Stutz war ein in Indianapolis ansässiger Sport- und Luxusfahrzeughersteller, der von 1898 bis 1938 existierte. Das zu den „legendären amerikanischen Vollblutmarken der Vorkriegszeit“[1] gehörende Unternehmen konkurrierte zeitweise mit Duesenberg. Nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten stellte Stutz 1932 die Sportwagenproduktion ein.
Die Idee, die Marke Stutz 30 Jahre nach ihrer Einstellung wiederzubeleben, geht auf den amerikanischen Automobildesigner Virgil Exner zurück. Exner hatte in den 1950er-Jahren zahlreiche Modelle des Chrysler-Konzerns gestaltet, die teilweise stilistisch fortschrittlich waren (vgl. etwa den Forward Look ab 1955). Abweichend davon gab er dem 1961er Jahrgang von Chryslers Luxusmarke Imperial einige aus seiner Sicht klassische Stilelemente. Zu ihnen gehörten frei stehende Frontscheinwerfer und stilisierte Kotflügel. Die Modelle waren kein Erfolg. Exner verließ den Chrysler-Konzern im Jahr 1961 und arbeitete seitdem als freier Designer. Hier verfolgte er die Idee weiter, Merkmale klassischen Automobildesigns an zeitgenössische Fahrzeuge anzupassen. Unter der Bezeichnung Revival Cars entwarf er einige klassisch inspirierte Karosserien, die er verschiedenen Marken der Vorkriegszeit zuordnete. Unter ihnen waren Bugatti, Duesenberg, Mercer, Packard und Pierce-Arrow.[2] Die Ideen kamen zumeist nicht über das Stadium von Zeichnungen hinaus.[3] Ausnahmen waren der Bugatti-Entwurf, den die Carrozzeria Ghia 1965 auf einem Fahrgestell des Type 101 verwirklichte, und der Entwurf für eine viertürige Duesenberg-Limousine, die 1966 als Duesenberg Model D in einem Einzelstück entstand.[4] Der Versuch, das Modell D in Serie produzieren zu lassen, scheiterte an der Finanzierung.
Die Serienproduktion begann 1970. Das Modell erhielt die Bezeichnung Blackhawk; diesen Begriff hatte Stutz bereits in den 1920er-Jahren verwendet. Die erste Baureihe entstand von 1970 bis 1971 (Blackhawk I), die zweite (Blackhawk II) 1972. 1973 wurde die dritte Serie aufgelegt; sie wurde mit geringfügigen Änderungen bis 1979 produziert. Im ersten Baujahr der dritten Serie hieß das Fahrzeug Blackhawk III. In den folgenden Jahren änderte sich der Nummernzusatz fortlaufend bis zum Blackhawk VII von 1979. Damit waren allerdings keine Änderungen in technischer oder stilistischer Hinsicht verbunden. Lediglich die Motorleistung änderte sich in Abhängigkeit von den jeweiligen Abgasbestimmungen, und von Jahr zu Jahr wurden andere Heckleuchten verwendet.
Ab 1980 gab es die vierte, als Blackhawk VIII bezeichnete Serie. Alle Baureihen trugen vergleichbare Designelemente; Unterschiede ergaben sich vor allem durch die notwendigen Anpassungen des Exner-Entwurfs an das jeweilige Basisfahrzeug.
Stutz übernahm von dem Grand Prix das Fahrwerk einschließlich des Hilfsrahmens. Die Aufhängung, die Federung und die Bremsen wurden nicht modifiziert. Auch den Radstand behielt man bei. Gleiches gilt für die Grundstruktur der Karosserie, die Front- und Heckscheibe sowie die Elektrik. Einige Anbauteile wie etwa die Türgriffe wurden von italienischen Großserienfahrzeugen, z. B. dem Alfa Romeo Giulia GT, übernommen.
