Preußen hatte sich in § 13 der Deutschen Bundesakte verpflichtet, eine landständige Verfassung zu erlassen. Es wurde jedoch kein allgemeiner Landtag eingesetzt, sondern es wurden auf Provinzebene Provinziallandtage geschaffen. Rechtsgrundlage war das Allgemeine Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände vom 5. Juni 1823.[1] Für die Provinz Schlesien erfolgte dies durch das Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände für das Herzogthum Schlesien, die Grafschaft Glatz und das preußische Markgrafthum Oberlausitz vom 27. März 1824.[2] Der so geschaffene Provinziallandtag bestand aus vier Ständen:
Der erste Stand, der Fürstenstand, setzte sich aus den Standesherren zusammen. Dieser umfasste zunächst sechs, ab 1827 dann 10 Abgeordnete. Drei (ab 1827: sieben) davon waren Virilstimmen für die jeweiligen Fürsten, die letzten drei Mandate waren den Inhabern der anderen Freien Standesherrschaften als Kuriatstimme gemeinsam:
Der zweite Stand, die Ritterschaft setzte sich aus 36 Abgeordneten zusammen. Von diesem wurden im Herzogtum Schlesien und der Grafschaft Glatz 30 und im Markgraftum Oberlausitz sechs Mitglieder gewählt. Wahlberechtigt waren die Besitzer eines Ritterguts in der Provinz.
Der dritte Stand, die Städte stellten 28 Abgeordneten (ab 1827: 30). Davon wurden im Herzogtum Schlesien und der Grafschaft Glatz 24 (ab 1827: 26) und im Markgraftum Oberlausitz vier Abgeordnete gewählt.
Der vierte Stand, die übrigen Gutsbesitzer, Erbpächter und Bauern setzte sich aus 14 (ab 1827: 16) Abgeordneten zusammen. Von diesen wurden im Herzogtum Schlesien und der Grafschaft Glatz 12 (ab 1827: 14) und im Markgraftum Oberlausitz zwei Mitglieder gewählt.
Die Mitglieder wurden jeweils auf sechs Jahre gewählt. Alle drei Jahre schied die Hälfte der Abgeordneten aus und wurde neu gewählt. Die Wahl erfolgte in Wahlbezirken. Wahlberechtigt waren Männer, die das 24. Lebensjahr vollendet hatten und seit 10 Jahren über einen entsprechenden Grundbesitz verfügten. Es wurden auch Stellvertreter gewählt. Die Standesherren konnten sich auf den Landtagen vertreten lassen. Der Vorsitzende des Landtags, der Landtagsmarschall, wurde vom König ernannt und entstammte den ersten beiden Kurien. Der Landtag verfügte über kein Selbstversammlungsrecht, sondern wurde vom König einberufen, vertagt und geschlossen. Die Beratungen des Landtags wurden in einem Landtagsabschied zusammengefasst. Regulär sollten Sitzungen zunächst alle zwei Jahre erfolgen.
Sitzungsperioden
Die Sitzungsperioden des Provinziallandtags der Provinz Schlesien waren:
Im Oktober 1842 wurde der Landtagsausschuss erstmals gemeinsam mit den ständischen Ausschüssen der anderen Provinzen zu einer „Versammlung der vereinigten ständischen Ausschüsse sämmtlicher Provinzen der Preußischen Monarchie“ berufen. Die Mitglieder des Provinziallandtags waren 1847 und 1848 Mitglieder des „Ersten bzw. Zweiten Vereinigten Landtags der Preußischen Monarchie“ nach der Verfassung vom 3. Februar 1847.
Nach der Märzrevolution wurde der Provinziallandtag durch die Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung vom 11. März 1850[4] aufgehoben. In der Reaktionsära erfolgte die Wiederherstellung vorläufig durch den Erlaß des königlich preußischen Ministeriums des Innern vom 28. Mai 1851, bestätigt durch den Allerhöchsten Erlaß vom 19. Juni 1852[5] und zuletzt durch das Gesetz über die Aufhebung der … Provinzial-Ordnung vom 11. März 1850 vom 24. Mai 1853[6]
Die Neuregelungen der Provinzialordnung von 1875
Mit der Provinzialordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 29. Juni 1875[7] wurde die Wahl und die Aufgaben des Provinziallandtags der Provinz Schlesien völlig neu geregelt. Der Provinziallandtag bestand nun aus Abgeordneten der Land- und Stadtkreise der Provinz Schlesien. Jeder Kreis wählte zwei Abgeordnete. Kreise mit mehr als 50.000 Einwohnern wählten drei Abgeordnete, bei größeren Kreisen kam für jede volle Zahl von weiteren 50.000 Einwohnern ein weiterer Abgeordneter hinzu. Die Abgeordneten der Landkreise wurden von den Kreistagen gewählt. Die Abgeordneten mussten weiterhin ein Mindestalter von 30 Jahren haben. Die Wahldauer betrug sechs Jahre. Die erste Wahl erfolgte 1875. Es wurden keine Stellvertreter gewählt, stattdessen kam es zu Ergänzungswahlen. Der Vorsitzende des Provinziallandtages wurde nun von diesem selbst gewählt.[8]
Nach der Novemberrevolution vom 9. November 1918 wurden in Preußen 1919 für die Parlamente und der kommunalen Volksvertretungen allgemeine und gleiche Wahlen nach dem Verhältniswahlrecht durchgeführt und erstmals auch das Frauenwahlrecht bewilligt. Hierbei wurden allerdings die Provinziallandtage nicht neu gewählt. Das Gesetz betreffend die Neuwahl der Provinziallandtage vom 16. Juli 1919[9] regelte, dass die Provinziallandtage aufgelöst und durch die (nun demokratisch gewählten) Kreistage bis zum 1. September 1919 neu gewählt werden sollten.
Mit dem Gesetz, betreffend die Errichtung einer Provinz Oberschlesien vom 14. Oktober 1919 wurde die Provinz Schlesien in die Provinz Oberschlesien und Provinz Niederschlesien aufgeteilt. Aufgrund des Friedensvertrages von Versailles kam es hier auch zu größeren Gebietsabtretungen. Entsprechend wurde ein Provinziallandtag der Provinz Oberschlesien und ein Provinziallandtag der Provinz Niederschlesien gebildet; damit endete die Geschichte des Provinziallandtags der Provinz Schlesien. Die Mitglieder des letzten Provinziallandtags der Provinz Schlesien wurden mit der Aufteilung ohne Neuwahlen je nach Wahlbezirk Abgeordnete der neuen Provinziallandtage.
Der Provinziallandtag tagte ursprünglich im Breslauer Stadtschloss. 1893–1896 wurde das Landeshaus der Provinz Schlesien als eigenes Parlamentsgebäude errichtet. Seit 1945 ist es Sitz der Obersten Technischen Organisation (polnisch: Naczelna Organizacja Techniczna).
Roland Gehrke: Landtag und Öffentlichkeit: provinzialständischer Parlamentarismus in Schlesien 1825–1845, Band 17 von Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte, 2009, ISBN 978-3-412-20413-6, Teildigitalisat.