Puro, Chile ist die NationalhymneChiles. Sie besteht aus der Strophe „Puro, Chile“, die einer längeren Freiheitsdichtung des chilenischen Dichters Eusebio Lillo (1847) entnommen ist, und dem Kehrvers „Dulce patria“, den der argentinische Dichter Bernardo de Vera y Pintado im Auftrag des chilenischen Revolutionsführers Bernardo O’Higgins verfasste (1818). Die Musik ist ein Auftragswerk des im britischen Exil wirkenden katalanischen Komponisten Ramón Carnicer (1828) und beruht auf einer damals noch unveröffentlichten Vorlage aus der 1833 uraufgeführten Oper Lucrezia Borgia von Gaetano Donizetti. 1909 wurden Text und Melodie der Hymne erstmals gesetzlich festgelegt und 1910 offiziell herausgegeben. Seit 1990 ist die Aufführungsweise der Hymne mit den beiden in dieser Reihenfolge gesungenen Bestandteilen gesetzlich festgelegt.
Puro, Chile, es tu cielo azulado,
puras brisas te cruzan también;
y tu campo de flores bordado
es la copia feliz del Edén.
Majestuosa es la blanca montaña
: que te dio por baluarte el Señor; : (2x)
: y ese mar que tranquilo te baña
te promete futuro esplendor. : (2x)
Kehrvers:
Dulce patria, recibe los votos
con que Chile en tus aras juró:
: que o la tumba serás de los libres
o el asilo contra la opresión, : (3x)
: o el asilo contra la opresión. : (2x)
Übersetzung (C. Wehrhahn, 1957)
Strophe:
Rein strahlt, Chile, Dein Himmel, der blaue,
reine Brisen Dich stetig durchwehn,
und beim Anblick der blühenden Aue,
deucht uns Eden auf Erden zu sehn.
Hoheitsvoll sind die schneeigen Anden,
: die Dir Gott als ein Bollwerk vermacht, : (2x)
: und Dein Meer, dessen Wogen sanft branden,
ist Versprechen von künftiger Pracht. : (2x)
Kehrvers:
Teure Heimat erhör jene Schwüre,
die Dir Chile am Altar entbot:
: Als sein Grab Dich der Freie erküre,
oder Zuflucht sei Du vorm Despot. : (3x)
: Oder Zuflucht sei Du vorm Despot. : (2x)
Text der Gesamtdichtung
Himno Nacional de Chile
Spanisch
Deutsch
Refrain
Dulce Patria, recibe los votos
con que Chile en tus aras juró
que o la tumba serás de los libres
o el asilo contra la opresión.
Teure Heimat erhör jene Schwüre,
die Dir Chile am Altar entbot:
als sein Grab Dich der Freie erküre,
oder Zuflucht sei Du vorm Despot.
Erste Strophe
Ha cesado la lucha sangrienta;
ya es hermano el que ayer invasor;
de tres siglos lavamos la afrenta
combatiendo en el campo de honor.
El que ayer doblegábase esclavo
hoy ya libre y triunfante se ve;
libertad es la herencia del bravo,
la Victoria se humilla a su pie.
Beigelegt ist das blutige Kämpfen;
der Bedrücker heut Bruder sich nennt;
Des Vasallentums Schmach wir bekämpfen
auf dem Feld wo man Ehre bekennt.
Der noch gestern demütige Sklave,
heute frei, ohne Sorgen sich wiegt;
denn die Freiheit die erbt stets der Brave;
und der Sieg dann zu Füssen ihm liegt.
Zweite Strophe
Alza, Chile, sin mancha la frente;
conquistaste tu nombre en la lid;
siempre noble, constante y valiente
te encontraron los hijos del Cid.
Que tus libres tranquilos coronen
a las artes, la industria y la paz,
y de triunfos cantares entonen
que amedrenten al déspota audaz.
Ohne Makel die Stirn, Chile, zeige;
Deinen Kriegsruhm preist längst der Granit;
immer edel und standhaft, nie feige,
Dich empfanden die Söhne des Cid.
Lass die Freien mit Musse sie krönen
Deine Wirtschaft, Dein geistiges Gut,
und ein Siegeslied soll dann ertönen,
dem Tyrannen stets nehmend den Mut.
Dritte Strophe
Vuestros nombres, valientes soldados,
que habéis sido de Chile el sostén,
nuestros pechos los llevan grabados;
los sabrán nuestros hijos también.
Sean ellos el grito de muerte
que lancemos marchando a lidiar,
y sonando en la boca del fuerte
hagan siempre al tirano temblar.
