Die Stadt liegt in der historischen Landschaft Westpreußen, im breiten Urstromtal der Rheda, westlich der Danziger Bucht, auf einer Höhe von 30 m über der Ostsee,[2] etwa zwanzig Kilometer nordwestlich der Hafenstadt Gdynia (Gdingen).
Der nächste Flughafen befindet sich in 40 Kilometern Entfernung in Danzig.
Geschichte
Von 1308 bis 1466 gehörte die Landschaft zum Deutschordensland Preußen und kam dann bei der Zweiteilung Preußens zum westlichen Teil, später auch als autonomes Polnisch-Preußen bekannt, das sich freiwillig unter den Schutz der polnischen Krone begeben hatte.
Durch sein Dekret vom 16. März 1569 auf dem LublinerSejm kündigte König Sigismund II. August die Autonomie Westpreußens jedoch unter Androhung herber Strafen einseitig auf, weshalb die Oberhoheit des polnischen Königs in diesem Teil des ehemaligen Gebiets des Deutschen Ordens von 1569 bis 1772 als Fremdherrschaft empfunden wurde.[4]
1576 kam die Siedlung Schmechau, nahe der späteren Stadt, unter die Herrschaft des PutzigerStarosten Ernst von Weiher (aus der seit 1234 bekannten adligen Familie von Weiher).
Am 28. Mai 1643 gründete der Woiwode der MarienburgJakob von Weiher die nach ihm benannte Siedlung Weyersfrey, Weihersfrei nahe dem Dorf Schmechau und errichtete im selben Jahr die Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit. Während der Belagerung von Smolensk 1633/34 hatte Jakob v. Weiher gelobt, zwei Kirchen zu errichten, wenn er die Belagerung überleben sollte. Die zweite Kirche war die Kirche der Heiligen Anna, die 1648 bis 1651 erbaut wurde. Zudem ließ Weiher einen Kreuzweg und Kalvarienberg mit 19 Kapellen errichten, deren Zahl sich später auf 26 erhöhte. In diesen Jahren kamen hierher auch Franziskaner (OFM). Weihersfrei wurde zu einem bekannten Wallfahrtsort.[5]
Am 13. Januar 1650 erhielt die Stadt von Johann II. Kasimir das Stadtrecht nach preußischem Kulmer Recht. Sie war damit die einzige von einer Privatperson gegründete Stadt in Pommerellen, abgesehen von Topolno, das sein Stadtrecht bald wieder verlor. Im selben Jahr wurde das Rathaus errichtet, welches aber später mehrfach zerstört wurde. Ende des 17. Jahrhunderts war die Stadt Eigentum der Reichsfürsten-Familie Radziwill und nachfolgend der Sobieskis, unter ihnen auch König Johann III. Sobieski. Später wurde der Graf Przebendowski Eigentümer und nachfolgend der englische Konsul in Danzig, Alexander Gibson.
1723 wird der nach dem Gründer benannte Ort Weihersfrei, früher auch Weyersfrey[7] im Scriptorum Prutenicorum des preußischen Historikers David Braun aufgeführt.
Durch die erste polnische Teilung von 1772 kam das westliche Preußen mit dem Gebiet um Putzig und Neustadt unter Friedrich II. von Preußen zum Königreich Preußen. Im Jahr 1785 wird Neustadt oder Weyersfrey, polnisch Weyherowo oder Nusdz, als ein adliges Mediat-Städtchen mit einer katholischen Filialkirche von Gohra, einem Franziskaner-Reformaten-Kloster an der Rheda und Bialla und mit einer herrschaftlichen Mahl-, Walk- und Schneidemühle bezeichnet, das 130 Feuerstellen (Haushaltungen) aufweist.[8]
1790 verkaufte der Konsul die Stadt an die Familie Keyserling. An der Schule der Stadt erteilten im Jahr 1816 drei Lehrer Unterricht.[9]
1818 wurde Neustadt Sitz eines eigenen preußischen Landkreises Neustadt (Westpr.). Während dieser Zeit stieg der Anteil der deutschsprachigen Einwohner auf fast 50 % an (bei der preußischen Volkszählung von 1905 gaben 27.358 Bewohner Kaschubisch und 27.048 Deutsch als Muttersprache an). 1870 wurde die Stadt an das Eisenbahnnetz angeschlossen und erhielt eine direkte Verbindung nach Danzig und Stettin.
