Der Westfälische Archivtag ist eine jährliche stattfindende Fachkonferenz der Archivare aus Westfalen und Lippe. Die Regionen übergreifende Versammlung dient zum Austausch von Erfahrungen und der Erörterung archivspezifischer Probleme. Zu thematisch festgelegten Vorträgen und Diskussionsforen wird gewöhnlich Anfang März an wechselnde Tagungsorte eingeladen. Organisiert wird der Archivtag vom LWL-Archivamt für Westfalen, einer Einrichtung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, in Zusammenarbeit mit den ausrichtenden Städten.
Am 3. Januar 1939 lud der Direktor des Staatsarchivs Münster, Eugen Meyer, zur ersten „Versammlung westfälischer Archivare, Archivverwalter und Archivpfleger“ nach Münster ein.[1] Der Einladung folgten 66 Personen, unter denen sich 10 Archivare befanden. Den Großteil der Versammelten bildeten Verwaltungsfachleute. Am ersten Tag traf man sich im Landeshaus des Landeshauptmanns Kolbow. „Die Geschichte der kommunalen Archivpflege“ war Thema des ersten Hauptreferats, gehalten von Eugen Meyer. Doch auch praxisbezogene Arbeitshilfen wurden im Rahmen der Versammlung besprochen und man versuchte Grundprinzipien zur Feststellung, Sicherung und Ordnung der Archive zu vermitteln. Aus dem Protokoll ist ersichtlich, dass der Referent zwar einem festen Redemanuskript folgte, jedoch auch Fragen und Zusätze aus dem Teilnehmerkreis zuließ und eine offene Diskussion bestärkte. Der zweite Teil des Tages fand im Staatsarchiv statt, wo es neben den Vorträgen von drei Fachreferenten auch eine Führung durch die Räumlichkeiten des Archivs gab.
Kriegsbedingt kam es erst am 2. Oktober 1949 zu einer weiteren Versammlung ähnlicher Art. Diese fand in Lippstadt unter dem Titel „Zusammenkunft westfälischer Archivare, Archivpfleger und Archivverwalter“ im Rahmen des „Tages der westfälischen Geschichte“ statt. Von 68 geladenen Personen erschienen 41 zu der Veranstaltung. Diese dauerte nur knapp 1 ½ Stunden und bestand unter anderem aus einem Bericht über die Organisation und Aufgaben der Archivpflege.
Am 2. Juli 1950 folgte ein weiteres Treffen, erneut im Rahmen des „Tages Westfälischer Geschichte“ in Brilon. Hier ist mit 59 Personen ein Anstieg der Teilnehmerzahl zu verzeichnen. Viele Besucher hatten keine Einladung erhalten und erschienen aus eigenem Antrieb. Geleitet wurde die Zusammenkunft von Prof. J. Bauermann, der Fragen allgemeiner Art besprach und auf jüngst erschienene Hilfsmittel hinwies. Anschließend gab es eine Diskussionsrunde und eine Führung durch das Stadtarchiv Brilon.
In den folgenden Jahren fanden regelmäßig Treffen in wechselnden Städten statt, jedoch immer als Teil des „Tages der westfälischen Geschichte.“ Dies änderte sich nach dem 13. Treffen im Jahr 1959 in Herford. Man löste sich vom „Tag der westfälischen Geschichte“ und führte von nun an eigenständige Veranstaltungen durch. In Arnsberg wurde vom 7. bis 9. April 1960 die „Tagung der westfälischen Archivare, Archivverwalter und Archivpfleger“ abgehalten. Die Organisation lag beim Leiter der Archivberatungsstelle. Das Programm umfasste, wie in der Vergangenheit, mehrere Referate mit Aussprache und wurde um eine ganztägige Studienfahrt ergänzt. Insgesamt waren 85 Teilnehmer zu verzeichnen.
Im Jahre 1970 änderte sich der Name der Veranstaltung. Nun wurde zum ersten Mal zum „Westfälischen Archivtag“ eingeladen. Aufgrund der wachsenden Teilnehmerzahl bei den folgenden Tagungen war eine allgemeine Aussprache bald nicht mehr durchführbar. So kam es 1980 in Hamm zur Bildung der Arbeitskreise, die auch heute noch Bestandteil des Westfälischen Archivtages sind. Auch bei den Themen kann über die Jahre hinweg ein Wandel festgestellt werden. Es fand eine Neuorientierung weg vom rein „Belehrenden“ hin zu Referaten über die Situation der entsprechenden Region oder einzelner Archive, angeregt vom jeweiligen Tagungsort, statt. Dieses Konzept wird bis zu den heutigen Archivtagen angewandt. Zu den jährlichen Treffen kommen inzwischen 250–300 Archivarinnen und Archivare, was den Westfälischen Archivtag zum größten regionalen Archivtag Deutschlands macht.
Liste der Westfälischen Archivtage
Bis zum Jahr 1987 gab es kein vorher festgelegtes Tagungsthema.
