Herrmann betreibt seit dem Jahr 2012 den Watchblog „Vorwärts und nicht vergessen“, der nach einer Textzeile aus dem Solidaritätslied von Bertolt Brecht benannt ist.[1] Ihr Untersuchungsgegenstand sind salafistische und islamistische Organisationen und Akteure.[2] In diesem Zusammenhang berät sie Kommunalpolitiker und hält öffentliche Vorträge.[3][4] Nachdem sie mit Analysen aus dem Rhein-Main-Gebiet begonnen hatte,[5] ist sie inzwischen bundesweit aktiv. Das öffentliche Auftreten begann mit einer Aufklärungs- und Protestaktion im Jahr 2012,[6] dem Widerstand gegen die Koranverteilungskampagnen der Gruppe um Ibrahim Abou-Nagie.[7]
Sie gehörte zu den Kritikern des Auftritts von Mohamed Matar von der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) bei einer Gedenkveranstaltung zum Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz.[8] Die Einbeziehung der NBS in Integrationsprojekte für Flüchtlinge wird von ihr kritisiert.[9] Sie fand durch einen Blick ins Vereinsregister heraus, dass Verbindungen des Islamischen Zentrums Hamburg nach Hessen bestehen.[10]
Sie darf trotz Klage von Islamic Relief behaupten, „dass sich die Hilfsorganisation Islamic Relief Deutschland (IRD) und auch die Mutterorganisation aus Großbritannien unter anderem an der Finanzierung der Hamas beteiligen“.[11][12] Eine Recherche Herrmanns über ein deutsches Mitglied im Vorstand von Islamic Relief Worldwide wurde im August 2020 von der Londoner Times aufgegriffen; in der Folge trat der gesamte Vorstand zurück.[13][14]
Herrmann ist Diplom-Biologin.[15] Sie ist Mitglied der SPD,[16] und war als Lokalpolitikerin (Vorstandsmitglied,[17] davor Unterbezirkssprecherin für Umweltschutz,[6] Unterbezirksschriftführerin[18]) in Offenbach tätig. Seit 2019 lebt und arbeitet Herrmann in Nordrhein-Westfalen.[19]
Kritik
Der Journalist und Autor Yassin Musharbash wies einen Teil der Kritik von Herrmann an seiner Arbeit zurück.[20]
Extremismus-Vorwürfe gegen Mitarbeiter von Violence Prevention Network im Jahr 2017
Ende 2016 informierte Hermann die hessischen Sicherheitsbehörden, dass zwei in Hessen tätige muslimische Mitarbeiter von Violence Prevention Network (VPN), einer bundesweit tätigen Nichtregierungsorganisation zur Präventionsarbeit gegen politischen Extremismus, selbst Kontakte zur extremistischen Szene unterhalten würden.[21] Die beschuldigten Mitarbeiter wurden daraufhin im Januar 2017 einer Befragung unterzogen,[22] bei der sie sich von extremistischem Gedankengut distanzierten.[23] Kurz darauf veröffentlichte der Journalist Volker Siefert für den Hessischen Rundfunk (hr-iNFO) einen bundesweit beachteten Enthüllungsbericht über die Vorwürfe gegen die beiden Mitarbeiter,[24] die daraufhin in einer Sofortmaßnahme am 21. Februar 2017 vorläufig suspendiert wurden.[22][25] Weiter wurden alle Mitarbeiter der hessischen VPN-Beratungsstelle einer neuerlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen.[26] Im März teilte das Hessische Innenministerium mit, dass die Vorwürfe eine „gründliche sicherheitsbehördliche Zuverlässigkeitsüberprüfung“ bei den VPN-Mitarbeitern veranlasst hatten,[27][28] und das Ergebnis der Prüfung ergebe, dass beide beschuldigten Mitarbeiter von den Vorwürfen entlastet seien.[21] Die Journalistin Özlem Gezer bezeichnete im Mai 2017 die Affäre im Der Spiegel als „Strudel, erzeugt von selbst ernannten Muslimjägern, eifernden Journalisten und Behörden, die Angst haben, Fehler zu machen.“[29]
