Die tibetische Exilregierung (englisch: Central Tibetan Administration [of His Holiness the Dalai Lama], CTA; tibetisch: Tsenjol Bod Mi Zhung gi Drigtsug བཙན་བྱོལ་བོད་གཞུང་།) ist eine Exilregierung, die den Anspruch erhebt, die rechtmäßige Regierung Tibets und der Tibeter zu sein. Sie wurde 1959 nach der Flucht des 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatso, in Indien gegründet. Sie hat heute ihren Sitz in Dharamsala.
Im Falle einer Autonomie dieser Gebiete soll nach Vorstellung der tibetischen Exilregierung eine demokratische Regierungsform mit Gewaltenteilung geschaffen werden, in der die aktuellen Mitglieder der Exilregierung keine besonderen Privilegien erhalten sollen. Die politische Funktion des Dalai Lama soll zunächst von einem Übergangspräsidenten eingenommen werden und später von einem ordnungsmäßig gewählten Bürger Tibets.[4]
Geschichte
Nachdem Tenzin Gyatso im Zuge des Tibetaufstandes nach Indien geflohen war, gründete er am 29. April 1959 in Masuri die Tibetische Exilregierung, deren Oberhaupt er war. Im Mai 1960 verlegte die Organisation ihren Sitz nach Dharamsala.[5] Am 2. September 1960 wurde ein Exilparlament (Versammlung der tibetischen Volksvertreter) gegründet und die tibetische Exilregierung wurde demokratisiert. Die erste tibetische Flüchtlingssiedlung auf indischem Gebiet war die im selben Jahr gegründete Lugsum Samdupling in Bylakuppe. Die erste weibliche Ministerin im Amt war die jüngere Schwester des Dalai Lama, Jetsun Pema. Sie war von 1990 bis 1993 Bildungsministerin.[6]
2001 gab es die erste weltweite Wahl der Tibeter im Exil für die Position des Premierministers (Kalon Tripa), die von Lobsang Tenzin gewonnen wurde.[7] Dieser ist für einen entschieden gewaltfreien Weg des Widerstands gegen die Besetzung Tibets durch das kommunistische China bekannt[8] und setzt sich für eine Demokratisierung der tibetischen Gesellschaft ein.[9] Der 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso betrachtete sich seither politisch als „halb im Ruhestand“.
Am 10. März 2011 kündigte Gyatsho an, bei der nächsten Sitzung des Exilparlaments einen Antrag auf Verfassungsänderung zu stellen, sodass er all seine politischen Agenden abgeben könne.[10] Dass der Dalai Lama diesen Schritt nur zehn Tage vor den Parlamentswahlen bekannt gab, wurde auch als Aufruf zum Urnengang interpretiert.[11]
Am 29. Mai nahm das Exilparlament den Rücktritt Gyatshos an. Seither ist der jeweils amtierende Premierminister gleichzeitig Regierungschef und Staatsoberhaupt.[12] Ende April 2011 wurde der Jurist Lobsang Sangay zum Ministerpräsidenten und damit zum politischen Oberhaupt gewählt.[13] Anfang August 2011 nahm das Kabinett Sangays seine Arbeit auf.
Im Oktober 2020 erklärte Gyatso, er unterstütze die Unabhängigkeit Tibets nicht und hoffe, China als Nobelpreisträger besuchen zu können. Er sagte: "Ich bevorzuge das Konzept einer 'Republik' in der Volksrepublik China. Mit dem Konzept der Republik können ethnische Minderheiten, wie Tibeter, Mongolen, Mandschus und Xinjiang-Uiguren, in Harmonie leben."[14]
Aufgaben
Die tibetische Exilregierung kümmert sich hauptsächlich um die Belange der rund 100.000 Exil-Tibeter in Indien, aber auch um die aller anderen im Exil lebenden Tibeter.[15] Sie unterhält Schulen, ein Gesundheitswesen, organisiert kulturelle Veranstaltungen und das wirtschaftliche Wachstum der tibetischen Exilgemeinschaft Indiens. Durch die Erlaubnis der indischen Regierung hat die tibetische Exilregierung eine eigene Rechtsprechung für die Exil-Tibeter in Nordindien. Die tibetische Exilregierung hat es sich jedoch auch außerhalb des indischen Exils zur Aufgabe gemacht, die tibetische Kultur zu erhalten und tibetischen Flüchtlingen dabei zu helfen, sich eine Existenz aufzubauen. Gleichzeitig will sie die tibetische Gesellschaft demokratisieren.[16]
Am 11. April 2002 wurde im europäischen Parlament über die Möglichkeit einer Anerkennung der tibetischen Exilregierung als rechtmäßige Vertretung des tibetischen Volkes diskutiert.[17]