Der VW Scirocco I ist ein auf der Plattform des VW Golf I gebautes Sportcoupé. Er löste im Februar 1974 den Karmann-Ghia ab. Der Scirocco kam noch vor dem Golf auf den Markt. Gemeinsam mit Golf, Passat und Polo führte der Scirocco VW im Rahmen der Modelloffensive mit wassergekühlten Frontantriebsmodellen aus der bedrohlichen Absatzkrise.
Im April 1981 wurde er durch den Scirocco II abgelöst.
Ende der 1960er Jahre wurde im Volkswagenwerk ein Nachfolger für das seit 1955 produzierte Karmann-Ghia-Coupé ins Auge gefasst. Im Herbst 1971 beschloss die VW-Produktplanung, auf Basis des Entwicklungsauftrags EA 337 – des ersten Golf – ein preislich attraktives Coupé auf dem Markt zu positionieren. Unter dem Kürzel EA 398 erhielt Karmann in Osnabrück den Auftrag zur Entwicklung des späteren Scirocco. Die Karosserieform wurde von Giorgio Giugiaro entworfen.
Dieser kam im Frühjahr 1974 auf den Markt. Drei Motoren, vier Ausstattungsvarianten und zehn Außenfarben standen zur Wahl: Motoren mit 1100 cm³ und 37 kW (50 PS) sowie 1500 cm³ und 51 oder 63 kW (70 oder 85 PS) Hubraum und den Ausstattungsvarianten N (Grundmodell), L, S und TS, die ab August 1976 GT hieß, aber gleich ausgestattet war.
Bis August 1975 waren alle Scirocco mit zwei vorderen Wischern ausgestattet; danach hatten die Wagen nur noch den großen Einarmwischer.
Im Juni 1976 wurde das Angebot mit dem Scirocco GTI um einen auf 1600 cm³ vergrößerten Motor mit einer mechanischen K-Jetronic-Benzineinspritzung von Bosch erweitert. Wegen der höheren Leistung von 81 kW (110 PS) mussten Wasserkühler, Federung und Stoßdämpfer modifiziert werden, und es waren zusätzliche Stabilisatoren, ein Ölkühler, innenbelüftete Scheibenbremsen vorn, breitere Felgen und Reifen mit höherem Geschwindigkeitsindex erforderlich. Dieser K-Jetronic-Einspritzmotor wurde (ohne separaten Ölkühler) zuerst 1975 im Audi 80 GTE verwendet.
Nach den Werksferien folgte im August 1976 der komfortabler ausgestattete Scirocco GLi, während der VW Golf GTI mit dem gleichen Motor aufgrund von Lieferengpässen bei der K-Jetronic erst ab dem Frühjahr 1977 in ausreichender Stückzahl ausgeliefert werden konnte.
VW Scirocco (1974–1977)
VW Scirocco (1974–1977)
VW Scirocco TS (1974–1977)
VW Scirocco GLi (1976–1977)
VW Scirocco GLi (1976–1977)
VW Scirocco, US-Version (1977–1981)
VW Scirocco (Oettinger), 1975
VW Scirocco im historischen Rennsport (USA)
Modellpflege
Im August 1977 wurden für das Modelljahr 1978 sowohl das Fahrwerk als auch das Erscheinungsbild überarbeitet. Die nun aus schwarzem Kunststoff bestehenden Stoßfänger waren um die Ecken herumgezogen, die vergrößerten vorderen Blinker waren von der Seite besser zu erkennen, die B-Säulen waren schwarz eingefärbt und der Kühlergrill erhielt einen Zierrahmen. Die Aufhängungen der Federbeine wurden verstärkt sowie Lenkung und Motorlagerung verbessert. Die Motorpalette umfasste nun den 37-kW-, den 51-kW- und den 81-kW-Motor. Nachfolgend wurde eine regelmäßige Modellpflege betrieben, sowohl bei der Innenausstattung als auch auf der technischen Ebene (Motoren mit 1,3/1,6 Litern Hubraum, Fünfganggetriebe bzw. 4+E, Elektronische Zündanlagen).
Im Herbst 1980 folgten die Sondermodelle CL und SL. Von Februar 1974 bis März 1981 liefen bei Karmann in Osnabrück insgesamt 504.153 Exemplare des ersten Scirocco vom Band. Die Produktion endete mit der laufenden Fahrgestellnummer 27500 des Modelljahres 1981.
