Reitia

Reitia (venetisch: 𐌓𐌄:𐌉:𐌕𐌉:𐌀), auch Raetia, wurde vom altitalischen Volk der Veneter im heutigen Venezien und Friaul als Göttin verehrt. Einer Hypothese zufolge war sie namengebend fĂŒr das Volk der RĂ€ter im mittleren Alpenraum.

Eigenschaften

In venetischen Inschriften wird sie als „Geburtsgöttin“ (Pora) und „Heilerin“ (Sainate) angesprochen und war Schutzherrin der Schrift.[1] Von den Römern wurde sie mit Minerva und Juno gleichgesetzt, als Naturgottheit und Potnia theron auch mit Demeter und Diana.[2] Dargestellt wurde sie manchmal thronend, hĂ€ufig von Tieren umgeben, mit einem Schleier auf dem Haupt und einem SchlĂŒssel in der Hand als Hauptattribut, der als „SchlĂŒssel des Schicksals“ interpretiert wird.[3]

Kultorte

In Este-Baratella (Provinz Padua) wurde ein offenbar bedeutendes Heiligtum der Reitia ausgegraben.[4] Es wurde im 7. Jahrhundert v. Chr. von Etruskern gegrĂŒndet. Die zahlreichen Funde datieren bis ins 2./3. Jahrhundert n. Chr. Weitere Tempel wurden in Vicenza, Monte MalgrĂš bei Schio und in den Provinzen Treviso und Belluno identifiziert.[5] Ob sich ein Tempel der Reitia an der Stelle der Basilika des Hl. Antonius von Padua befunden hat,[6] bleibt Vermutung.

Name

Ihr Name könnte mit proto-germanisch *wreitan, „schreiben“ (vgl. engl. write) (entfernt) verwandt sein.[7] Die Bezeichnung der RĂ€ter (῏αÎčÏ„ÎżÎŻ (RhaitoĂ­) bzw. Raeti) fĂŒr ein den Venetern benachbartes Volk oder eine Gruppe von Völkern im mittleren Alpenraum könnte auf eine Kultgemeinschaft der demnach dort als Magna Mater verehrten Göttin hindeuten.[8] Sprachlich waren die RĂ€ter, nach neueren Erkenntnissen, den Etruskern eng verwandt, von welchen die Veneter ihre Alphabetschrift ĂŒbernahmen und an die RĂ€ter weitervermittelten.[9]

Rezeption

Die geologische Formation Reitia Chasma auf dem Planeten Venus wurde nach der Göttin benannt.

Bibliographie

  • Pippa Steel, "Reitia, Venetic goddess of writing, CREWS Project 1. September 2016 (zul. abger. 14. September 2020).
  • Sonja Ickler, Die Ausgrabungen im Reitia-Heiligtum von Este 1987-1991 / Gli scavi del santuario di Reitia a Este 1987-1991, Il Santuario di Reitia a Este, Bd. 6, (NĂŒnnerich-Asmus Verlag, 2013; ISBN 978-3-943904-17-8)
  • Rex E. Wallace, „Venetic“, in Roger D. Woodard, ed., The ancient languages of Europe (Cambridge, 2008).
  • Stefan Schumacher: Die rĂ€tischen Inschriften. Geschichte und heutiger Stand der Forschung. 2. Aufl. Innsbrucker BeitrĂ€ge zur Kulturwissenschaft Bd. 79. Sonderheft. Institut fĂŒr Sprachwissenschaft der UniversitĂ€t Innsbruck, Innsbruck 2004.
  • Harald Meller, Die Fibeln aus dem Reitia-Heiligtum von Este (Ausgrabungen 1880-1916), Il Santuario di Reitia a Este, Bd. 1.1, (Vlg. Philipp von Zabern, Mainz 2002)
  • Marcel Detienne, The writing of Orpheus: Greek myth in cultural context (Johns Hopkins, 2002).
  • Zavaroni Adolphus, Ancient North Italian Inscriptions from Este, 2001
  • Culto di Reitia, Corriere della Sera 15. September 1996 (zul. abger. 14. September 2020).
  • Osmund Menghin, Zum RĂ€terproblem, in: Studien zur Namenskunde und Sprachgeographie. Festschrift fĂŒr Karl Finsterwalder, Innsbrucker BeitrĂ€ge zur Kulturwissenschaft Bd. 16, hrsg. Wolfgang Meid, Hermann M. Ölberg, Hans Schmeja, Innsbruck 1971, S. 9–14.

Einzelnachweise

  1. ↑ Harald Meller, Die Fibeln aus dem Reitia-Heiligtum von Este (Ausgrabungen 1880-1916), Il Santuario di Reitia a Este, Bd. 1.1, (Vlg. Philipp von Zabern, Mainz 2002), S. 19; Sonja Ickler, Die Ausgrabungen im Reitia-Heiligtum von Este 1987-1991 / Gli scavi del santuario di Reitia a Este 1987-1991, Il Santuario di Reitia a Este, Bd. 6, (NĂŒnnerich-Asmus Verlag, 2013), S. 12; Pippa Steel, "Reitia, Venetic goddess of writing, CREWS Project 1. September 2016, zul. abger. 14. September 2020
  2. ↑ Culto di Reitia, Corriere della Sera 15. September 1996, zul. abger. 14. September 2020
  3. ↑ Culto di Reitia, Corriere della Sera 15. September 1996, zul. abger. 14. September 2020
  4. ↑ Sonja Ickler, Die Ausgrabungen im Reitia-Heiligtum von Este 1987-1991 / Gli scavi del santuario di Reitia a Este 1987-1991, Il Santuario di Reitia a Este, Bd. 6, NĂŒnnerich-Asmus Verlag, 2013
  5. ↑ "Forschungsstelle Reitia" der UniversitĂ€t zu Köln, Institut fĂŒr Ur und FrĂŒhgeschichte (zul. abger. 14. September 2020).
  6. ↑ Culto di Reitia, Corriere della Sera 15. September 1996, zul. abger. 14. September 2020
  7. ↑ Marcel Detienne, The writing of Orpheus: Greek myth in cultural context (Johns Hopkins, 2002), S. 126
  8. ↑ Osmund Menghin, Zum RĂ€terproblem, in: Studien zur Namenskunde und Sprachgeographie. Festschrift fĂŒr Karl Finsterwalder, Innsbrucker BeitrĂ€ge zur Kulturwissenschaft Bd. 16, hrsg. Wolfgang Meid, Hermann M. Ölberg, Hans Schmeja, Innsbruck 1971, S. 12
  9. ↑ Stefan Schumacher: Die rĂ€tischen Inschriften. Geschichte und heutiger Stand der Forschung. 2. Aufl. Innsbrucker BeitrĂ€ge zur Kulturwissenschaft Bd. 79. Sonderheft. Institut fĂŒr Sprachwissenschaft der UniversitĂ€t Innsbruck, Innsbruck 2004, S. 294–318