Der Blackhawk III wurde serienmäßig von einem 7,5 Liter großen Achtzylindermotor von General Motors angetrieben, dessen Leistung in Abhängigkeit von den US-amerikanischen Abgasbestimmungen von Jahr zu Jahr variierte. Im Modelljahr 1979 wurde die Leistung mit 200 PS angegeben.[6] In diesem Jahr war der Stutz der Pkw mit dem hubraumstärksten Motor. Eine amerikanische Quelle berichtet, dass abweichend davon auch einzelne Exemplare mit einem 8,2 Liter großen Cadillac-Motor ausgerüstet wurden. Diese Triebwerke waren nicht leistungsstärker als die 7,5-Liter-Versionen, hatten aber ein höheres Drehmoment.[7]
Dass keine Änderungen an den technischen Komponenten des Basisfahrzeugen vorgenommen wurden, machte sich wiederholt nachteilig bemerkbar. So notierte beispielsweise die Zeitschrift auto motor und sport, dass die im Vergleich zum Basisfahrzeug verkleinerten Kühleröffnungen schnell zu hohen thermischen Belastungen führten, die im Stadtverkehr erhebliche Probleme mit sich bringen konnten. Als weiteres Beispiel wurden die Tür- und Haubenscharniere genannt, die unverändert von GM übernommen wurden und angeblich zu schwach für die schwereren Stutz-Komponenten waren, sodass geöffnete Türen schnell schief hingen.
Zahlreiche Designdetails erinnerten an klassische Gestaltungsmerkmale von Fahrzeugen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Zu ihnen gehörten:
geschwungene Chromleisten an den Wagenflanken, die die Linien von frei stehenden Kotflügeln imitierten
angedeutete, aber nicht funktionsfähige Trittbretter unterhalb der Türen
eine lange, exponiert geformte Motorhaube, sog. Knudsen-Nase
ein großer, über die Stoßstangenlinie hinausragender Kühlergrill, in dem die Linien der Motorhaube mündeten und den Virgil Exner laut O’Donnell als Phallus-Symbol verstanden wissen wollte
frei stehende Frontscheinwerfer, die durch Aussparungen links und rechts des Kühlergrills ermöglicht wurden
imitierte Sidepipes, also Auspuffrohre, die hinter den Vorderreifen aus den Kotflügeln austraten und unter den Türen nach hinten verliefen und
ein frei sichtbares Reserverad, das zum Teil in den Kofferraum eingelassen war.
Ein besonderes Charakteristikum der dritten Stutz-Serie war ein stark abfallendes Heck, das in einer hoch angesetzten Stoßstange mündete; die Rückleuchten waren (wie bei dem Blackhawk der ersten Serie) unterhalb der Stoßstange angebracht. Über die Jahre gab es eine Reihe kleinerer technischer Änderungen, die beispielsweise die Positionierung des Tankeinfüllstutzens betrafen. Auch die Rückleuchten wurden wiederholt geändert: In einem Jahr kamen sie vom Chevrolet Vega, in einem anderen von dessen Klon Pontiac Astre, und manchmal waren es runde Rückleuchten aus dem Zubehörhandel.
Der Innenraum war hochwertig ausgestattet: britisches Connolly-Leder, handgeknüpfte Teppiche und Wurzelholz aus Italien. Die Einfassung der Instrumente und die Schalter und Hebel waren mit Blattgold belegt.
Das Werk gab eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h und einen Wert von 12,5 Sekunden für die Beschleunigung von 0 auf 96 km/h an.[9] Der Durchschnittsverbrauch wurde mit 8 Miles per Gallon angegeben, was etwa 30 Litern auf 100 km entspricht.
Produktion
Der Blackhawk III wurde in Italien aufgebaut. Nachdem 1970 die ersten Exemplare der ersten Serie noch bei Officine Padane hergestellt worden waren, übernahm ab 1971 die Carrozzeria Saturn in Cavallermaggiore im Piemont die Herstellung der Blackhawks. O’Donnell hatte diese Werkstatt eigens für seine Autos eingerichtet.
Stutz erhielt von General Motors fertige Basisfahrzeuge, die per Schiff nach Italien geliefert wurden. Dort stellten etwa 10 italienische Spengler in Handarbeit die neuen Karosserieteile her und passten sie den von ihrer Serienkarosserie befreiten Basisfahrzeugen an. Auch die Innenausstattung wurde in Italien hergestellt, schließlich erfolgte hier auch die Lackierung, die aus 20 Lackschichten bestand.
