Die vorwissenschaftliche Arbeit (VWA, bisweilen auch VwA) ist die erste Säule der Matura in Österreich. Sie besteht aus einer auf vorwissenschaftlichem Niveau zu erstellenden schriftlichen Arbeit über ein Thema einschließlich deren Präsentation und Diskussion[1] und ist damit in gewisser Weise der Nachfolger der Fachbereichsarbeit, anders als diese war die VWA aber für alle Schüler einer allgemeinbildenden höheren Schule (AHS) ursprünglich verpflichtend, seit dem Schuljahr 2024/25 ist sie optional. An einer berufsbildenden höheren Schule (BHS) wird die abschließende Arbeit Diplomarbeit genannt.
Eine Lehrperson hat grundsätzlich bis zu drei, höchstens jedoch fünf Arbeiten pro Reifeprüfungsjahrgang zu betreuen. Sie muss dafür eine entsprechende berufliche oder außerberufliche (informelle) Sach- und Fachkompetenz besitzen.[2]
Die Schüler müssen ein Thema, das keinem bestimmten Unterrichtsfach zugeordnet sein muss, in der vorletzten Schulstufe formulieren und gemeinsam mit dem im Zuge der Themenfindung vereinbarten Erwartungshorizont[3] (exaktes Thema, persönlicher Impuls, erste Basisliteratur, ungefähre Gliederung) dem Schulleiter bis Ende März zur Zustimmung vorlegen. Die Schulleitung hat dann bis Ende April der vorletzten Schulstufe ihre Zustimmung zu erteilen oder unter gleichzeitiger Setzung einer Nachfrist die Vorlage eines neuen Themas zu verlangen.[4] Mit der Genehmigung verfügen die Schüler über ein Thema, das auch für den Fall einer Wiederholung der 7. Klasse erhalten bleibt.
Die Abgabe der vorwissenschaftlichen Arbeit muss am Ende der ersten Woche des zweiten Semester der letzten Schulstufe sowohl in digitaler Form (Upload via Internet in die sogenannte VWA-Genehmigungsdatenbank) als auch zweifach in gedruckter Form erfolgen.[5]
Sofort nach der Abgabe wird die Arbeit mit einer Plagiatssuchsoftware untersucht. Der betreuende Lehrer erhält einige Tage später das Ergebnis der Untersuchung.
Etwa ein bis zwei Monate nach dem Einreichen der Arbeit muss der Schüler seine vorwissenschaftliche Arbeit vor der Reifeprüfungskommission präsentieren. Hierbei geht der Prüfungskandidat auf wichtige Eckpunkte der Arbeit ein und beweist somit seine Präsentationskompetenz. Nach der kurzen Präsentation folgt eine Diskussion, wo der Schüler sowohl inhaltliche als auch methodische Fragen beantwortet. Die Gesamtdauer von Präsentation und Diskussion beträgt dabei zehn bis 15 Minuten.[6] Die Benotung der Arbeit erfolgt im Anschluss durch die Prüfungskommission.[7]
Die vorwissenschaftliche Arbeit muss im Format DIN A4 (einseitig beschrieben) verfasst werden und einen Umfang von „höchstens zirka 60.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen, Quellenbelegen im Text und Fußnoten), ausgenommen Vorwort, Inhalts-, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis“[11] aufweisen. Sollte eine Arbeit aus bestimmten Gründen mehr als 60.000 Zeichen beinhalten, so müssen diese Gründe im Begleitprotokoll angeführt werden.
Problematisch ist die Bewertung des Umfangs bei Arbeiten, die einen hohen experimentellen Charakter haben (Chemie, Physik), oder deren Arbeitsschwerpunkt im Konstruieren (Darstellende Geometrie) liegen.[12] Nachdem die vormalige Untergrenze von 40.000 Zeichen aber bereits 2016 ersatzlos gestrichen wurde,[13] ergeben sich hier in der Praxis keine Probleme.[14] Prinzipiell ist im Einvernehmen mit dem Betreuer die Einbeziehung praktischer oder grafischer Arbeiten ebenso zulässig wie die Abfassung in einer lebenden Fremdsprache.
Fragestellung und Abstract
Bis 2016 sah die Prüfungsordnung auch verpflichtend eine sogenannte „Forschungsfrage“ (so die Terminologie in einigen älteren Dokumenten des Ministeriums) bzw. wissenschaftliche „Fragestellung“ vor. Sie war in § 8 Abs. 5 aF der Reifeprüfungsverordnung als verpflichtender Inhalt des Abstracts ausdrücklich erwähnt. Mit der Verordnung BGBl. II Nr. 107/2016 wurde sie gestrichen, so dass im Abstract nunmehr nur noch das Thema, die Problemformulierung und die wesentlichen Ergebnisse in zirka 1000 bis 1500 Zeichen (inklusive Leerzeichen) schlüssig darzulegen sind. Der Abstract ist in deutscher oder englischer Sprache abzufassen.
Kritik
Kritiker des Entwurfs bemängeln einerseits die Bezeichnung als „vorwissenschaftlich“, da dieser Begriff in der Wissenschaftsgeschichte eine ganz andere Bedeutung hat und eben eine Vorgangsweise bezeichnet, die mit einem kognitiven Ansatz nichts zu tun hat, sondern eher einem mythisch-religiösen Denken verbunden ist;[15] andererseits wird vor dem „Copy-and-Paste“-Syndrom gewarnt, also davor, dass diese Art der Aufgabenstellung viele Schüler dazu verleiten könnte, ihre Arbeit nicht selbstständig zu verfassen.[16]
Außerdem ist es im Februar 2015 beim verpflichtenden Hochladen der vorwissenschaftlichen Arbeit auf der dafür vorgesehenen Internetseite zu gravierenden Problemen aufgrund von Überlastung des Servers gekommen.[17]
Weiters kam es zu diversen Fehlern bei der Einreichung der Themen für den Jahrgang 2015/16, wobei beispielsweise bei der erneuten Einreichung einer zurückgewiesenen Themenerstellung dem Betreuer und den folgenden Instanzen wieder die veraltete, bereits zurückgewiesene Version anstatt der vom Schüler überarbeiteten angezeigt wurde, und Schüler bekamen keine Benachrichtigung, wenn ihre Themenerstellung abgelehnt wurde.
Gernot Schreyer, Präsident des Bundeselternverbandes,[18] nimmt an, dass ein Drittel aller vorwissenschaftlichen Arbeiten von Dritten, insbesondere von Eltern verfasst wurde. Diese Annahme beruht auf Umfragen von Elternvereinen aus dem Jahr 2016. Natürlich ist es oft schwer, Schülern nicht eigenständiges Verfassen der Arbeit zweifelsfrei nachzuweisen.[19]
Darüber hinausgehend lassen Aussagen von Ghostwritern darauf schließen, dass die Angst vor einem Knick in der Schulkarriere des Kindes manche Eltern dazu verleitet, die Arbeit gegen Entgelt gänzlich an Fremde zu delegieren, was zu einer Diskussion um Chancengleichheit führt. Als Einflussfaktoren für eine solche Entscheidung werden auch Schwierigkeiten in der Lehrer-Schüler-Interaktion und der Wegfall der verpflichtenden mündlichen Präsentation in Zeiten der COVID-19-Pandemie genannt.[20]
Siehe auch
Facharbeit, eine wissenschaftspropädeutische Arbeit zur Leistungskontrolle an deutschen Schulen, die Regelungen sind in den jeweiligen Bundesländern sehr verschieden gestaltet
Maturitätsarbeit, obligatorischer Bestandteil der Schweizer Matura