Das Schwyzerörgeli (schweizerdeutsch für «kleine Schweizer Orgel» oder «kleine Schwyzer Orgel», vgl. Abschnitt Geschichte), auch Handörgeli, ist eine vorwiegend in der Schweizer Volksmusik verwendete Variante des diatonischen Akkordeons. Der Bass ist gleichtönig und stellt den Vorläufertyp des Stradella-Basses dar. Moderne Instrumente sind meist mit drei Tastenreihen im Diskant ausgestattet. Obwohl der Diskant grundsätzlich wechseltönig ist und im Wesentlichen einer diatonischen Anordnung folgt, unterscheidet sich die Spielweise wesentlich von anderen diatonischen Handzuginstrumenten. Auch die Konstruktion weicht stark von einfachen diatonischen Instrumenten ab. Heute sind kompakte Bauweise mit Cassotto und ein Balg mit Ledereckschoner typische Merkmale dieses Instrumentes, und es gibt ein-, zwei- oder dreichörige mit oder ohne Tremolo.
Die Vorläufer des Schwyzerörgelis waren die sogenannten Langnauerörgeli, die ab 1836 durch die Familie Hermann in Langnau im Emmental hergestellt wurden. Langnauerörgeli wurden zuerst nur mit einer Melodiereihe gebaut, später auch mit zwei, drei oder vier diatonisch angeordneten Melodiereihen. Die Hersteller nannten sich zuerst Harpfenmacher («Harpfe» altdeutsch für Harfe), später Harfenmacher und erst recht spät entstand der Begriff Harmonikafabrikant.
Das Langnauerli wurde kurz vor 1900 zum Stöpselbass-Örgeli weiterentwickelt, bevor dann die ersten Schwyzerörgeli in der heutigen Form gebaut wurden. Langnauerörgeli wie auch Stöpselbass-Örgeli hatten wechseltönige Bässe. Die heutige Form des Schwyzerörgelis hat 18 gleichtönende Bässe. Als einer der ersten Schwyzerörgelibauer galt Robert Iten (1859–1918) aus Pfäffikon im Kanton Schwyz. Ob das Schwyzerörgeli daher seinen Namen vom Kanton Schwyz oder aber doch von der mundartlichen Form von Schweiz (schweizerdeutsch: Schwyz) hat, ist letztlich nicht entscheidbar.
Hersteller
Zu den bekanntesten Schwyzerörgeli gehören jene von Josef Nussbaumer und alte Exemplare von Alois Eichhorn. Josef Nussbaumer wurde 1882 in Schwyz geboren und wird mitunter als «Stradivari des Schwyzerörgelibaues» bezeichnet. Er gehörte zusammen mit Alois Eichhorn und Ernst Salvisberg zu den Schwyzerörgeliherstellern der ersten Stunde. Seine Örgeli heben sich vor allem klanglich von anderen Instrumenten ab. Josef Nussbaumer stellte nicht nur Schwyzerörgeli her, sondern auch Akkordeon und acht-bässige Club-Modelle. Auch Spezialausführungen mit vier Melodiereihen wurden hergestellt. Die Geschichte der Firma Nussbaumer ist sehr bewegt, sie wechselte ein paarmal den Namen, den Standort und den Besitzer. Die Zeit von 1920 bis 1929 in Bachenbülach[1] gilt als Höhepunkt, was die Qualität der erstellten Instrumente betrifft. Die «Nussbaumer» sind daher bis heute begehrt.
Von den drei genannten Herstellern der ersten Stunde überlebte lediglich der Betrieb von Alois Eichhorn. In den 1960er Jahren entstanden neue Werkstätten wie etwa die von Joseph Gwerder, Rudolf Reist und Rudolf Stalder. Auch aus Italien werden Schwyzerörgeli importiert. Auch zahlreiche kleinere Betriebe produzieren Schwyzerörgeli, so beispielsweise Hermann Häusler, Paul Mauron, Ernst Wüthrich, Hansruedi Wittwer und Silvio Zanin.
Heute gibt es eine Reihe von bekannten Schwyzerörgeli-Herstellern. Ott-Örgeli, Reist-Örgeli und Aemmitaler-Oergeli gehören wohl zu den grössten Werkstätten, da jährlich über 100 Modelle die Betriebe verlassen. Egli-Örgeli, Zürcher-Örgeli, Spörri-Örgeli, Jeker-Örgeli und Theiler-Örgeli werden in Einmannbetrieben hergestellt, und nur wenige Instrumente verlassen jährlich die Werkstatt. Harry Pauli baute die Bülacher.
Andreas Tauscher aus Oberstdorf ist der einzige Schwyzerörgelibauer im benachbarten Deutschland.
Festivals und Feste
Das Eidgenössisches Volksmusikfest wird alle vier Jahre vom Verband Schweizer Volksmusik (VSV) organisiert. Neben den traditionellen Musikgruppen mit Schwyzerörgeli gibt es seit den 1960er Jahren sogenannte Grossformationen mit zehn oder mehr Schwyzerörgeli und einem Kontrabass. Seit 1997 veranstalten diese alle vier Jahre das Eidgenössische Ländler-Grossformationen-Fest (ELGF).
Albin Brun hat das Instrument auch einer am Jazz orientierten Improvisation zugänglich gemacht.
Das Schwyzerörgeli bei den Jenischen
Die Jenischen in der Schweiz bevorzugen ebenfalls das Schwyzerörgeli für ihre Musik, in welcher sie ihre eigenen traditionellen Rhythmen und Melodien mit Schweizer Volksmusik bunt vermischen.
Fränzli Waser (1858–1895) war einer der ersten, der im Bündnerland auch Handorgeln bzw. Schwyzerörgeli in die Bündner Volksmusik einführte.
In der Westschweiz mischen Jenische heute auf ihren Schwyzerörgeli gerne auch Ländlermusik mit einer Stilrichtung französischen Ursprungs: der Musette. Bekannte Vertreter dieser Stilrichtung sind die Musiker aus den Familien Werro und Mülhauser. Joseph Mülhauser, bekannt auch unter dem Künstlernamen Counousse, stellt in seiner Musik Verbindungen her zwischen dem Ländler und der Musik der Roma und Sinti, insbesondere auch dem Zigeunerjazz.
Der Film unerhört jenisch (2017, Regie Karoline Arn, Martina Rieder) thematisiert den Einfluss der Jenischen auf die Ländlermusik, insbesondere in Graubünden. Neben und zusammen mit Stephan Eicher treten im Film die Bündner Spitzbueba (Patrick Waser und Peter Gehring Schwyzerörgeli, Martin Waser Kontrabass) auf. Weitere Protagonisten sind die Formationen Moser Buaba, Vazer Buaba, Obervazer Töbelifäzer, das Älplerchörli Obervaz und AlpTon.[2][3]
Literatur
Ernst Roth: Schwyzerörgeli. Eine Instrumentenkunde und Wegleitung für Volksmusikliebhaber. AT-Verlag, Aarau 1993, ISBN 978-3-85502-104-8.
Ernst Roth: Schwyzerörgeli. Eine Kulturgeschichte und Instrumentenkunde. AT-Verlag, Aarau 1983, ISBN 978-3-85502-454-4.