Seine Mutter starb, als er sieben Jahre alt war; danach wuchs er hauptsächlich in Internatsschulen auf. Während der Belagerung von Paris 1870/71 entdeckte er das Guignol-Puppentheater (Marionetten) und die politische Karikatur für sich. Als 15-Jähriger begann er auf Drängen seines Vaters eine Berufsausbildung als Juwelier, doch er lebte schließlich als zeichnender Bohemien.
Um 1907 begann er für die Filmproduktionsfirma Gaumont zu arbeiten. Er lernte das filmische Handwerk von anderen angestellten Regisseuren, doch sein Metier war die Herstellung von kurzen Animationsfilmen. Die Idee hierzu kam durch den großen Erfolg von The Haunted Hotel, einem in Stop-Motion-Technik animierten Vitagraph-Film von James Stuart Blackton, der im April 1907 seine Pariser Premiere hatte. Cohls 1908 entstandener erster eigener Zeichentrickfilm Fantasmagorie mit einer Laufzeit von 2 Minuten besteht aus etwa 700 Zeichnungen und gilt als der erste ausschließliche Animationsfilm. Dafür zeichnete Cohl die Einzelbilder mit schwarzem Stift und projizierte später den Negativfilm, womit er einen Effekt erzielte, der dem von Zeichnungen mit weißer Kreide auf einer schwarzen Tafel ähnelte. Der Film wurde am 17. August 1908 in Paris uraufgeführt. Seine einfachen kleinen, mit wenigen Strichen gezeichneten Figuren, in diesem und seinen folgenden beiden Filmen im selben Stil, nannte er „Fantoches“. Cohl wandte sich jedoch wegen des hohen Zeitaufwands der Herstellung dieser Filme zunächst anderen Formen des Animationsfilmes zu.
Im März 1914 fuhr Cohl mit seiner Familie für einen Besuch von New Jersey nach Paris und blieb dort, da kurz nach seiner Abreise ein Brand die Éclair-Studios in Amerika zerstörte. Dabei wurden bis auf die beiden Filme He Poses for His Portrait und Bewitched Matches alle amerikanischen Arbeiten Cohls für diese Firma vernichtet. Ab Ende 1914 wurden Cohls Techniken von dem von John Randolph Bray neu gegründeten Bray Productions, dem ersten ausschließlichen Trickfilmstudio, weiterentwickelt.
Rolf Giesen: Emile Cohl. In ders.: Lexikon des Trick- und Animationsfilms. Von Aladdin, Akira und Sindbad bis zu Shrek, Spider-Man und South Park. Filme und Figuren, Serien und Künstler, Studios und Technik - die große Welt der animierten Filme. Schwarzkopf und Schwarzkopf, Berlin 2003, ISBN 3-89602-523-6, S. 96–103.