Eure Namen ihr tapferen Streiter,
die ihr Chiles Erhalter stets seid,
in der Brust unser lebt ihr stets weiter,
auch die Söhne sie wissen Bescheid.
Lasst sie klingen als kämpfrische Kunde,
wenn wir schreiten zum Streite aufs Feld,
und der Mutige trag sie im Munde;
beben soll der Tyrann vor dem Held.
Vierte Strophe
Si pretende el cañón extranjero
nuestros pueblos, osado, invadir;
desnudemos al punto el acero
y sepamos vencer o morir.
Con su sangre el altivo araucano
nos legó, por herencia, el valor;
y no tiembla la espada en la mano
defendiendo, de Chile, el honor.
Sollten Feindeskanonen sich mühen
unser Land zu erobern mit List,
lasst das Schwert aus der Scheide uns ziehen
und der Sieg oder Tod sei zur Frist.
Mit dem Blute, der stolze Araukaner
hat vermacht uns den trotzigen Mut;
und das Schwert bebet nicht, wenns das Banner
Chiles Ehre verteidigt mit Glut.
Fünfte Strophe
Puro, Chile, es tu cielo azulado,
puras brisas te cruzan también,
y tu campo de flores bordado
es la copia feliz del Edén.
Majestuosa es la blanca montaña
que te dio por baluarte el Señor,
Y ese mar que tranquilo te baña
te promete futuro esplendor.
Rein strahlt, Chile, Dein Himmel, der blaue,
reine Brisen Dich stetig durchwehn,
und beim Anblick der blühenden Aue,
deucht uns Eden auf Erden zu sehn.
Hoheitsvoll sind die schneeigen Anden,
die Dir Gott als ein Bollwerk vermacht,
und Dein Meer, dessen Wogen sanft branden,
ist Versprechen von künftiger Pracht.
Sechste Strophe
Esas galas, ¡oh, Patria!, esas flores
que tapizan tu suelo feraz,
no las pisen jamás invasores;
con tu sombra las cubra la paz.
Nuestros pechos serán tu baluarte,
con tu nombre sabremos vencer,
o tu noble, glorioso estandarte,
nos verá, combatiendo, caer.
Jene Pracht, Du mein Land! Jene Blüte
die auf fruchtbarem Boden gedeiht,
sie zu treten der Feind sich stets hüte;
Friedens Schatten schirm sie allezeit.
unsre Brust sei Dir Bollwerk und Warte,
und Dein Name verhelf uns zum Sieg;
sonst, du edle, ruhmreiche Standarte,
siehst du kämpfend uns fallen im Krieg.
Deutsche Übersetzung von César Wehrhahn (1957), abgedruckt bei Canales S. 43 f.
Geschichte
Die erste chilenische Nationalhymne, aus welcher der bis heute verwendete Kehrvers stammt, entstand 1818/19 nach der Schlacht von Maipú im Auftrag der Führung der chilenischen Patrioten unter Bernardo O’Higgins als Gemeinschaftswerk des argentinischen Juristen und Dichters Bernardo de Vera y Pintado (1780–1827) und des chilenischen Musikers Manuel Robles (1780–1837). Sie wurde am 20. August 1820 in Santiago de Chile uraufgeführt und in den ersten Jahren der Unabhängigkeit besonders als patriotische Rahmung von Theateraufführungen häufig gespielt.
Als Ersatz für die vielfach kritisierte Musik von Robles bestellte der damals als Gesandter Chiles in London tätige chilenische Staatsmann Mariano Egaña bei dem dort im Exil lebenden Ramón Carnicer 1827 eine neue Melodie, die den bestehenden Liedtext neu vertonen sollte. Carnicer, der 1828 nach Barcelona zurückkehrte, war ein glühender Verehrer Donizettis und benutzte für die Komposition eine ihm bekannte, damals noch nicht veröffentlichte Vorlage des italienischen Meisters (die sich in der Schluss-Stretta des Prologs der 1833 uraufgeführten Donizetti-Oper Lucrezia Borgia wiederfindet).[1][2] Die Komposition im italienischen Opernstil beginnt mit einem instrumentalen Vorspiel, dem Strophe und Refrain folgen. Die Uraufführung der neuen Melodie fand bei einem Weihnachtskonzert am 23. Dezember 1828 statt, bei dem auch die bisherige Hymne von Robles gespielt wurde.[3] In den folgenden Jahren konkurrierten die beiden Stücke zunächst noch miteinander. Später geriet die Melodie von Robles in Vergessenheit und wurde 1868 von dem chilenischen Komponisten José Zapiola rekonstruiert.