Im April 1981 wurde dann noch ein einziges Fahrzeug für das Museum hergestellt, welches bereits das neue schwarze Typenschild erhielt und die laufende Nummer 27501 trägt. Intern wurde dieses Fahrzeug mit Nummer 50000 geführt und die Produktion damit endgültig abgeschlossen.[1]
VW Scirocco (1977–1981)
VW Scirocco (1977–1981) Rechtslenker
VW Scirocco, US-Version (1977–1981)
VW Scirocco, US-Version (1977–1981)
Absatzentwicklung
Nach einer Pressevorstellung in Wolfsburg wurde der VW Scirocco im März 1974 auf dem Genfer Auto-Salon ausgestellt. Ab Mitte April 1974 erschienen vier verschiedene Anzeigenmotive unter dem Slogan „Scirocco. Ein Sportcoupé in Bestform“ in der Presse. Damit war er dem VW Golf I um zwei Monate voraus, da dieser erst im Juni 1974 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Im ersten Verkaufsjahr konnten 24.555 Sciroccos abgesetzt werden, gefolgt von 58.942 im Jahr 1975 – 6.000 mehr als geplant. 1977 und 1978 fanden pro Jahr über 87.000 Wagen einen Käufer; eine Zahl, die später nicht wieder erreicht wurde.
In Großbritannien, wo der Scirocco infolge hoher Verkaufspreise in den 1970er-Jahren eher selten zu finden war, erhielt er die Bezeichnung Scirocco MkI (Mark One). Das Sondermodell „Storm“ war vergleichbar mit dem GTI-Modell „limited edition“ mit Lederausstattung und ist heute dort ein begehrtes Sammlerstück.
Varianten und Sondermodelle
Scirocco I (1974 bis 1981)
Scirocco (N) – Grundmodell mit 1,1/1,3-Liter-Motor
Scirocco L/GL (bessere Ausstattungen)
Scirocco S/LS (beide mit 70/75-PS-Motor)
Scirocco TS (85 PS, nur bis Juli 1976)
Scirocco GT (ab August 1976)
Scirocco GLi/GTi (110-PS-Motor)
Scirocco CL (Sondermodell)
Scirocco SL (Sondermodell)
Scirocco Turbo (Versuchsträger; s. u.)
Die Buchstaben „L“, „T“, „GL“ und „GT“ beziehen sich auf die Ausstattung, „S“ und „i“ auf die Motorleistung, wobei das „i“ den 81-kW-/110-PS-Motor mit K-Jetronic-Benzineinspritzung kennzeichnet.
Die L-Ausstattung beinhaltete unter anderem: Silberfarbener Instrumenteneinsatz (statt schwarz), regelbare Instrumentenbeleuchtung, Tageskilometerzähler, Zigarrenanzünder, Make-up-Spiegel in der Beifahrersonnenblende, Beleuchtung von Ascher und Heizungshebel, umschäumtes Lenkrad, Scheibenwischer-Intervallschaltung, Ablagen auf dem Mitteltunnel und der Beifahrerseite, Teppichboden, Gepäckraumleuchte, abschließbarer Tankdeckel.
Die GL/GLi- und GT/GTi-Modelle waren äußerlich an den Zierleisten auf der Gürtellinie, dem vorderen Spoiler und den Halogen-H1-Doppelscheinwerfern sowie dem Typenschild an der Heckklappe zu erkennen (Grund- und L-Modell hatten Breitbandscheinwerfer – serienmäßig ohne H4-Halogenlicht). Ferner Doppeltonhorn, Sportlenkrad, Drehzahlmesser, Mittelkonsole mit Uhr und Öltemperaturanzeige. GL/GLi waren serienmäßig mit getönten Scheiben, Teppicheinlagen in den Türverkleidungen und höhenverstellbaren Vordersitzen mit integrierter oder separater Kopfstütze und mit besonderen Sitzbezügen in „Genuacord“ oder in Kunstleder ausgestattet. GT/GTi hatten Vordersitze mit separater Kopfstütze in den Sitzbezügen „Schottenkaro“- oder in einfachem Kunstleder.
