Den Vorschlag für eine Neuauflage des Élysée-Vertrags von 1963 unterbreitete Emmanuel Macron erstmals am 26. September 2017 in seiner Rede an der Sorbonne.[1] Aus diesem Anlass sprachen sich sowohl erneut Macron als auch Angela Merkel dafür aus, die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Technologie zu vertiefen.[2]
Für die Unterzeichnung des neuen Vertrages durch Staatspräsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel am 22. Januar 2019, dem 56. Jahrestag des Élysée-Vertrags, wurde der Krönungssaal des historischen Aachener Rathauses gewählt, da Aachen als Hauptresidenz Karls des Großen die gemeinsame Geschichte repräsentiert.[3]
Der Vertrag von Aachen besteht aus insgesamt 28 Artikeln. Die sechs Hauptabschnitte des Vertrags sind überschrieben: 1. Europäische Angelegenheiten, 2. Frieden, Sicherheit und Entwicklung, 3. Kultur, Bildung, Forschung und Mobilität, 4. Regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit, 5.
Nachhaltige Entwicklung, Klima, Umwelt und wirtschaftliche Angelegenheiten, 6. Organisation.
Ziel ist außerdem, die Verbindungen zwischen der deutschen und der französischen Zivilgesellschaft zu stärken: „Beide Staaten richten einen gemeinsamen Bürgerfonds ein, der Bürgerinitiativen und Städtepartnerschaften fördern und unterstützen soll, um ihre beiden Völker einander noch näher zu bringen.“[8] Aus diesem Artikel ging im April 2020 der Deutsch-Französische Bürgerfonds hervor.
Außerdem intensiviere man die Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik beider Staaten inklusive der gegenseitigen Hilfe in Krisenlagen.[9]
Weitere Punkte sind die Schaffung einer deutsch-französischen digitalen Plattform für audiovisuelle Inhalte und Informationsangebote sowie die Verbesserung grenzüberschreitender Bahnverbindungen (Artikel 16).[10]
Kritik
Der Vertrag von Aachen löste auch Kritik aus und erregte teilweise populistisch ausgeschlachtete Phantasien. Der ehemalige Präsident von Tschechien Václav Klaus bezeichnete den Vertrag als „Geheimvertrag über den faktischen Zusammenschluss Frankreichs und Deutschlands“, der das Ziel verfolge, als „Frankodeutschland“ Europa zu beherrschen; er stellte dies in die Tradition der Politik von Hitler und Napoleon. Weiterhin befürchtete er, dass ein neuer „Superstaat“ in einem „parallelen Integrationsprojekt“ zur EU entstehe.[11]
In Frankreich behauptete Marine Le Pen, Vorsitzende des rechtsextremen Rassemblement National, der Vertrag stelle einen Verrat bezüglich französischer Interessen dar. So sehe der neue Kooperationsvertrag etwa die Stärkung sogenannter Eurodistrikte im Grenzbereich von Frankreich vor. Dies komme einer Bevormundung des Elsass gleich.[12] Ähnliche Äußerungen gab auch der national-populistische Politiker Nicolas Dupont-Aignan ab, der die angebliche geheime Verhandlung beklagte und behauptete, der Vertrag führe zu einer Teilung des französischen UN-Sicherheitsratsitzes.[13]
Der Vorsitzende der Linkspartei La France insoumise, Jean-Luc Mélenchon, kritisierte, mit dem geplanten Wirtschaftsrat ebne Macron den Weg für weitere Streichungen bei Sozialleistungen und Löhnen. Außerdem werde eine „Jagd auf Arbeitslose“ vorgenommen.[14]
In Deutschland ging der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, indes von einer Zusammenarbeit auf Sparflamme aus.[15]
Die abrüstungspolitische Sprecherin Sevim Dağdelen der Fraktion Die Linken sieht den Vertrag als einen Generalangriff auf die Rüstungsexportrichtlinien und sprach sich insbesondere gegen den Export von Kriegstechnologie nach Saudi-Arabien aus, der ihrer Meinung nach durch den Vertrag möglich gemacht werde. Außerdem kritisierte sie, dass über diese Folgen kaum in den Medien berichtet wird.[16]