Der sehr kampfbetonte und spanienfeindliche Text des nationalen Liedes stieß auf zunehmende Proteste der spanischen Gemeinde in Chile und galt seit den 1840er Jahren als nicht mehr zeitgemäß. Die Spanier wurden in dem Text unter anderem als „Monster“ bezeichnet, denen man „das Genick brechen“ solle.[4] Nach der Anerkennung Chiles durch Spanien 1844 und Entsendung des ersten spanischen Botschafters 1847 gab die chilenische Regierung auf dessen Ersuchen eine Neuschöpfung des Textes bei dem jungen Dichter und damaligen Ministerialbeamten Eusebio Lillo in Auftrag, dessen Gedicht von Andrés Bello, dem Sprachgelehrten und Gründer der chilenischen Nationaluniversität, redigiert wurde. Da Bello den von Lillo vorgeschlagenen Refrain des Liedes als zu anmaßend empfand und ablehnte, übernahm man den einleitenden Chorvers „Dulce patria“ aus dem alten Text von Vera y Pintado als Kehrvers. Die neue Hymne wurde im September 1847 in den maßgeblichen chilenischen Zeitungen publiziert, blieb aber zunächst wenig populär. Als nationales Identifikationssymbol galt jahrzehntelang allein der weithin bekannte Kehrvers. Erst in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts setzte sich der Brauch durch, bei Aufführungen die fünfte Strophe „Puro, Chile“ aus Lillos Gesang zusammen mit dem Refrain von Vera y Pintado anzustimmen. 1909 wurde die Gestalt der Nationalhymne von Pedro Montt per Präsidialdekret erstmals gesetzlich beschrieben und 1910 anlässlich der Feiern zum hundertsten Jahrestag der ersten Unabhängigkeit Chiles ein amtlicher Text veröffentlicht.
Die aktuell gültige Fassung der Hymne wurde am 24. Juli 1941 durch ein Dekret des Präsidenten Pedro Aguirre Cerda festgelegt. Zwischen der ursprünglichen Dichtung (letzte Hand 1904), ihrer 1909/10 zur Nationalhymne bestimmten Fassung und der heutigen offiziellen Version gibt es einzelne geringfügige Textabweichungen, welche die Grundstruktur aber nicht berühren. So besitzt der erste Vers der fünften Strophe in Lillos 1904 eingereichtem Manuskript die Form „Puro es, Chile, tu cielo azulado“ (statt Puro, Chile, es tu cielo azulado); und in der 1910 veröffentlichten Textfassung war in der vorletzten Zeile der Strophe das Wort tranquilo („ruhig“, „sanft“) durch extendido („ausgedehnt“, „weit“) ersetzt, was 1941 rückgängig gemacht wurde.
In der Zeit der chilenischen Militärdiktatur unter Augusto Pinochet zwischen 1973 und 1989 wurde es unter Regimeanhängern üblich, zusätzlich zu dem traditionellen Gesang auch die dritte Strophe des Liedes von Lillo zu singen, die das Soldatentum verherrlicht. Diese Praxis wurde 1990 mit der Transition in Chile abgeschafft und die traditionelle Aufführungsweise gesetzlich festgeschrieben.[4][5]
Die bestimmende Leitidee beider Fassungen des nationalen Liedes ist die Freiheit, weshalb die chilenische Hymne auch als Lied der Freien bezeichnet wird.
Osiel Vega Durán: Himno Nacional de la República de Chile. Antología de versiones Vocales e Instrumentales. Veröffentlichung des Fachbereichs Musik der Kulturabteilung des chilenischen Erziehungsministeriums und der Chilenischen Gesellschaft für Urheberrecht (SCD), Santiago de Chile 2000 (spanisch, online; Rezension).
Sergio Barría: Análisis melódico y rítmico del Himno Nacional, Canción Nacional o Himno Patrio de la República de Chile. In: Revista Musical Chilena, ISSN 0716-2790, Bd. 14, Nr. 73 (September/Oktober 1960), S. 97–108 (spanisch, online).
Clemente Canales Toro: Canción nacional de Chile. Edición crítica de la letra. Editorial Andrés Bello, Santiago de Chile 1960 (spanisch, online).
Weblinks
Historia de Chile, Schulbuchtext zur Geschichte der chilenischen Nationalhymne auf dem chilenischen Lehrtextportal icarito.cl (spanisch)
↑Die Strophenmelodie der Hymne von Carnicer und das Aktfinale Maffio Orsini, signora, son io stimmen in den ersten drei Takten exakt überein; vgl. Vega Durán, Himno Nacional de la República de Chile, S. 6.