Peter Ferdinand Drucker (* 19. November1909 in Wien, Österreich-Ungarn; † 11. November2005 in Claremont, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Ökonom österreichischer Herkunft. Seit den 1940er Jahren veröffentlichte er zahlreiche einflussreiche Werke über Theorie und Praxis des Managements. Er gilt als ein Pionier der modernen Managementlehre und als origineller und unabhängiger Denker. Drucker bemühte sich in seinen Werken um Klarheit und Übersicht. Auf einen wissenschaftlichen Apparat und Mitarbeiterstab verzichtete er weitgehend. Seine 35 Bücher wurden über 5 Millionen Mal verkauft.[1]
Der in Wien als Sohn einer großbürgerlichen jüdischen Familie aufgewachsene Peter F. Drucker studierte in den 1920er Jahren an der Universität Hamburg und ging dann an die Universität Frankfurt, wo er Rechtswissenschaften und Geschichte studierte und Redakteur für Internationale Beziehungen und Wirtschaft beim Frankfurter General-Anzeiger wurde. Als Jurastudent in Frankfurt lernte er Fritz Kraemer kennen, der später in die USA emigrierte, dort zum „Geostrategen“ avancierte und mit dem er zeitlebens befreundet blieb. Drucker beschrieb Kraemer in seiner Autobiographie als „den Mann, der Kissinger erfand“.[2] Drucker war es auch, der Kraemer nach dessen Emigration in die USA 1939 Zugang zu hochrangigen Sicherheitskreisen verschaffte und so dessen Karriere im US-Verteidigungsministerium wesentlich förderte bzw. erst ermöglichte. Drucker promovierte 1931 in Frankfurt über „Die Rechtfertigung des Völkerrechts aus dem Staatswillen. Eine logisch-kritische Untersuchung der Selbstverpflichtungs- und Vereinbarungslehre.“ Carl Schmitt bot ihm an, seine Habilitationsschrift zu betreuen, von der nur ein Abschnitt über Friedrich Julius Stahl abgeschlossen wurde.
Das NS-Regime setzte sein Werk über Friedrich Julius Stahl auf die Liste der Bücher, die am 10. Mai 1933 öffentlich verbrannt wurden. Drucker emigrierte nach Großbritannien und arbeitete in London als Wertpapieranalyst und für die Financial Times. 1937 übersiedelte er in die USA und wurde Professor für Philosophie und Politik am Bennington College in Bennington (Vermont). 1939 erschien sein Buch The End of Economic Man, in welchem er versuchte, das Phänomen des Faschismus mit einem existenzphilosophischen Ansatz zu erklären. 1943 wurde er US-Staatsbürger. 1945 schrieb er in Bennington eines seiner klassischen Werke, Concept of the Corporation.
Peter Drucker wechselte 1950 an die New York University und arbeitete in den Folgejahren an zahlreichen Publikationen zur Managementlehre, schrieb regelmäßig für das Wall Street Journal und arbeitete als Berater zahlreicher internationaler Konzerne wie General Motors und Sears Roebuck.
1971 wechselte er zur Claremont Graduate University in der Nähe von Los Angeles. Dort wurde die Peter F. Drucker Graduate School of Management at Claremont University eingerichtet, die jährlich den Peter F. Drucker Award for Nonprofit Innovation (Auszeichnung für Innovationen auf dem nicht an Profit orientierten Sektor) vergibt.
Am 9. Juli 2002 wurde Drucker die Presidential Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung der USA, von George W. Bush verliehen. In mehreren Rankings wurde er zum einflussreichsten Managementdenker aller Zeiten gewählt.[4]
Drucker hielt Marketing und Innovationen für bedeutsamere Schlüssel zum Unternehmenserfolg als Profitstreben. Er setzte ferner auf motivierte Mitarbeiter im künftigen Wettbewerb der Unternehmen. Von den Börsenhändlern an der Wall Street hielt er wenig. Wenn Broker günstiger als Investoren abschnitten, kündige sich ein Crash an, war er überzeugt.[5] Manche der von ihm erstmals verwendeten Begriffe sind in die Umgangssprache eingegangen, etwa „Wissensarbeiter“ oder „Kernkompetenz“.[6] Von Konzepten wie „Business-Process-Reengineering“, „Wertstromanalyse“ oder „Six Sigma“ ließ sich Drucker kaum beeinflussen.
