Thomas Hengelbrock gründete 1991 in Freiburg den Balthasar-Neumann-Chor und 1995 das gleichnamige Orchester (Balthasar-Neumann-Ensemble). Mit beiden Ensembles führt er nach den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis Werke aus der Barockzeit bis hin zur Moderne auf. Verdis Opern Rigoletto und Falstaff beispielsweise ließ er sein Orchester bei den Pfingstfestspielen 2004 und 2007 in Baden-Baden auf historischem Instrumentarium spielen.
Von 1995 bis 1999 wählte ihn die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zum künstlerischen Leiter. 2000 wurde er Musikdirektor der Volksoper Wien und blieb dort bis 2003. Hengelbrock gründete 2001 das „Feldkirch Festival“ und wirkte dort bis 2006 als künstlerischer Leiter.
Seine Konzertdramaturgie ist durch ungewöhnliche Programmkonzeptionen charakterisiert, die neue Erkenntnisse der Musikwissenschaft einbezieht. Er spielte Werke heute kaum mehr bekannter Komponisten aus Johann Sebastian Bachs Notenbibliothek auf CD ein, gestaltet innovative Programme; so konzipierte er beispielsweise für die EXPO 2000 in Hannover eine „Ekklesiastische Aktion“ mit Werken von Bernd Alois Zimmermann, György Ligeti und Johann Sebastian Bach. Hengelbrock arbeitet eng mit zeitgenössischen Komponisten zusammen, darunter Jan Müller-Wieland, Qigang Chen, Erkki-Sven Tüür und Simon Wills.
Mit dem Musiktheater setzte sich Hengelbrock nicht nur als Musiker und Dirigent auseinander, sondern führte bei einigen Produktionen mit seinem Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble auch selbst Regie. So erhielt die 2001 mit diesen aufgenommene CD der Schöpfung von Joseph Haydn 2003 den ECHO Klassik in der Kategorie Chorwerkeinspielung. Beim „Feldkirch Festival“ 2006 inszenierte er Mozarts Don Giovanni und eröffnete die Reihe „Mozart 22“ der Salzburger Festspiele 2006 mit Il re pastore.
Ab der Spielzeit 2011/2012 war Thomas Hengelbrock als Nachfolger Christoph von Dohnányis Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters.[6] Am 11. Januar 2017 dirigierte er den in der Zwischenzeit in NDR Elbphilharmonie Orchester umbenannten Klangkörper bei dem Eröffnungsfestakt und dem Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie.[7] Mitte 2017 teilte Hengelbrock mit, er werde seinen Vertrag als Chefdirigent nicht über 2019 hinaus verlängern.[8] Ende 2017 gab er die vorzeitige Vertragsbeendigung im Sommer 2018 bekannt.[9] Ende Juni 2018 fand sein letztes Konzert als Chefdirigent des NDR-Orchesters statt.[10]
Hengelbrock geht inzwischen verschiedenen Engagements nach.[11] Unter dem Titel „Aufbruch“ dirigierte Thomas Hengelbrock das Abschlusskonzert der Ruhrtriennale 2018. Auf dem Programm standen die Uraufführung von Jan Müller-WielandsOratorium „Maria“ und zeitgenössische kubanische Werke.[12]
Hengelbrock ist mit der Schauspielerin Johanna Wokalek verheiratet. Das Paar hat einen Sohn.
Ehrungen und Auszeichnungen
Am 30. April 2011 verlieh ihm der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg für seine vielfältigen Verdienste um das musikalische Leben in Baden-Württemberg den Landesverdienstorden.
2015 wurde Hengelbrock der Herbert von Karajan Musikpreis 2015–2016 zuerkannt, der ihm am 30. Januar 2016 verliehen wurde. Das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro kommt zweckgebunden der musikalischen Nachwuchsarbeit zugute. In der Begründung des Kuratoriums der Kulturstiftung Festspielhaus Baden-Baden heißt es: „Kaum ein anderer Dirigent stellt öffentlich so deutlich wie Thomas Hengelbrock die Frage: Was ist meine Aufgabe als Musiker heute? Er erweitert damit den Begriff der Musikvermittlung für kommende Generationen entscheidend um den Bereich der Musikvermittlung für junge professionelle Musiker. Der Enthusiasmus und die Entdeckerfreude, mit denen Thomas Hengelbrock dabei vorgeht, sind ansteckend und anregend. Er prägt das Bild eines im besten Sinne des Wortes modernen Dirigenten, der ein Repertoire von Musik aus über vier Jahrhunderten beherrscht und sich – wie auch die Art diese Musik zu spielen – immer wieder in Frage stellt.“[15]
Literatur
Martin Elste: Art. Hengelbrock, (Hans-) Thomas. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik (MGG), 2., neubearb. Aufl., hg. v. Ludwig Finscher, Personenteil 8 (Gri-Hil), Stuttgart u. a. 2002, Sp. 1293.
Stefan Siegert: Thomas Hengelbrock. Ein Herz, ein Kopf, ein Ohr für alles, in: Fono Forum 1999, H. 10, S. 32–35.
Film
Der Dirigent Thomas Hengelbrock. Musik – Ein Fest fürs Leben. Dokumentarfilm, Deutschland, 2011, 51:20 Min., Buch und Regie: Daniel Finkernagel und Alexander Lück, Produktion: finkernagel & lück medienproduktion, NDR, arte, Erstsendung: 23. November 2011 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.
↑Martin Elste: Art. Hengelbrock, (Hans) Thomas. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik (MGG), 2., neubearb. Aufl., hg. v. Ludwig Finscher, Personenteil 8 (Gri-Hil), Stuttgart u. a. 2002, Sp. 1293.