ostkirchen – ein Leitfaden. Pro Oriente, Graz 1997.
Buchreihe Das Östliche Christentum. Hrsg. vom Ostkirchlichen Institut an der Universität Würzburg. Echter, Würzburg 1936ff.
↑Siegfried G. Richter: Das koptische Ägypten. Schätze im Schatten der Pharaonen. (mit Fotos von Jo Bischof). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2019, ISBN 978-3-8053-5211-6, S. 120–127.