Seit 1988 werden umfangreiche Renovierungsarbeiten durch das Kultur- und Verteidigungsministerium vorgenommen. Die Schlosskapelle und der Donjon wurden bereits aufwändig restauriert. Für die Restaurierungen und die gesamten Innen- und Außenarbeiten im und am Schloss wendete der französische Staat zwischen 1990 und 2006 über 43 Millionen Euro auf.
Geschichte
Manoir du Bois-de-Vincennes
Das erste echte Dokument, das den Wald von Vilcena erwähnt, stammt aus dem Jahr 847 und ist eine Urkunde der Abtei Saint-Maur; in dieser Zeit gehörte er zum Bistum Paris. Im 11. Jahrhundert wurde der Wald Eigentum der Krone, seine Grenzen entsprachen weitgehend denen von heute; er dürfte damals also rund 1000 Hektar groß gewesen sein.
Der Wald von Vincennes war ein beliebtes Jagdgebiet Ludwigs VII. (1120–1180). 1164 ließ er Mönche aus Grandmont im Limousin (Grammontenser aus Grandmont bei Saint-Sylvestre (Haute-Vienne)) kommen und übergab ihnen ein von Gräben umgebenes Grundstück im Wald zur Trockenlegung, an dem sich heute der Lac des Minimes im Nordosten des Waldes befindet. 1178 unterzeichnete er in Vincennes ein Dokument, was beweist, dass hier nun eine königliche Residenz, zumindest ein Jagdpavillon, existierte, dessen erste Bauperiode in der Mitte des 12. Jahrhunderts anzusetzen ist.
Den Quellen und den Ausgrabungen der 1990er Jahre folgend kann man sich nun ein genaues Bild machen, wie das königliche Manoir von Vincennes zum Regierungsbeginn Karls V. 1364 ausgesehen hat. Auch die Bezeichnungen zwischen 1248 und 1353 machen es deutlich: domus, maison, später manoir oder hôtel; palais ist selten und Begriffe, die auf eine Befestigung hindeuten, wie castrum/château werden für Vincennes gar nicht benutzt. Mitte des 14. Jahrhunderts war das Manoir ein quadratischer Bau von 60 Metern Seitenlänge, bestehend aus vier Flügeln um einen Hof. Alle ergrabenen Konstruktionen befinden sich auf Bodenniveau und nicht auf Terrassen, entgegen dem, was aus der Befestigungsarchitektur des 12.–14. Jahrhunderts bekannt ist. Ein Verteidigungselement (der quadratische Donjon von etwa 10 Metern Seitenlänge, der nur von einer Zeichnung von 1654 bekannt ist) existierte an der Ecke von West- und Südflügel. Auf der Etage des Westflügels befand sich die große Salle Saint-Louis, die in mehreren Quellen erwähnt wird. Der Rest des Manoirs enthielt diverse Zimmer, religiöse Räume – darunter vor allem die Chapelle Saint-Martin, die im 17. Jahrhundert zerstört wurde.
Im Zentrum des Hofs des Manoir stand ein steinerner Monumentalbrunnen aus der Zeit Karls V., vielleicht aus der Phase des Wiederaufbaus von 1365 bis 1367, der ein ähnliches älteres und gleichartiges Bauwerk ersetzte.
Im 18. Jahrhundert wurden die letzten Reste des Manoirs abgerissen.
Schloss Vincennes
Die Umgestaltung des Manoir zum heutigen Schloss Vincennes begann wenige Jahre nach dem Regierungsantritt der Valois-Dynastie (1328). Philipp VI., der Nachfolger Karls V., plante ab 1337 die Errichtung eines Donjons im westlichen Teil des Anwesens, dessen Bau während des Hundertjährigen Krieges unter Johann II. dem Guten und seinem ältesten Sohn, Karl V. vorangetrieben wurde und erst 1373 vollendet war. Die massive, befestigte Anlage diente den Königen nicht nur als Jagdschloss, sondern in unsicheren Zeiten auch als Rückzugsort für den Verteidigungsfall bei Invasionen, ähnlich wie zur selben Zeit Windsor Castle den englischen Kriegsgegnern Eduard III. und Richard II. oder die Burg Karlštejn dem deutschen Kaiser Karl IV.
Im 17. Jahrhundert fügte Louis Le Vau, Architekt des Sonnenkönigs, Ludwig XIV., zwei Flügel hinzu, den Pavillon des Königs und den Pavillon der Königin. Das Schloss wurde so zum dritten königlichen Wohnsitz. Als Vincennes vom königlichen Hof aufgegeben wurde, diente es als Staatsgefängnis, in dem unter anderem der Marquis de Sade, der Graf Mirabeau und Diderot gefangen gesetzt wurden.
Im Jahr 1739 wurde eine Porzellanmanufaktur im Schloss gegründet, die 1756 nach Sèvres übersiedelte. Unter diesem Namen sind die neben dem Meißner kostbarsten Porzellane des 18. Jahrhunderts auch heute noch bekannt.
Der Park wurde im 19. Jahrhundert im Stil englischer Landschaftsgärten gestaltet. Napoleon III. übergab ihn mit einer Ausdehnung von fast 10 Quadratkilometern 1860 als öffentliche Einrichtung an Paris.
1940 diente das Schloss dem französischen Generalstab bei der erfolglosen Verteidigung des Landes gegen die deutsche Invasion als Hauptquartier. Anschließend war es von deutschen Truppen besetzt, die es am 20. August 1944 wieder räumen mussten, nicht ohne einige Schäden zu hinterlassen.
Heute sind im Schloss verschiedene Dienststellen des Verteidigungsministeriums (Militärarchiv und Militärgeschichtliche Forschung) sowie des Ministeriums für Kultur und Kommunikation (Zentrum für nationale Denkmäler) untergebracht.
Im Schloss Vincennes werden die Fahnen der aufgelösten französischen Regimenter und Bataillone aufbewahrt.
Frank Dengler: Karlstein und Vincennes – zwei spätmittelalterliche Burgen als Herrschaftssymbole im Vergleich. In: Hartmut Hofrichter (Hrsg.): Die Burg – ein kulturgeschichtliches Phänomen. Theiss, Stuttgart 1994, ISBN 3-8062-1134-5 (= Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung e. V., Reihe B, Schriften Band 2 und Sonderheft Burgen und Schlösser), S. 75–85.
Luce Gaume: Le château de Vincennes. Un histoire militaire. Chaudun, Paris 2008, ISBN 978-2-35039-059-8.
Ulrike Heinrichs: Vincennes und die höfische Kultur. Die Bildhauerkunst in Paris 1360–1420. Reimer, Berlin 1997, ISBN 3-496-01154-8 (zugl. Dissertation, Freiburg/B. 1997).
kolorierte Zeichnung von Louis Le Vau von 1654 zum Schloss Vincennes (in hellblau das mittelalterliche Manoir). In: vincennes-tourisme.fr, abgerufen am 9. Juni 2017.