1978 hatte Volkswagen eine Sonderserie des Coupés mit Turbolader für den Export nach Übersee geplant.[2] Dessen Motor trug die Kennung EL und leistete 90 kW. Die ersten Prototypen des Scirocco-Sondermodells wurden 1979 bei Karmann (Osnabrück) gefertigt, jedoch gab es gravierende technische Probleme bei ersten Testläufen und der Wagen ging nie in Serienproduktion, die ursprünglich auf eine Stückzahl von 2.000 festgelegt worden war. Ein Modell der Testserie wurde jedoch nicht verschrottet und befindet sich heute in Privatbesitz.[3]
Aufgeführt ist der Bestand an VW Scirocco I nach Hersteller- (HSN) und Typschlüsselnummern (TSN) in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt. Typen mit weniger als 100 Fahrzeugen werden nicht ausgewiesen. Bis 2007 beinhaltete der Bestand neben der Anzahl der angemeldeten Fahrzeuge auch die Anzahl der vorübergehenden Stilllegungen. Seit 2008 enthält der Bestand lediglich den „fließenden Verkehr“ einschließlich der Saisonkennzeichen.
In einer Kleinauflage von 52 Stück bot Artz den Scirocco I auch als Kombi (Sciwago) an. Ansonsten gibt es viele Umbauten vom T-Dach und Flügeltürer bis zum Pick-up auf Basis von beiden Scirocco-Generationen.
Bereits vor dem Produktionsstart des ersten VW-Golf-Cabriolets im Jahr 1979 gab es einige Cabriolet-Varianten des Scirocco I. Diese wurden in Kleinserie produziert, wie zum Beispiel der Tempest von Wolfe Garage (Westerham, UK) oder der Artz Speedster vom Autohaus Nordstadt in Hannover. Ein Markterfolg blieb diesen Exoten angesichts des Golf Cabrio (wegen seines Überrollbügels „Erdbeerkörbchen“ genannt) aber verwehrt.
Im Zuge des beginnenden Tuningbooms Ende der 1980er-Jahre wurde die Idee eines Scirocco-Cabriolets erneut aufgegriffen. Im Editorial der Ausgabe 04/1989 der Scirocco Zeitung wird auf die Cabrio-Umbauten der Firma Zander Exclusiv Tuning in Darmstadt sowie der Firma Luley hingewiesen. In der Ausgabe 02/1994 wurde der Cabrio-Umbau der Firma Koch Tuning aus Philippsburg vorgestellt. Die meisten Scirocco-I-Cabriolets dürften aber in Eigenregie auf Basis einer der Umbausätze der Firmen Cabrio-Design Ostermann-Germer aus Overath oder Bieber Cabrio aus Borken entstanden sein. Dementsprechend gibt es auch weder zuverlässige Daten über die Anzahl der jemals gebauten Scirocco-Cabriolets, noch darüber, wie viele bis heute erhalten geblieben sind.
Literatur
Claudia Böhler: Aufregend vernünftig. Der Volkswagen Scirocco 1974–1992. aus der Reihe: Modellgeschichten – Schriftenreihe der Historischen Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft, Wolfsburg 2008, ISBN 978-3-935112-33-8, online als PDF auf volkswagenag.com (3,89 MB)
Fuths, Peitzmeier: Scirocco – Comeback einer Legende. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-7688-2543-6
Dieter Korp, Thomas Haeberle: Jetzt helfe ich mir selbst. Band 104: VW Golf bis Oktober '83, VW Jetta bis Januar '84, VW Scirocco bis April '81, alle Modelle ohne Einspritzer und Diesel, Motorbuch Verlag, Stuttgart, ISBN 3-613-01196-2
Dieter Korp, Thomas Haeberle: Jetzt helfe ich mir selbst. Band 100: VW Golf GTI bis Oktober '83, VW Scirocco GTI/GLI bis April '81, Motorbuch Verlag, Stuttgart, ISBN 3-87943-903-6
Ian Coomber: VW owners workshop manual. Haynes, Yeovil 1987, ISBN 1-85010-224-4
James Ruppert: VW Golf. With Scirocco, Corrado and Karmann Convertible Derivatives. Crowood, Marlborough/Wiltshire 1996, ISBN 1-85223-996-4
R. Clarke (Hrsg.): VW Scirocco 1974–81. Brooklands, 1982, ISBN 0-907073-57-3 (Brooklands Road Tests)
John Blunsden: VW Golf and Derivatives Including Convertible, Jetta, Scirocco & Corrado. A Collectors Guide. Motor Racing, Croydon 1992, ISBN 0-947981-63-2
↑Claudia Böhler: Scirocco. Aufregend vernünftig. Der Volkswagen Scirocco 1974–1992. Modellgeschichten, Schriftenreihe der Historischen Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft, 2008, ISBN 978-3-935112-33-8.