Venus and Adonis wurde am 18. April 1593 ins Stationers’ Register der Gilde der Drucker, Verleger und Buchhändler ohne Autornamen eingetragen und erschien im Herbst desselben Jahres in einer Quartoausgabe, die von Richard Field, einem aus Stratford-upon-Avon stammenden Verleger, gedruckt und veröffentlicht wurde. Field brachte 1594 eine zweite Quarto heraus, übertrug seine Rechte dann aber an John Harrison, der im gleichen Jahr die erste Ausgabe von The Rape of Lucrece verlegte.
Bis 1640 sind sechzehn weitere Editionen verschiedener Herausgeber von Venus and Adonis belegt, weshalb man annehmen kann, dass das Epos einer der großen Erfolge seiner Zeit war.
Geschichtlicher Hintergrund
Venus und Adonis gilt heute als erstes gedrucktes Werk unter dem Namen Shakespeare („the first heire of my invention“). Das Gedicht widmete Shakespeare Henry Wriothesley, dem Grafen von Southampton. Es wurde im April 1593 anonym im „Stationers’ Register“ zum Druck eingereicht und erschien erstmals im September 1593. Der Name Shakespeare erscheint nur am Ende der Widmung.
Ein Jahr später erschien Shakespeares zweites Versepos The Rape of Lucrece, das am Ende des Werkes ebenfalls Henry Wriothesley, dem Earl of Southampton, zugeeignet ist.
Quelle und literarischer Hintergrund
Das Werk beruht auf der Erzählung von Venus und Adonis im 10. Buch von OvidsMetamorphosen, wo – anders als bei Shakespeare – Adonis Venus’ Liebe erwidert. Ovid erzählt, wie Venus den schönen Adonis zu ihrem ersten sterblichen Geliebten macht. Beide waren lange Zeit gemeinsam auf der Jagd, bis Venus versucht, Adonis davon abzubringen, gefährliche Tiere zu jagen. Dieser schlägt jedoch ihre Warnung in den Wind und wird schließlich von einem Eber getötet.
Shakespeare gestaltete aus dieser Erzählung ein Epos mit 1194 Zeilen. Seine grundlegende Neuerung war, dass er Adonis Venus’ Angebot, sich ihm hinzugeben, zurückweisen lässt.
Handlung
Venus hat sich in den schönen Adonis verliebt.
Sie ist krank vor Liebe, hebt ihren Geliebten aus dem Sattel seines Pferdes, überhäuft ihn mit Küssen und schönen Worten. Doch nichts, was sie tut oder sagt, kann sein sexuelles Verlangen wecken – was er jedoch leugnet. Adonis kündigt an, dass er am nächsten Morgen auf die Jagd nach einem Eber gehen werde.
Venus versucht, ihn davon abzubringen und ihn zu überzeugen, stattdessen zahmere Tiere zu jagen. Doch er ignoriert ihr Bitten und stürzt davon. Sie verbringt den Rest der Nacht mit Wehklagen, und in der Morgendämmerung hört sie das Aufbrechen zur Jagd und die bellenden Hunde. Voller Sorge eilt sie herbei, in dem Wissen, dass der Lärm von jenem Ort herrührt, an dem die Jäger ein Tier gestellt haben, welches keine Anstalten macht zu fliehen.
Sie findet Adonis’ Körper vor, der von den Hauern des Ebers tödlich durchbohrt worden ist. In ihrem Grauen und Leid spricht die Göttin der Liebe einen Fluch über jene aus: Dass die Liebe immer schrecklich enden werde, und dass jene, die wie sie am heftigsten lieben, das größte Leid erfahren müssen. Adonis’ Körper schmilzt dahin, an seiner Stelle wächst eine rot-weiße Blume, die Venus pflückt.
Gattungszugehörigkeit
Shakespeares Gedicht wird als Epyllion bezeichnet, als kleines Epos über die sexuelle Liebe. Thomas Lodge hat das Genre mit seinem Glaucus and Scilla (1589) eingeführt.[1]
Englische Textausgaben
Colin Burrow (Hrsg.): William Shakespeare. The Complete Sonnets and Poems. Oxford World Classics, Oxford University Press, Oxford/ New York 2002, ISBN 0-19-818431-X.
Catherine Duncan-Jones, H. R. Woudhuysen (Hrsg.): The Narrative and Other Poems. The Arden Shakespeare, London 2007.
Deutsche Textausgaben
William Shakespeare: „Venus und Adonis“ und „Tarquin und Lukrezia“ in der Übersetzung von Heinrich Christoph Albrecht (1783). (= Studien zur englischen Literatur. 22). Hg. & Einl. Christa Jansohn. 2007, ISBN 978-3-8258-0685-9.[2]
Zweisprachig: William Shakespeare: „Venus und Adonis“ & „Die Schändung der Luretia“. Deutsch von Frank Günther. ars vivendi verlag, Cadolzburg 2019, ISBN 978-3-89716-194-8.
↑William J. Kennedy: Shakespeare and the Development of English Poetry. In: Patrick Cheney (Hrsg.): The Cambridge Companion to Shakespeare's Poetry. Cambridge University Press, Cambridge 2007, S. 16f.; Heather Dubrow: Captive Victors. Shakespeare's Narrative Poems and Sonnets. Cornell Univ. Press, Ithaca 1987.