Nachdem die von Franziskaner-Gegenreformaten 1651 zu Neustadt gegründete Klosterschule 1826 eingegangen war, wurde 1857 in der Stadt ein Progymnasium eröffnet, das 1861 zu einem vollständigen Gymnasium erweitert wurde.[10] In der Stadt gab es am Anfang des 20. Jahrhunderts eine evangelische Kirche, zwei katholische Kirchen, eine Synagoge, ein evangelisches Schullehrerseminar, eine Präparandenanstalt, eine Oberförsterei und ein Amtsgericht.[11]
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges musste der Kreis Neustadt, wie der größere Teil Westpreußens, aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags 1920 zum Zweck der Einrichtung des Polnischen Korridors an Polen abgegeben werden, ohne Volksabstimmung und mit Wirkung vom 20. Januar 1920. Neustadt wurde in Wejherowo umbenannt. 1921 erschien dort die Zeitung „Gazeta Kaszubska“ (Zeitung Kaschubiens).
Noch vor dem 27. September 1939 wurden in Neustadt die Psychiatriepatienten der Provinzial-Irrenanstalt durch die deutschen Besatzer ermordet. Anschließend wurde in der betroffenen Klinik ein deutsches Lazarett eingerichtet.[12]
In der Stadt waren ab 1940 mehrere Ersatztruppenteile der Wehrmacht untergebracht. Während der Zeit der Eingliederung der Stadt in den Reichsgau Danzig-Westpreußen war die polnische Untergrundorganisation Gryf Pomorski in der Gegend aktiv.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs besetzte am 12. März 1945 die Rote Armee die Stadt, die damit wieder Teil Polens wurde. Die deutsche Minderheit wurde in der darauf folgenden Zeit größtenteils vertrieben.
Bei einer Verwaltungsreform 1975 verlor die Stadt den Sitz des Powiats, erhielt ihn aber bei einer erneuten Reform 1999 wieder.
davon 2336 Protestanten, 3039 Katholiken und 160 Juden[20] (240 Polen[19])
1905
08389
davon 3044 Protestanten, 5171 Katholiken, 26 andere Christen und 148 Juden;[21] nach anderen Angaben 8390 Einwohner, darunter 3160 Evangelische und 149 Juden[22]
Die Stadt Wejherowo besteht aus folgenden Stadtteilen:
Polnischer Name
Kaschubischer Name
Deutscher Name
Dzielnica Zachodnia
Nanice
Nańc
Nanitz
Śmiechowo
Smiechòwò
Schmechau
Śródmieście
Stadtmitte
Politik
Stadtpräsident
An der Spitze der Stadtverwaltung steht der Stadtpräsident. Seit 1998 dies Krzysztof Hildebrandt, der mit seinem eigenen Wahlkomitee antritt. Die turnusmäßige Wahl im April 2024 führte zu folgenden Ergebnis:[27]
Krzysztof Hildebrandt (Wahlkomitee „Ich bevorzuge Krzysztof Hildebrandt für Wejherowo“) 43,5 % der Stimmen
Wejherowo nennt sich selbst die Geistige Hauptstadt der Kaschuben. Ein Ziel von Pilgern ist die Schutzheilige Wejherowos und seiner Umgebung, die Muttergottes, deren Heiligenbild 1999 von Johannes Paul II. gekrönt wurde.