Preis
Der Stutz Blackhawk III war ein sehr teures Fahrzeug. Sein Verkaufspreis wurde im Modelljahr 1973 mit 40.000 US-$ und 1979 mit 70.000 US-$ angegeben. Ein serienmäßiger Pontiac Grand Prix, das Basisfahrzeug, kostete 1976 4.900 US-$, ein Cadillac Seville, das teuerste Serienfahrzeug von General Motors, lag 1979 bei 14.020 US-$.
Verbreitung
Der Stutz Blackhawk der dritten Serie war das erfolgreichste Einzelmodell der Marke. Zwischen 1973 und 1979 entstanden mehr als 300 Fahrzeuge; sie sind auch heute noch die am besten verfügbaren Modelle.[10]
Einige Fahrzeuge wurden auch in Europa verkauft. In Deutschland übernahm Auto Becker den Vertrieb.[11]
Es gibt wenige zeitgenössische Fahrberichte über die dritte Serie des Blackhawk. Die europäische Presse ging zurückhaltend, teilweise auch abschätzig mit dem Blackhawk III um. In Deutschland wurde das Auto in seiner Produktionszeit als „einer der teuersten Scherze der Welt“ bezeichnet.[13] Das änderte sich auch bei nachträglicher Betrachtung nicht. Ein britisches Fachmagazin erklärte im Jahr 2003:
„Wer um das Jahr 1980 herum ein auffälliges Luxusauto fahren wollte, mußte je nach Geschmack auf einen Rolls-Royce Camargue oder einen Aston Martin Lagonda zurückgreifen – oder, falls man ein erfolgreicher Pornostar ist, auf einen Stutz Blackhawk.“[14]
„Der Stutz bewegt sich durch den dichten Stadtverkehr wie ein alter Starrachsen-Pontiac, dessen Kofferraum zur Komfortverbesserung mit Beton ausgegossen wurde: weich wie Lenor-Wäsche, schaukelnd wie ein Karussellpferd, agil wie ein Öltanker.“[15]
Varianten
Cabriolets
Der Blackhawk der dritten Serie ist Grundlage für zwei Cabriolet-Versionen:
In einer Serie von etwa 30 Exemplaren entstand ab 1978 ein Cabriolet mit Überrollbügel, das die Bezeichnung Bearcat erhielt. Diese Modelle wurden werksseitig von Stutz angeboten.[18]
Limousinen und Repräsentationsfahrzeuge
Ab 1978 bot Stutz eine viertürige Limousine mit der an den Maserati Quattroporte erinnernden Bezeichnung IV Porte an. Das von Paolo Martin gestaltete Modell hat technisch nichts mit dem Blackhawk zu tun. Es trägt manche seiner Design-Elemente, basiert aber auf dem Oldsmobile 88 von 1977. Davon abgeleitet waren die Repräsentationslimousinen Stutz Diplomatica und der 7,5 m lange Stutz Royale.
Literatur
Richard M. Langworth: Encyclopedia of American Cars 1930–1980. Beekman House, New York 1984, ISBN 0-517-42462-2 (engl.).
James O’Donnell: The Story of Stutz. Rebirth of a classic car. Abriss der Geschichte des Unternehmens von James O’Donnell aus dem Jahr 1991, geschrieben für seinen Doktorvater (abzurufen auf http://www.madle.org).
Franz-Peter Hudek: Auf den Stutz gehauen. Impressionen eines Stutz Blackhawk von 1974. In: auto motor und sport 7/2000, S. 224 ff.
↑Langworth: Encyclopedia of American Cars 1930-1980, S. 671.
↑Das Leergewicht des Pontiac Grand Prix wurde im Modelljahr 1975 mit 2000 kg angegeben, die Länge mit 5.520 mm; vgl. Auto Katalog Nr. 18 (1974/75), S. 151.
↑Zur Produktion vgl. Übersicht zum Modell auf der Internetseite www.madle.org (abgerufen am 14. Juni 2013).
↑Pressenotiz von Auto Becker zum Stutz Blackhawk (mit mehreren inhaltlichen Fehlern) auf der Internetseite www.madle.org (abgerufen am 14. Juni 2013).