Jahr
Ort
Tagungsthema
01.
1939
Münster
–
02.
1949
Lippstadt
–
03.
1951
Höxter
–
04.
1952
Iserlohn
–
05.
1953
Minden
–
06./07.
1954
Rheine, Münster
–
08./09.
1955
Hagen
–
10.
1956
Hagen
–
11.
1957
Soest
–
12.
1958
Dortmund
–
13.
1959
Herford
–
14.
1960
Arnsberg
–
15.
1961
Höxter
–
16.
1962
Hohenlimburg
–
17.
1963
Rheine
–
18.
1964
Münster
–
–
1965
–
–
19.
1966
Bochum
–
–
1967
–
–
20.
1968
Wiedenbrück
–
21.
1969
Lüdenscheid
–
22.
1970
Brilon
–
23.
1971
Warendorf
–
24.
1972
Werl
–
25.
1973
Minden
–
26.
1974
Beckum
–
27.
1975
Bocholt
–
28.
1976
Blomberg
–
29.
1977
Münster
–
30.
1978
Soest
–
31.
1979
Brakel
–
32.
1980
Hamm
–
33.
1981
Freudenberg
–
34.
1982
Lemgo
–
35.
1983
Arnsberg
–
36.
1984
Bochum
–
37.
1985
Lippstadt
–
38.
1986
Schwelm
–
39.
1987
Minden
–
40.
1988
Rheine
Die wirtschaftlichen Quellen und deren Bedeutung für die Ortsgeschichte/ Erschließung archivischer Sammlungen
41.
1989
Rietberg
Adelsarchive in Westfalen. Politiker und Archivbesitzer zur Bedeutung der Pflege privaten Archivgutes
42.
1990
Attendorn
Quellen zur Geschichte von Handel und Gewerbe
43.
1991
Lünen
Zeitungen und Ortsgeschichte/Zeitungsbestände in Kommunalarchiven
44.
1992
Meschede
Quellen zur Technik und Baugeschichte
45.
1993
Münster
Aspekte historischer Bildungsarbeit in Kommunalarchive
46.
1994
Paderborn-Schloss-Neuhaus
Sparkassen-Regionalgeschichte
47.
1995
Bielefeld-Bethel
Archivwesen der ev. und kat. Kirche/Kirchliche Quellen in Kommunalarchiven
48.
1996
Borken
Kreisarchive: Zuständigkeiten und Aufgaben
49.
1997
Plettenberg
Verkehrsgeschichte – Gegenwärtige Lage der Archive kreisangehöriger Gemeinden
50.
1998
Bad Salzuflen
Bewertung von Akten und elektronischen Daten
51.
1999
Olpe
Zukunft der nichtstaatlichen Archivpflege/Historische Umweltforschung
52.
2000
Rüthen
Digitale Informationstechniken im Archiv
53.
2001
Menden
Gedächtnis der Gesellschaft – Die Dokumentationsaufgabe der Archive
54.
2002
Rheine
Bilanz und Perspektiven der Archivpflege in Westfalen-Lippe
55.
2003
Warendorf
Öffentliche Verwaltung im Umbruch/Archive zwischen Defensive und Offensive
56.
2004
Brakel
Verwahren, Erhalten, Nutzbarmachen – 15 Jahre Archivgesetz in NRW
57.
2005
Bad Lippspringe
Archivarbeit unter veränderten Rahmenbedingungen/NKF – Ein-Euro-Jobs – Internetpublikationen
58.
2006
Bad Oeynhausen
Kooperation zwischen den Archivsparten/Bau und Einrichtung von Archivbauten
59.
2007
Arnsberg
Regionale Identität und Überlieferungsbildung/Archivischer Umgang mit Nachlässen und Fotosammlungen
60.
2008
Iserlohn
Historische Bildungsarbeit/Archivischer Umgang mit Filmen
61.
2009
Detmold
Allianzen schmieden! Felder archivischer Kooperationen heute
62.
2010
Kamen
Vom Nebeneinander zum Miteinander – Profilierung der Archive in der städtischen Kulturlandschaft
63.
2011
Siegen
Lückenbüßer oder Kronjuwelen – Nichtamtliche Überlieferungen in Kommunalarchiven
64.
2012
Gronau
Nutzung von Archiven zwischen Lesesaal und virtuellem Warenkob – Alltägliche Herausforderungen und neue Perspektiven
65.
2013
Münster
Alles digital? Elektronische Archivierung in der Praxis, Bauaktenarchivierung und digitale Dienstleistungen
66.
2014
Bielefeld
Nach vorne schauen – Strategieentwicklung und Planung in Archiven
67.
2015
Gladbeck
Überlieferungsbildung zwischen Pädagogik und Paragrafen
68.
2016
Lünen
Alles nach Plan? Umgang mit Karten und Plänen in Archiven
69.