Herrmann bezeichnete sich damals auf ihrer Website selbst noch als „unabhängige Sekten- und Islamismus-Expertin“, die Süddeutsche Zeitung schrieb in diesem Zusammenhang „die Grenzen zwischen Expertise und Aktivismus sind bei ihr fließend“. Lamya Kaddor bemerkte zudem, Herrmann besitze allenfalls Laienwissen über den Islam und verurteile Menschen ohne nachprüfbare Beweisführung pauschal als Anhänger islamistischer Strömungen. Diesen Vorwurf nannte Herrmann „undifferenziert“.[30]
UEM-Studie 2023
Nach dem rassistisch motivierten Anschlag von Hanau im Jahr 2020 berief Bundesinnenminister Horst Seehofer einen zwölfköpfigen wissenschaftlichen Expertenkreis ein,[31] der im Juni 2023 eine umfassende Studie über das Thema Muslimfeindlichkeit in Deutschland präsentierte, in dem Herrmann namentlich erwähnt wird. Unter anderem wurde dort festgestellt, dass sie sich „trotz fehlender fachlicher Expertise oder relevanter Sprachkenntnisse“ als Islamismus-Expertin bezeichne.[32] Herrmann warf daraufhin dem Innenministerium Falschdarstellungen über ihre Person vor und erhob Unterlassungsansprüche.[33] Nachdem Henryk M. Broder eine juristische Klage gegen seine Nennung in dem Bericht gewonnen hatte, zog das Ministerium den Bericht im März 2024 zurück.[34]
Schriften
Dorothee Dienstbühl, Sigrid Herrmann-Marschall: Investigate Social Media – Die Übertragung salafistischer Strukturen in sozialen Netzwerken auf örtliche Gegebenheiten und der Nutzen für die Sicherheitsbehörden. In: Thomas-Gabriel Rüdiger, Petra Saskia Bayerl (Hrsg.): Digitale Polizeiarbeit: Herausforderungen und Chancen. 1. Auflage. Springer VS, 2018, ISBN 978-3-658-19755-1, S.91–107, doi:10.1007/978-3-658-19756-8.
Sigrid Herrmann-Marschall: Die Medienstrategie der Gülen-Bewegung. In: Friedmann Eißler (Hrsg.): Die Gülen-Bewegung (Hizmet) Herkunft, Strukturen, Ziele, Erfahrungen. EZW-Texte, Nr.238. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin 2015, S.168–175 (ezw-berlin.de [PDF]).
Sigrid Herrmann-Marschall: Die Hilfsorganisation „Islamic Relief“: Heiligenschein mit Rissen. In: Materialdienst der EZW 11/2017. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin 2017, S.415–420 (ezw-berlin.de [PDF]).
↑Christoph Cuntz: Islamisten im Rhein-Main-Gebiet – Bloggerin: „Die Szene ist größer als man denkt“. In: Allgemeine Zeitung. 14. September 2016 (allgemeine-zeitung.de [abgerufen am 1. April 2020]).
↑“His posts were written in 2014 and 2015. They were initially discovered by a German researcher, Sigrid Herrmann-Marschall, who published them in a 2017 blog post.” – Andrew Norfolks: Entire board resigns at Islamic Relief Worldwide. In: The Times. 22. August 2020 (thetimes.co.uk [abgerufen am 24. August 2020]).
↑Donna Rachel Edmunds: Board of Islamic Relief Worldwide resigns over antisemitism allegations. In: The Jerusalem Post. 23. August 2020 (jpost.com [abgerufen am 24. August 2020]).
↑Özlem Gezer: Wie Muslime gegen Islamismus ins Visier des Staates gerieten. In: Spiegel. 30. April 2017 (spiegel.de [abgerufen am 1. April 2020]).
↑Christoph Cuntz: „Nicht nachvollziehbare Unterstellungen“: Ist ein Extremismus-Bekämpfer selbst ein Extremist? In: Wiesbadener Kurier. 9. März 2017 (wiesbadener-kurier.de [abgerufen am 17. April 2020]).
↑Danijel Majic: Streit um Suspendierungen. In: Frankfurter Rundschau. 27. Februar 2017 (fr.de [abgerufen am 17. April 2020]).
↑Christoph Cuntz: Mitarbeiter von Salafismus-Beratungsstelle unter Extremismusverdacht. In: shz.de. 25. Februar 2017 (shz.de [abgerufen am 17. April 2020]).
↑An den Vorwürfen ist nichts dran. In: Lauterbacher Anzeiger. 18. März 2017 (lauterbacher-anzeiger.de [abgerufen am 17. April 2020]).
↑Mitarbeiter nichtextremistisch. In: Wiesbadener Kurier. 21. März 2017 (wiesbadener-kurier.de [abgerufen am 17. April 2020]).