Panini (Grammatiker)

Panini (Devanagari: पाणिनि, Pāṇini, [ˈpaːɳɪn̪ɪ]) war ein indischer Sanskrit-Grammatiker, der wahrscheinlich im 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr. lebte und in Taxila lehrte. Er verfasste die älteste erhaltene Grammatik des Sanskrits und damit die älteste erhaltene Grammatik überhaupt.

Geschichte

Ob Panini um 450 v. Chr. oder um 350 v. Chr. tätig war, ist unter heutigen Forschern umstritten.[1] Zu dieser Zeit verbreiteten sich in Indien die Sutras (Lehrbücher) als neue Form des Gedankenaustauschs. Panini fasste die Grammatik des klassischen Sanskrits in knapp viertausend Regeln zusammen, die unter dem Titel Aṣhṭādhyāyī (Sanskrit: अष्टाध्यायी, „acht Kapitel“) bekannt wurden. Er trennte die Wortstämme und Suffixe von Verben und Nomen und gelangte durch Verwendung metalinguistischer Symbole zu einer knappen, übersichtlichen Darstellung. Das Werk wurde in Indien eine maßgebende Autorität und vielfach kommentiert. Im 19. Jahrhundert wurde es im Zuge der britischen Kolonialisierung Indiens in den europäischen Ländern bekannt und regte analoge Grammatikstudien in anderen Sprachen an. Ferdinand de Saussure, Leonard Bloomfield und andere Strukturalisten wurden von dem Werk beeinflusst. Meyers Konversations-Lexikon kommentierte im Jahr 1907 wie folgt:

„Es ist ausgezeichnet durch eine überaus scharfsinnige Erforschung der Wurzeln und der Wortbildung wie durch die schärfste Präzision des Ausdrucks und die Durchführung einer überkünstlichen, äußerste Kürze ermöglichenden Terminologie.“

Für diese unnachahmliche Formalisierung interessiert sich die moderne Linguistik, und wegen der Ähnlichkeiten mit der Backus-Naur-Form ist Paninis Grammatik sogar für die moderne Computerlinguistik interessant. Paninis Theorie der morphologischen Analyse war bis zum 20. Jahrhundert fortschrittlicher als jede vergleichbare westliche Theorie. Seine Abhandlung ist generativ und deskriptiv, verwendet Metasprache und wurde mit der Turingmaschine verglichen, bei der die logische Struktur eines beliebigen Rechengeräts mithilfe eines idealisierten mathematischen Modells auf das Wesentliche reduziert wird.[2]

Henry Thomas Colebrooke brachte 1809 in Kalkutta eine englische Übersetzung der Grammatik von Panini heraus. Otto von Böhtlingk hat 1839 bis 1840 den Sanskrit-Text erstmals herausgegeben und 1887 die bis heute gebräuchliche Edition mit Übersetzung (im weitesten Sinne) folgen lassen, die immer wieder nachgedruckt wurde, zuletzt 2001.

Rishi Rajpopat erarbeitete 2021 in seiner Doktorarbeit[3] ein tieferes Verständnis von Paninis "language machine", indem er ein einfaches System der Auflösung von Regelkonflikten entwarf.[4]

Werkausgaben

Literatur

  • Vasudeva Sharma Agrawala: India as Known to Panini: A Study of the Cultural Material in the Ashtadhyayi. Lucknow University, Lucknow 1953.
  • George Cardona: Pāṇini. A survey of research. The Hague 1976, ISBN 90-279-3435-5.
  • George Cardona: Recent research in Pāṇinian Studies. Delhi 1999, ISBN 81-208-1637-4.
Commons: Panini – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Für ein Datum in der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. u. a.: Irfan Habib, Vivekanand Jha: Mauryan India (= A People’s History of India, Band 5). Tulika Books, New Delhi 2004, S. 146–149. Für ein Datum in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr.: Vasudeva Sharma Agrawala: India as Known to Panini: A Study of the Cultural Material in the Ashtadhyayi. Lucknow University, Lucknow 1953, S. 455–474; Richard Stoneman: The Greek Experience of India. From Alexander to the Indo-Greeks. Princeton University Press, Princeton/Oxford 2019, ISBN 978-0-691-15403-9, S. 31 (folgt Agrawala und fasst seine Argumentation zusammen).
  2. Subhash C. Kak: The Paninian approach to natural language processing. International Journal of Approximate Reasoning, Januar 1987.
  3. Rishi Rajpopat: In Pāṇini We Trust: Discovering the Algorithm for Rule Conflict Resolution in the Aṣṭādhyāyī. University of Cambridge, abgerufen am 19. Dezember 2022.
  4. Ancient grammatical puzzle solved after 2,500 years. Abgerufen am 19. Dezember 2022.