Von 1879 bis 1899 war er im Reichsjustizamt tätig und arbeitete dort u. a. mit seinen späteren Vorgängern im Amt des Reichsgerichtspräsidenten Otto von Oehlschläger und Karl Gutbrod zusammen. Im Rahmen dieser Tätigkeit vertrat Seckendorff das Deutsche Reich zweimal auf den Haager internationalen Privatrechtskonferenzen und war Mitarbeiter an der Zivilprozessnovelle von 1898. Im Reichsjustizamt bearbeitete er die Gebiete des Urheberrechts, des Prozessrechts, des Staats- und Völkerrechts und des internationalen Privatrechts. Die Beschäftigung mit den Fragen des Urheberrechts führte zu seiner nebenamtlichen Berufung als ständiges Mitglied des Patentamtes.
Ab 1899 war als Unterstaatssekretär im Preußischen Staatsministerium tätig. Bald darauf wurde ihm das Nebenamt als Mitglied des Kaiserlichen Disziplinarhofs in Leipzig, dem überwiegend Mitglieder des Reichsgerichts angehörten, übertragen.
Am 18. Juni 1905 trat er sein Amt als Reichsgerichtspräsident an. Sein Amtsverständnis beschrieb er wie folgt: „Es ist meines Erachtens eine der schönsten Aufgaben des obersten Gerichtshofs für eine der allgemeinen Rechtsanschauung entsprechende Anwendung des Gesetzes Raum zu schaffen, sofern dies mit dessen Wortlaut und Absicht irgend vereinbar ist.“
Am 25. Oktober 1905 entschied das Reichsgericht durch den IV. und VII. Zivilsenat unter dem Vorsitz von Rudolf von Seckendorff den lippischen Thronfolgestreit zugunsten des zukünftigen Fürsten Leopold IV. zur Lippe-Biesterfeld. Maßgeblich für diese Entscheidung war die ebenbürtige Abstammung der Linie Lippe-Biesterfeld, die Anerkennung ihres Thronfolgerechts durch ein Gesetz des Landes Lippe-Detmold vom 17. Oktober 1896 sowie durch eine Entscheidung eines Schiedsgerichts unter dem Vorsitz des Königs Albert von Sachsen von 22. Juni 1897 und die ebenbürtige Heirat der Eltern des zukünftigen Fürsten.
Am 10. Oktober 1908 lehnte der Ehrengerichtshof in Anwaltssachen unter dem Vorsitz des Reichsgerichtspräsidenten von Seckendorff es ab, den Rechtsanwalt Karl Liebknecht aufgrund seiner Verurteilung wegen Vorbereitung zum Hochverrat durch das Reichsgericht vom 12. Oktober 1907 aus der Rechtsanwaltschaft auszuschließen. Zur Begründung hieß es u. a., dass schon das Reichsgericht in diesem Strafurteil eine ehrlose Gesinnung des Angeklagten verneint habe.
Wegen seiner juristischen Verdienste verlieh die Universität Leipzig 1907 von Seckendorff die Ehrendoktorwürde. Aus dem gleichen Grund, aber auch als Ehre um seine Verdienste um das gute Verhältnis der Stadt Leipzig zum Reichsgericht, verlieh die Stadt Leipzig ihm 1916 das Ehrenbürgerrecht.
Am 1. Januar 1920 schied er aus dem Amt.
Literatur
Anonym verfasster Artikel über die Ernennung von Rudolf von Seckendorff zum Reichsgerichtspräsidenten, veröffentlicht in der Deutschen Juristen-Zeitung (DJZ) 1905, Sp. 537.
Rudolf Freiherrn Seckendorff zum Gedächtnis – Reden bei der Gedenkfeier im Reichsgericht zu Leipzig am 22. November 1932, erschienen im Verlag F. A. Brockhaus in Leipzig im Jahr 1932. Die drei dort abgedruckten Gedenkreden hielten der damalige Reichsgerichtspräsident Erwin Bumke, der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig Carl Goerdeler und Prof. Paul Koschaker als Dekan der Leipziger Juristenfakultät.
Anonymer Nachruf bzgl. Freiherrn von Seckendorff in DJZ 1932, Seite 1276
Kai Müller, Der Hüter des Rechts: Die Stellung des Reichsgerichts im Deutschen Kaiserreich 1879 - 1918, 1. Aufl. Nomos-Verlag Baden-Baden, 1997 (Dissertation), Seite 122–124
Über den Schiedsspruch des Reichsgerichts vom 25. Oktober 1905 im lippischen Thronfolgestreit:
DJZ 1906, Seite 61–63
Über das von Rudolf Freiherr von Seckendorff am 10. Oktober 1908 verkündete Urteil im Ehrengerichtsverfahren gegen den Rechtsanwalt Karl Liebknecht:
Amtliche Entscheidungssammlung des Ehrengerichtshofs für Anwaltssachen beim Reichsgericht (EGH) 14. Band, Seite 81–84