1984 übernahm er die Position des Ballettdirektors der Frankfurter Kompanie, die er in Ballett Frankfurt umbenannte. 1999 wurde Forsythe Intendant des Balletts und des TAT. Zum Ende der Spielzeit 2003/04 wurde das Ballettensemble aufgelöst. Danach gründete er die unabhängige Forsythe Company.
Der spätere Stuttgarter Intendant Klaus Zehelein erkannte als Chefdramaturg an den Städtischen Bühnen Frankfurt (1977–1987) bei Forsythe das entwicklungsfähige Ausnahmetalent und leitete den Ruf nach Frankfurt ein. William Forsythe trat 1984 seine erste Spielzeit als Ballettdirektor an. Die zu Beginn der fünfziger und sechziger Jahre anhaltende Wandlung des Balletts vom klassischen zum neo-klassischen war an seine Grenzen gekommen. Auf der permanenten Suche nach Neuem gelang es Forsythe, diese Stagnation zu unterbrechen und eine Zäsur zu setzen. Das Vokabular des klassischen Balletts ergänzte Forsythe, indem er die Zuordnung des Körpers, alleine zum Zuschauer hin, aufhob und plötzlich für die Seitengasse oder gar das Rückportal tanzen ließ. War es bisher vor allem das Brustbein, das zum Zuschauer zeigen sollte, so waren es nun alle Gliedmaßen und alle Richtungen, die eine wesentliche Rolle zu spielen hatten.
Daraus ergab sich eine unendliche Bewegungs- und Raumvielfalt, die dem Balletttänzer so bis dahin fremd war. Befreit von Ablenkendem hat sich so das Ballett neu konstituiert. Viele Ballette von Forsythe enthalten nur spärliches Bühnenbild (z. B. Limb’s Theorem), wodurch dem Tänzer an sich nochmals mehr Bedeutung entgegengebracht wurde. Hat sich in den frühen sechziger Jahren Wieland Wagner um die Entstaubung der Darstellung in der Oper verdient gemacht, so war es Forsythe, der begann, im Ballett mit Konventionen zu brechen. Ausgeklügeltes Licht versetzte Tänzer in eine noch nie dagewesene Silhouette. Teils scherenschnittartig, seitlich teilausgeleuchtet oder auch mal mit Bühnenarbeitslicht, erschuf er eine noch nicht gekannte Wahrnehmung getanzter Körper. Der Bruch mit dem Abonnementspublikum, die kurze Egon-Madsen-Zeit (1981–1984), hielt sich mindestens drei Jahre mit sehr starken Unmutsäußerungen. In den alten Stuttgarter Produktionen, die noch aus der Madsen-Zeit in Frankfurt im Repertoire blieben, wurde William Forsythe das eine oder andere Mal sogar als Tänzer entdeckt.
Tanz-Dokumentation, Forschung und Lehre, Vorlass
In Zusammenarbeit mit Medien-Spezialisten und Pädagogen entwickelt Forsythe neue, innovative Ansätze der Tanz-Dokumentation, -Forschung und -Lehre. Seine CD-ROM «Improvisation Technologies: A Tool for the Analytical Dance Eye», die 1994 in Zusammenarbeit mit dem ZKM / Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe entwickelt wurde, wird weltweit in professionellen Kompanien, Tanzhochschulen, Universitäten, der Postgraduierten-Ausbildung von Architekten und in Schulen eingesetzt.
2009 wurde «Synchronous Objects for One Flat Thing, reproduced» vorgestellt, eine digitale, webbasierte Partitur, die zusammen mit der Ohio State University entwickelt wurde. Sie zeigt die Organisationsprinzipien der Choreografie und führt vor, wie sie auch im Rahmen anderer Disziplinen verwendet werden können. «Synchronous Objects» stellte das Pilotprojekt im Rahmen von Forsythes „Motion Bank“ dar, einer Forschungsplattform zur Erstellung und Erforschung digitaler Tanzpartituren in Zusammenarbeit mit Gastchoreografen.
2023 übergab Forsythe seinen Vorlass – ein Konvolut von 4000 Videobändern, dazu viele Audiotapes und vierzig laufende Regalmeter voller Unterlagen – dem Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe.[5]
Christiane Berger: Körper denken in Bewegung: Zur Wahrnehmung tänzerischen Sinns bei William Forsythe und Saburo Teshigawara. transcript, Bielefeld 2006, ISBN 978-3-89942-554-3.
Wibke Hartewig: Kinästhetische Konfrontation: Lesarten der Bewegungstexte William Forsythes. epodium Verlag, München 2007, ISBN 978-3-9808231-8-0.
William Forsythe, Daniel Birnbaum, Markus Weisbeck: William Forsythe: Suspense. JRP Editions SA, 2008, ISBN 978-3-905829-75-4.
Steven Spier (Hg.): William Forsythe and the Practice of Choreography: It Starts From Any Point. Taylor & Francis Ltd, London 2011, ISBN 978-0-415-97822-4.
Susanne Gaensheimer: William Forsythe: The Fact of Matter. Kerber Verlag, Bielefeld/Berlin, 2016, ISBN 978-3-7356-0199-5.
Biliana Vassileva: L'improvisation chez William Forsythe: une approche singulière. Éditions universitaires européennes, 2017, ISBN 978-3-330-87226-4.
Eva Respini & Louise Neri: William Forsythe: Choreographic Objects. Prestel Verlag, München 2018, ISBN 978-3-7913-5796-6.
Kirsten Maar: Entwürfe und Gefüge: William Forsythes choreographische Arbeiten in ihren architektonischen Konstellationen. transcript, Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8376-2377-2.
Alexander H. Schwan: Schrift im Raum: Korrelationen von Tanzen und Schreiben bei Trisha Brown, Jan Fabre und William Forsythe. transcript, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8376-3814-1.
Elizabeth Waterhouse: Processing Choreography: Thinking with William Forsythe's Duo. transcript, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8376-5588-9.
Freya Vass: William Forsythe’s Postdramatic Dance Theater: Unsettling Perception (Cognitive Studies in Literature and Performance). Palgrave Macmillan, London 2023, ISBN 978-3-031-26657-7.
↑USC Choreographic Institute. USC Kaufman School of Dance, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Mai 2020; abgerufen am 24. April 2020 (englisch): „the USC Choreographic Institute is the research platform of the Glorya Kaufman School of Dance at the University of Southern California“Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/kaufman.usc.edu