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Häufig wird urban farming synonym mit urban gardening verwendet, ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch in der Größenordnung: während urbaner Gartenbau von Teilgruppen der Gesamtbevölkerung zum Zwecke der Selbstversorgung betrieben wird, hat urbane Landwirtschaft das Ziel – auch auf kommerzieller Basis – Produkte für die Gesamtbevölkerung zu liefern.[8] Zudem schließt, wie eingangs erwähnt, urbane Landwirtschaft auch wenigstens theoretisch die Zucht von (Klein)vieh in städtischem Gebiet explizit mit ein.
Motivation
Bei prognostizierten 9,5 Milliarden Erdbewohnern im Jahre 2050 und einem Existenz-Minimum von 6.280 kJ (= 1.500 kcal) pro Tag, müsste die herkömmliche landwirtschaftliche Fläche zusätzlich um 850 Millionen Hektar wachsen. Diese Fläche steht nicht zur Verfügung. Alternative Flächen und Räume müssen zum Zwecke der Ernährungssicherung in Betracht gezogen werden.[9]
Funktionen
Urbane Landwirtschaft erlebt in den letzten Jahren wieder erwachendes Interesse aufgrund folgender Aspekte:
Städtische Pflanzenzucht im großen Maßstab kann helfen, transport- und energieintensive Stoffkreisläufe lokaler und ökonomischer zu gestalten, z. B. durch die direkte Verwendung von (vorgereinigtem) Abwasser zu Bewässerungs- oder Düngezwecken.
Durch die Dezentralisierung der Nahrungsmittelproduktion, und damit der Extensivierung, erhöht sich die Lebensmittelsicherheit – wobei natürlich auch das Risiko der Schadstoffbelastung bei städtischen Produkten potenziell höher ist als bei Produkten, die auf gesundem Mutterboden auf dem Land gezogen werden.
Das steigende Interesse an lokaler Nahrungsmittelproduktion geht Hand in Hand mit sozialen Bewegungen, die sich um das Wissen, Aufwerten oder Erhalten lokaler Spezialitäten gruppieren (z. B. Slow Food).
Es steigt der Bedarf an Nahrungsmitteln, die umweltverträglich und sozial gerecht produziert werden, was häufig durch Eigenproduktion oder lokalen Erwerb zu erreichen versucht wird.[11]
Ziel kann eine (Teil-)Autarkie der bebauten Gebiete wie im kleinen Maßstab schon jahrhundertelang bei Klostergärten oder Selbstversorgergärten betrieben sein.
Neben der (Teil-)Versorgung mit lokal angebauten Produkten hat das Gärtnern in der Stadt noch weitere Effekte: Verbesserung des städtischen Mikroklimas, Beitrag zur Artenvielfalt, nachhaltigeStadtentwicklung sowie Bildung und Sensibilisierung für nachhaltige Lebensstile. Gemeinschaftliches Gärtnern fördert Begegnung und Engagement für den Stadtteil. Urban farming ist ein moderner Aspekt der alten Idee der Subsistenzwirtschaft.
Formen
Kaum ein Stadtbild kommt ohne Pflanzen aus, diese dienen allerdings bisher in den meisten Fällen nichtproduktiven Zwecken. Während in den weit verbreiteten botanischen Gärten Pflanzenvielfalt in Einzelbeispielen zu Bildungszwecken dargestellt wird, dienen Stadtparks vor allem der Naherholung. Zwar dienen diese beiden Formen nicht der Nahrungsmittelproduktion, unterstützen aber bereits – quasi im Nebeneffekt – die städtische Lebensqualität durch ihre Sauerstoffproduktion, die gleichzeitige Verringerung des CO2 – Anteils durch Photosynthese, die Anfeuchtung der Atemluft durch Verdunstung, die Staubfilterung, die Lärmschutzwirkung durch Schalldämmung, die günstige Beeinflussung des Mikroklimas etc. All diese vorteilhaften Funktionen werden natürlich auch von Nutzpflanzen geleistet.
Traditionelle Vorformen des Urban Farming finden sich bereits mit den beliebten Kleingärten (Schrebergärten). Nicht auf Städte beschränkt, wiewohl dort populärer als in individualisierten ländlichen Regionen ist die Idee des Gemeinschaftsgartens (Community Garden) zur gemeinsamen Bewirtschaftung. Eine spezielle Form des Gemeinschaftsgartens im Sinne von Integration und Inklusion sind Interkulturelle Gärten.
Technisch gesehen ist die größte Herausforderung für Nutzpflanzenanbau in Städten natürlich die mangelnde Fläche und die fehlende Sonneneinstrahlung zwischen Häuserfluchten, diesem Problem wurde in der Vergangenheit sporadisch bereits durch die Bepflanzung von Balkonen (Balkonpflanzen) oder die Nutzung von Dachflächen als Anlagefläche von Dachgärten begegnet.
Neben diesen Formen der Naturalienproduktion in der Stadt haben sich in den letzten Jahren genuine (Vor-)Formen urbaner Landwirtschaft entwickelt, bei denen auch nicht-private Flächen mit in die Planung einbezogen werden:
In letzter Zeit haben sich kooperative Formen der Landwirtschaft entwickelt, deren Betriebe häufig in räumlicher Nähe zu ihren städtischen Kunden angesiedelt sind.
Frank Lohrberg: Stadtnahe Landwirtschaft in der Stadt- und Freiraumplanung: Ideengeschichte, Kategorisierung von Konzepten und Hinweise für die zukünftige Planung. Dissertation, 208 S., Books on Demand GmbH 2002, ISBN 978-3831131389. Elektronische Fassung.
Frank Lohrberg: Masterplan Agrikultur. In: Stadt + Grün, Heft 09/2011, S. 43–48.
Axel Timpe und Karsten Ley: Istanbul: das kulturelle Erbe der Selbstversorgung. Urbane Landwirtschaft an den Theodosianischen Landmauern. In: Stadt + Grün, Heft 11/2014, S. 11–15.
Frank Lohrberg, Katharina Christenn, Axel Timpe, Ayça Sancar (Hrsg.): Urban Agricultural Heritage. Birkhäuser Verlag. Basel/Berlin/Boston 2023, ISBN 978-3-0356-2251-5.
↑Katharina Finke: Bienenschwärmerei. In: Der Freitag. Band29, 21. Juli 2011, S.27 (Online).
↑Frank Lohrberg: Stadtnahe Landwirtschaft in der Stadt- und Freiraumplanung = Ideengeschichte, Kategorisierung von Konzepten und Hinweise für die künftige Planung Stuttgart, Fakultät Architektur und Stadtplanung, Institut für Landschaftsplanung und Ökologie, 2001, DNB962773948 (Dissertation Universität Stuttgart, 2001, 203 Seiten online 2 PDF-Dateien, kostenfrei, 203 Seiten, 8,94 MB).
↑Frank Lohrberg: Stadtnahe Landwirtschaft in der Stadt- und Freiraumplanung : Ideengeschichte, Kategorisierung von Konzepten und Hinweise für die zukünftige Planung - Dissertation, Frank Lohrberg. 2001 (Online).