Positionen
Peter Drucker warf bereits 1942 in seinem Werk The Future of the Industrial Man Fragen auf, die viel später unter dem Begriff Corporate Governance diskutiert wurden.[7]
Für seinen 1989 erschienenen Aufsatz Sell the Mailroom wurde er postum 2009 in die Outsourcing Hall of Fame aufgenommen.[8]
Er warnte oft vor Management-Moden, die in der Regel auf vergangene Erfolge oder unrealistische Trendfortschreibungen fixiert seien. Er kritisierte die Überbewertung von Fallstudien und mangelhaften Praxisbezug in der Management-Ausbildung. Den Kult um Star-Manager sah er sehr kritisch; überhohe Managergehälter sah er als Krisensymptom.[7]
Peter Drucker hat in den USA auch viele Non-Profitorganisationen und Kirchen beraten, beeinflusst und mitgeprägt. Dazu gehörten auch das Rote Kreuz, das Blaue Kreuz und die Pfadfinder. Theologen, Kirchenführer und Meinungsmacher wie Bill Hybels, Gordon MacDonald und Rick Warren trafen sich ebenfalls regelmäßig mit Peter Drucker an sogenannten A day with Peter Drucker (deutsch: Ein Tag mit Peter Drucker), um von seinen großen Kenntnissen in Führung und Management zu lernen.[11]
Veröffentlichungen
Bücher
The End of Economic Man, New York: John Day Co., 1939
deutsche Ausgabe als Ursprünge des Totalitarismus: Das Ende des Homo Oeconomicus, Karolinger, Wien/Leipzig 2010, ISBN 978-3-85418-140-8
The Future of Industrial Man. A Conservative Approach, New York: John Day Co., 1942
deutsche Ausgabe als Die Zukunft der Industriegesellschaft, Düsseldorf: Econ, 1967
Concept of the Corporation, New York: John Day Co., 1946
deutsche Ausgabe als Das Großunternehmen, Düsseldorf: Econ, 1966
The New Society: The Anatomy of Industrial Order. Harper & Row, New York 1950
deutsche Ausgabe als Gesellschaft am Fließband. Eine Anatomie der gesellschaftlichen Ordnung. Frankfurt/M.: Verlag der Frankfurter Hefte, 1950
The Practice of Management. Harper & Row, New York 1954 (Reprint 2006, ISBN 978-0-06-087897-9)
deutsche Ausgabe: Die Praxis des Managements. Düsseldorf: Econ, 1956, 1970 & 1998
America's Next Twenty Years (Aufsatzsammlung). Harper & Row, New York 1955
Ein Blick auf die Wirtschaftsentwicklung der westlichen Welt. Die nächsten zwanzig Jahre. Düsseldorf: Econ, 1957
The Landmarks of Tomorrow. Harper & Row, New York: Harper, 1957
Das Fundament für morgen. Düsseldorf: Econ, 1958
Technology, Management, and Society: Essays by Peter Drucker 1958
Managing for Results: Economic Tasks and Risk-Taking Decisions. Harper & Row, New York 1964
Sinnvoll wirtschaften. Notwendigkeit und Kunst, die Zukunft zu meistern, Düsseldorf: Econ, 1965
The Effective Executive, Harper & Row, New York 1967
deutsche Ausgabe als The Effective Executive: Effektivität und Handlungsfähigkeit in der Führungsrolle gewinnen, München 2014
Die ideale Führungskraft. Die Hohe Schule des Managers. Düsseldorf: Econ, 1967; Knaur Taschenbuch 248, ISBN 3-426-00248-5
The Age of Discontinuity: Guidelines to Our Changing Society. Harper & Row, New York, 1969
Die Zukunft bewältigen. Aufgaben und Chancen im Zeitalter der Ungewißheit, Düsseldorf: Econ, 1969 & 1998
The Unseen Revolution: How Pension Fund Socialism Came to America. Harper & Row, New York, 1976
Die unsichtbare Revolution. Die Mitarbeiter-Gesellschaft und ihre Aufgabe, Düsseldorf: Econ, 1997
Management Cases, Harper & Row, New York, 1977
An Introductory View of Management, Harper & Row, New York, 1977
People and Performance: The Best of Peter Drucker on Management, Harper’s College Press, New York, 1977
Adventures of a Bystander (Autobiographie), 344 Seiten, Harper & Row, New York 1979; erw. Auflage 1998, ISBN 0-471-24739-1
