Schon in den 1830er-Jahren gab es Pläne zur Übersiedlung des ungarischen Landtags aus Pressburg (Pozsony) in die ehemalige Hauptstadt Pest. Der von PalatinJoseph Anton Johann geförderte Architekt Mihály Pollack arbeitete dazu 1840 Pläne aus. 1844 wurde aber vom Landtag ein internationaler Wettbewerb ausgelobt, dessen Ergebnisse allerdings im Gefolge der revolutionären Wirren von 1848/49, während derer der Landtag tatsächlich nach Pest umzog, nicht umgesetzt wurden.
Nach dem Ende der Ära Bach und des Neoabsolutismus in Ungarn beschäftigte sich der Landtag ab 1861 erneut mit der Frage der Errichtung eines Parlamentsgebäudes in Pest. Der Architekt Ferenc Wieser erhielt den Zuschlag, erneut scheiterte der Bau allerdings an größeren politischen Ereignissen. 1865 durfte schließlich Miklós Ybl ein neues provisorisches Landtagsgebäude planen, das noch im selben Jahr in kürzester Zeit errichtet wurde und bis heute erhalten ist: Das Gebäude in der heutigen Sándor-Bródy-Straße 8 beherbergt derzeit das italienische Kulturinstitut in Budapest.
1873 vereinigten sich die drei Städte Buda, Pest und Óbuda zu Budapest. Sieben Jahre später beschloss man, ein neues und repräsentatives Parlamentsgebäude zu errichten, das die Eigenständigkeit und Souveränität der Nation symbolisieren sollte. Bei der folgenden Ausschreibung gewann am 22. April 1883 der ungarische Architekt Imre Steindl,[1] wobei auch die Pläne der weiteren Erstplatzierten in Bauten wie dem Justizpalast und dem Landwirtschaftsministerium umgesetzt wurden. Die meisten Wettbewerbsentwürfe waren im Stil der Neorenaissance gehalten, so auch die Beiträge von Otto Wagner mit zwei ungarischen Partnern und dem bekannten Büro Fellner & Helmer; Steindl dagegen orientierte sich am Vorbild des neogotischenPalace of Westminster in London.
Mit dem Bau des Parlaments wurde 1885 begonnen. Etwa 1000 Arbeiter waren die nächsten Jahre damit beschäftigt, über 40 Millionen Steine, darunter eine halbe Million Schmucksteine, für das Bauwerk aufeinanderzuschichten. Des Weiteren wurden etwa 40 Kilogramm Gold verwendet. Eröffnet wurde das Gebäude 1896 zu den Millenniumsfeierlichkeiten, endgültig abgeschlossen werden konnten die Bauarbeiten aber erst im Jahre 1904.
Tragisch für den Architekten Imre Steindl war, dass er sein Werk niemals zu Gesicht bekam, da er vor der Vollendung erblindete.
Das Gebäude
Die Fassade des Parlaments besteht aus neogotischen Elementen, die ihre Charakteristik durch die zahlreichen Türme und Giebel bekommen.
Das Parlament hat eine Länge von 268 Metern und eine Breite von 123 Metern. Mit seiner Höhe von 96 Metern ist es neben der St.-Stephans-Basilika das höchste Gebäude Budapests. Es besitzt 10 Innenhöfe, 13 Personen- und Lastenaufzüge, 27 Eingänge, 29 Treppenhäuser, 691 Räume (darunter mehr als 200 Räume für offizielle Anlässe und Empfänge) und 365 Türmchen.
Inneres
Das Innere des Gebäudes ist im Stil des Neoklassizismus gehalten. Es ist mit Fresken und Wandbildern geschmückt, die die Geschichte Ungarns darstellen. Überall im Parlament sind reiche, in Gold gehaltene Verzierungen zu finden. In einem Vorraum des Sitzungssaales ist der mit 7 mal 21 Metern größte geknüpfte Teppich Europas verlegt.
