Über britische und amerikanische diplomatische Kanäle schickte er nach London und Washington folgenden, hier aus dem Englischen übersetzten Text:
„Erhielten alarmierenden Bericht, im Führerhauptquartier sei ein Plan diskutiert worden und werde erwogen, alle Juden in von Deutschland besetzten oder kontrollierten Ländern, Anzahl dreieinhalb bis vier Millionen, nach Deportation und Konzentration im Osten mit einem Schlag auszurotten und damit die jüdische Frage in Europa ein für allemal zu lösen. Es wird berichtet, Aktion sei geplant für den Herbst. Über Methoden wird noch diskutiert, darunter auch Blausäure. Wir übersenden diese Information unter allem gebotenen Vorbehalt, da Genauigkeit von uns nicht überprüft werden kann. Unser Informant soll enge Verbindungen mit höchsten deutschen Behörden haben, und seine Berichte sind im Allgemeinen zuverlässig. Bitte New York informieren und befragen.“
Obwohl bereits Nachrichten über Massenexekutionen in Polen und an der Ostfront in Europa nach England und in die USA gedrungen waren, wertete das amerikanische State Department den Inhalt des Telegramms als „wildes, von jüdischen Ängsten inspiriertes Gerücht“; das Foreign Office (Außenministerium) leitete das Telegramm erst einmal nicht weiter. Erst am 28. August 1942 gelangte es zum Leiter des Jüdischen Weltkongresses in New York, dem Rabbiner Stephen Wise, der daraufhin Felix Frankfurter, einen Richter am Supreme Court, informierte. Dieser sorgte dafür, dass der Bericht ins White House gelangte. Auch der Vatikan und das IKRK wurden informiert.[2][3] Beide hätten geltend gemacht, die Glaubwürdigkeit des Berichts nicht überprüfen zu können.[4]
Walter Laqueur: Was niemand wissen wollte. Die Unterdrückung der Nachrichten über Hitlers „Endlösung“. Ullstein, Frankfurt am Main u. a. 1981, ISBN 3-550-07947-8.
Gerhart M. Riegner: Niemals verzweifeln. Sechzig Jahre für das jüdische Volk und die Menschenrechte. Bleicher, Gerlingen 2001, ISBN 3-88350-669-9, (Zeugen der Zeit).
Günter Schubert: Der Fleck auf Uncle Sams weißer Weste. Amerika und die jüdischen Flüchtlinge 1938-1945. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2003, ISBN 3-593-37275-4.
↑Das Originaltelegramm mit Riegners Bericht wurde am 8. August in Genf abgesetzt. Im Laufe der Übertragung über diplomatische Kanäle entstanden Kopien, die verschlüsselt und wieder entschlüsselt wurden. Siehe Gutman, Jäckel, Longerich, Schoeps (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Band 2. Argon Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-87024-300-7.
↑Jonathan Gorsky: Pius XII. and the Holocaust In: Carol Rittner, Stephen D. Smith, Irena Steinfeldt: The Holocaust and the Christian World.Yad Vashem 2000, S. 133–137 (englisch).
↑Monty Noam Penkower: The World Jewish Congress Confronts the International Red Cross during the Holocaust. Jewish Social Studies 1979, S. 229–256 (englisch).
↑Corrado Augias: Die Geheimnisse des Vatikan S. 340 ff, C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61363-0.