Zaungast der Zeit. Ungewöhnliche Erinnerungen an das 20. Jahrhundert. Düsseldorf: Econ, 1981
Managing in Turbulent Times, Harper & Row, New York, 1980
Toward the Next Economics, and Other Essays, Harper & Row, New York, 1981
The Changing World of the Executive, Truman Talley Books, Times Books, New York, 1982
The Last of All Possible Worlds: A Novel, Harper & Row, New York, 1982
Bevor die Lichter erloschen (Roman), Wien: Amalthea, 1985
The Temptation to Do Good, Heinemann, London, 1984
Weltwirtschaftswende. Tendenzen für die Zukunft, Wirtschaftsverlag Langen-Müller/Herbig, München, 1984
Innovation and Entrepreneurship: Practice and Principles, Harper & Row, New York, 1985
Innovations-Management für Wirtschaft und Politik, Düsseldorf: Econ, 1985
Der Skandal von St. Jerome (Roman), Düsseldorf: Marion von Schröder Verlag, 1986
The Frontiers of Management: Where Tomorrow's Decisions are Being Shaped Today, Truman Talley Books/Dutton, New York 1986; deutsch: Die Chance des Unternehmers. Signale für das Management von morgen 1987 Econ Verlag; Heyne Sachbuch 104, ISBN 3-453-04015-5
The New Realities: In Government and Politics, in Economics and Business, in Society and World View, Harper & Row, New York, 1989
Neue Realitäten. Wertewandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Düsseldorf: Econ, 1989
Managing the Non-Profit Organization: Practices and Principles, HarperCollins, New York, 1990
Drucker in the „Harvard Business Review“ 1963–1989 (Aufsatzsammlung). Boston: Harvard Business School Press, 1991
Our Changing Economic Society: The Best of Drucker's Thinking on Economic and Societal Change (Aufsatzsammlung). HarperCollins, Keystone, 1991
Managing for the Future: The 1990s and Beyond. New York: Truman Talley Books/Dutton, 1992
Post-Capitalist Society. New York: HarperCollins, 1993
Die postkapitalistische Gesellschaft. Düsseldorf: Econ, 1993
The Ecological Vision: Reflections on the American Condition. New Brunswick / N.J.: Transaction Publishers, 1993
Managing in a Time of Great Change, New York: Truman Talley Books/Dutton, 1995
The Pension Fund Revolution, New Brunswick: Transaction Publishers, 1996
Drucker on Asia: The Drucker-Nakauchi Dialogue, New York: Butterworth-Heinemann, 1997
Die globale Herausforderung, Düsseldorf: Econ, 1996
Peter Drucker on the Profession of Management, Cambridge: Harvard Business School Press, 1998
Management Challenges for the 21st Century, New York: HarperCollins, 1999
deutsche Ausgabe: Management im 21. Jahrhundert, Düsseldorf: Econ, 1999, ISBN 3-430-12238-4
Tony H. Bonaparte, John E. Flaherty (Hrsg.): Peter Drucker. Contributions to business enterprise. New York University Press, New York 1970, ISBN 0-8147-0951-6
Sven Papcke: Deutsche Soziologie im Exil. Gegenwartsdiagnose und Epochenkritik 1933–1945. Campus, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-593-34862-4 (darin Kapitel VI: Flucht aus dem Chaos S. 121–140).
John E. Flaherty: Peter Drucker. Shaping the managerial mind. Jossey-Bass, San Francisco 1999, ISBN 0-7879-4764-4 (Biografie mit Bibliografie)
Winfried W. Weber (Hrsg.): Peter Drucker – der Mann, der das Management geprägt hat. Erinnerungen und Ausblick zum 100. Geburtstag. Sordon, Göttingen 2009, ISBN 978-3-9810228-5-8
↑Thomas Härry: Ich und Peter Drucker. Zeitschrift AufAtmen, Witten, Ausgabe 4/2016, Seite 44.
↑So die Überschrift des Fritz Kraemer gewidmeten Kapitels in seiner Autobiographie Adventures of a Bystander von 1979; erw. Auflage 1998, („The Man Who Invented Kissinger“) S. 141–157.