Das Parlamentsgebäude besteht aus drei Bereichen. Mittig angeordnet ist der beeindruckende Kuppelsaal, in dem die Stephanskrone mit den ungarischen Reichsinsignien aufbewahrt werden. Nördlich und südlich davon befinden sich die Sitzungssäle und Räume für repräsentative Zwecke sowie knapp 700 weitere Räume. Dazu gehören auch die Amtszimmer des Präsidenten der Republik, des Ministerpräsidenten und der Nationalversammlung. Da Ungarn zur Zeit des Baus ein Zweikammerparlament hatte, sind auch zwei weitgehend identische Sitzungssäle vorhanden. Während heute im südlichen Saal das heutige Einkammerparlament tagt wird der nördliche Saal des ehemaligen Oberhauses für Führungen genutzt oder kann gemietet werden.
Besonderheiten
Da die Sommer in Budapest heiß werden können, erdachte sich der Architekt des Parlaments eine besondere Art von Klimaanlage. Man platzierte zwei Springbrunnen vor dem Gebäude, unter denen man verborgene Öffnungen anbrachte. Diese Öffnungen dienten der Luftzufuhr und der Luftzirkulation. Dazu liefen Tunnel von den Brunnen bis in das Parlament und lieferten so die wassergekühlte Frischluft bis in die Sitzungssäle. Später wurden einige der Tunnel allerdings zugemauert. Die verbliebenen offenen Luftkanäle werden auch heute noch genutzt, so werden an heißen Sommertagen hier große Mengen an Eis deponiert, um die Räume des Parlaments zu kühlen.
Politisch bedingte Veränderungen
In den ehemaligen Amtsräumlichkeiten des Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses wurden 1929 drei Al-Secco-Gemälde angebracht, die ursprünglich János Hunyadi, Ferenc Kossuth und Miklós Horthy darstellten. Das Horthy darstellende Bild wurde nach 1945 entfernt, nach 1977 auch das sozialistisch-realistische Gemälde, das an seine Stelle getreten war. Durch den Wegfall des Magnatenhauses nach 1945 und die dadurch freiwerdenden Räumlichkeiten haben heute auch der Staatspräsident und der Ministerpräsident im Parlament ihre Arbeits- und Repräsentationsräume. Der ehemalige Sitzungssaal des Oberhauses wird für Tagungen und Kongresse genutzt.
Der im mittleren Teil angeordnete Kuppelsaal, mit seiner 96 Meter hohen und mit neogotischen Motiven geschmückten Kuppel, dient heute vor allem zu repräsentativen Zwecken. In den Sitzungssälen, nördlich und südlich angrenzend an den Kuppelsaal, werden Konferenzen und Sitzungen der Nationalversammlung durchgeführt. Der 1950 an der Spitze der Kuppel angebrachte Rote Stern wurde 1990 abgenommen und 1992 durch eine Nachbildung der originalen Spitze ersetzt.
Seit dem 1. Januar 2000 werden hier auch die Stephanskrone und die ungarischen Kronjuwelen aufbewahrt und durch die Kronwache mit ihren traditionellen Uniformen bewacht. Viele Ungarn nutzten seitdem die Gelegenheit, die wichtigsten Symbole der Nation zu besichtigen. Gruppenführungen werden in verschiedenen Sprachen, unter anderem auf Deutsch, durchgeführt.[2]
Park
Im Park hinter dem Gebäude, am Kossuth tér, findet man die beiden Statuen von Franz II. Rákóczi und Lajos Kossuth, die großen Anteil am ungarischen Kampf für die Unabhängigkeit des Landes hatten. Eine ewige Flamme auf einem weiteren Denkmal aus grauem Granit ehrt die Helden und Opfer des ungarischen Volksaufstandes von 1956.
Literatur (Auswahl)
Anton Palóczi: Die Entwürfe für das ungarische Parlamentsgebäude, Pester Lloyd, 27., 28. April, 1. Mai, 3. Mai 1883
Ludwig Hevesi: Vom neuen Reichstagsgebäude, Pester Lloyd, 12. März 1884
Imre Steindl: Az új országházról (Vom neuen Parlamentsgebäude), Akadémiai Értesítő X, 1899, S. 117–125
Lászlo Csorba, József Sisa, Zoltán Szalay: Das Ungarische Parlament, Budapest 1993
Galerie
Parlament in der Dämmerung, 2015
Eingangsbereich
Parlamentsgebäude und Denkmal für Ferenc II. Rákóczi abends. (Ansicht von Südosten)