2017
Hamm
Schaust Du noch oder archivierst du schon? Fotos und Filme in Archiven
70.
2018
Greven
Weitermachen wie bisher? Archivarbeit unter veränderten Rahmenbedingungen
71.
2019
Herford
Zukunft ist jetzt! Digitale Wege der Überlieferungsbildung, Erschließung und Zugänglichmachung
72.
2021
Hagen
Der Mensch im Mittelpunkt: Personengeschichtliche Quellen in Kommunalarchiven
Der Tagungsort wird durch den Veranstalter, das LWL-Archivamt für Westfalen, mindestens ein Jahr im Voraus festgelegt. Es wird dabei darauf geachtet, die verschiedenen Regionen in einem angemessenen Verhältnis zu berücksichtigen. Da die Teilnehmer vorwiegend in kleineren und mittleren Gemeinden beheimatet sind, finden die Tagungen zumeist dort statt.
Zwischen 1973 und 1998 wurden die Archivtage traditionell einmal jährlich in der Woche vor Christi Himmelfahrt abgehalten. Der Termin wurde jedoch, auf Wunsch der Besucher, auf Ende März vorgezogen. Die Teilnehmer stammen aus allen Archivsparten, hauptsächlich jedoch aus kommunalen und staatlichen Einrichtungen im Einzugsbereich des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Im Laufe der Jahre hat sich die Anzahl Besucher auf heute etwa 250 Personen erhöht.
Bei der Festsetzung des Rahmenthemas orientiert man sich an Tätigkeiten und Problemen, die sich aus dem Arbeitsalltag der Archivarinnen und Archivare ergeben. Dieses „Thema“ bildet die Grundlage für die späteren Vorträge und Arbeitsgruppen. Lediglich der regelmäßige Vortrag zur Geschichte des jeweiligen Veranstaltungsorts bezieht sich nicht auf das Thema.
Inhaltlich ist die Veranstaltung in zwei verschiedene Abschnitte unterteilt, denen jeweils ein Tag gewidmet ist: Während am ersten Tag allgemeine Vorträge zum jeweiligen Tagungsthema vorgetragen und Grußworte gehalten werden, haben die Besucher am zweiten Tag die Gelegenheit in kleineren Arbeitsgruppen Erfahrungen auszutauschen und Probleme zu erörtern. Die Tagung schließt mit der „Aktuellen Stunde“, in der die Referate und Sitzungen abschließend reflektiert und bewertet werden. Außerdem wird den Teilnehmern der Veranstaltungsort des nächsten Jahres verkündet.
Tagungsberichte und Vorträge des Westfälischen Archivtags werden regelmäßig in der Herbstausgabe des vom LWL-Archivamt herausgegebenen Fachmagazins „Archivpflege in Westfalen-Lippe“ sowie des hauseigenen „archivamtblog“ veröffentlicht.
Seit 2008 gibt es auf dem Westfälischen Archivtag einen Stand, an dem die Auszubildenden der Abschlussklasse der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste – Fachrichtung Archiv („FaMIs“) des Karl-Schiller-Berufskollegs Projekte vorstellen. Diese werden zuvor im Rahmen des Berufschulunterrichts erarbeitet. Die Themengebiete umfassten in der Vergangenheit beispielsweise die Vorstellung und Integration des seit 1998 bestehenden Berufs des FaMIs in der Archivwelt, die Öffentlichkeitsarbeit als einen der Schwerpunkte der Ausbildung und Problematiken wie Bestandserhaltung und Sicherung des Archivguts vor Umwelteinflüssen.
Literatur
Helma M. Massalsky: Die Westfälischen Archivtage – Versammlung Westfälischer Archivare, Archivverwalter und Archivpfleger. In: Westfälisches Archivamt (Hrsg.): Archivpflege in Westfalen-Lippe. Nr.24, 1986, ISSN0171-4058, S.28–41 (47 S., lwl.org [PDF; 4,4MB; abgerufen am 8. November 2016]).
Westfälisches Archivamt im Auftrag des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (Hrsg.): Archivpflege in Westfalen und Lippe. Nr.46, 1997, ISSN0171-4058 (lwl.org [PDF; 7,5MB; abgerufen am 8. November 2016]).
Regionale Archivtage in Deutschland. In: Norbert Reimann (Hrsg.): Texte und Untersuchungen zur Archivpflege. Band10, 1998, ISSN0944-2421.
↑Helma M. Massalsky: Die Westfälischen Archivtage – Versammlung Westfälischer Archivare, Archivverwalter und Archivpfleger. In: Westfälisches Archivamt (Hrsg.): Archivpflege in Westfalen-Lippe. Nr.24, April 1986, ISSN0171-4058, S.28 (47 S., lwl.org [PDF; 4,4MB; abgerufen am 8. November 2016]): „Die erste "Versammlung westfälischer Archivare, Archivverwalter und Archivpfleger" fand am 3. Januar 1939 in Münster statt.“