Jakob von Weiher (1609–1657), gründete 1643 die Stadt Weyersfrey (Weihersfrei)
Matthäus Prätorius (* um 1635 vermutlich in Memel; † um 1704 in Weyherstadt), evangelischer Pfarrer, später katholischer Geistlicher, Historiker und Ethnograph
Friedrich Gütte (1779–1843), wurde 1811 zum Bürgermeister gewählt, war seit 1819 Initiator der Gründung des Seebads Zoppot bei Danzig
Stanislaus Maronski (1825–1907), Historiker, arbeitete von 1857 bis 1872 als Gymnasiallehrer in Neustadt
Clara Quandt (1841–1919), deutsche Schriftstellerin, leitete ab 1869 in Neustadt eine private höhere Lehranstalt für Mädchen
Paul Gottlieb Nipkow (1860–1940), deutscher Techniker und Erfinder, besuchte von 1880 bis 1882 das Königliche Gymnasium in Neustadt und begann hier mit praktischen Experimenten der Telefonie
Ottomar Schreiber (1889–1955), deutscher Politiker und Landespräsident des Memellandes, wuchs in Neustadt auf
Edmund Roszczynialski (1888–1939), polnischer Priester, Chronist und Gründer der Untergrundorganisation Polska Żyje („Polen lebt“)
Die Landgemeinde Wejherowo, zu der die Stadt selbst nicht gehört, umfasst eine Fläche von 194,08 km² und hat 27.177 Einwohner (Stand 31. Dezember 2020).
Ein zwölf Meter hohes Denkmal am nördlichen Gemeinderand in der Nähe von Wielka Piaśnica an der Hauptstraße zwischen Wejherowo und Krokowa erinnert an die Massaker von Piaśnica ab September 1939.
Franz Schultz: Geschichte der Kreise Neustadt und Putzig, 1907.
Edmund Roszczynialski; Georg Engler; August Ziemens: Die Kalvarie von Wejherowo : Ihre Stifter, Seelsorger und Feste. Mit 36 Abbildungen. Wejherowo : Gazeta Kaszubska, 1928
Neustadt in Westpreußen, in: Meyers Gazetteer (mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, und alter Landkarte der Umgebung von Neustadt).
Schloss Neustadt in Westpreußen, in: Meyers Gazetteer (mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, und alter Landkarte der Umgebung des Schlossbezirks).
↑ abNeustadt in Westpreußen, in: Meyers Gazetteer (mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, und alter Landkarte der Umgebung von Neustadt).
↑ abHans Prutz: Geschichte des Kreises Neustadt in Westpreußen. Danzig 1872, S. 197–204.
↑Hans Prutz: Geschichte des Kreises Neustadt in Westpreußen. Danzig 1872, S. 104.
↑G. R. Jaquet: Skizzen aus Ost- und Westpreußen. In: Erheiterungen. Eine Hausbibliothek zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Band 36, Stuttgart 1864, S. 332–337, insbesondere S. 336–337.
↑Hans Prutz: Geschichte des Kreises Neustadt in Westpreußen. Danzig 1872, S. 151–154.
↑Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preußen. Teil I, Königsberg/Leipzig 1785, Volständige Topographie vom West-Preußischen Cammer-Departement, S. 149.
↑ abcdeAlexander August Mützell und Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preussischen Staats. Band 5: T–Z, Halle 1823, S. 346–347, Ziffer 482.
↑L. Wiese: Das höhere Schulwesen in Preußen. Historisch-statistische Darstellung. Berlin 1864, S. 70–71
↑Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 14, Leipzig und Wien 1908, S. 578–580, Ziffer 21.
↑Hans Prutz: Geschichte des Kreises Neustadt in Westpreussen, Danzig 1872, S. 171.
↑August Eduard Preuß: Preußische Landes- und Volkskunde. Königsberg 1835, S. 411–412, Nr. 27.
↑Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit (H. A. Pierer, ed.), 2nd edition, Vol. 19, Altenburg 1845, S. 407, Nr. 14.
↑Kraatz (Hrsg.): Topographisch-statistisches Handbuch des Preußischen Staats. Decker, Berlin 1856, S. 423 (Google Books).
↑ ab Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Berlin 1874, S. 388–389, Ziffer 1.
↑ abcMichael Rademacher: Provinz Westpreußen, Kreis Neustadt. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 14. Auflage, Band 12, Berlin und Wien 1894, S. 289, Nr. 32
↑ abcHandbuch der historischen Stätten, Ost und Westpreußen, Kröner, Stuttgart 1981, ISBN 3-520-31701-X, S. 157.
↑Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 14, Leipzig/Wien 1908, S. 578–580, Ziffer 21.
↑ Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Heft 2: Provinz Westpreußen, Regierungsbezirk Danzig. Berlin 1912, S. 36–37, Ziffer 1