Stockmayer wurde als Sohn des schwäbischen Oberamtmannes Gustav Stockmayer geboren, der ihn sehr streng erzog und von ihm unbedingten Gehorsam verlangte. Schon früh verlor er seine Mutter. Mit jungen Jahren begann er ein Theologiestudium im Seminar Schönthal und in Tübingen. Hier lernte er Professor Johann Tobias Beck kennen. Aber er verlor trotzdem seine positive Glaubenssicht durch Bibelkritik und freimaurerische Ansätze. Er litt sehr unter Heimweh und Schwermut. In diese Phase, als er u. a. Hauslehrer in der Schweiz tätig war, fällt auch seine persönliche Bekehrung.[1]
Prediger, Theologe und Evangelist
Stockmayer arbeitete ab 1862 als Hilfsprediger, Prediger und Evangelist der Chapelle de l'Oratoire, der Église Évangélique Libre in Genf, in Tavannes und als Pfarrer in L’Auberson in der Gemeinde Sainte-Croix im Waadtländer Jura[1]. Alle Kirchen standen unter der Führung von Alexandre Vinets, der diese Kirchen zum überwiegenden Teil auch gegründet hatte.[1]
Im Jahr 1867 ging er nach Männedorf im Kanton Zürich, wo er von Dorothea Trudel und Samuel Zeller durch Handauflegung zum Dienst für Gott eingesegnet wurde; zuvor hatte er hier bereits Heilung erfahren.[1] Er blieb insgesamt etwa zwei Jahre dort, um diese Art zu beten kennen- und anwendenzulernen. Sein konsequenter Charakter bewog ihn dazu, nach echter Heiligung zu streben.
Die Erweckungen um den amerikanischen Evangelisten D.L. Moody beeindruckten ihn und zogen ihn an, und er wurde vom Aufbruch der Heiligungsbewegung und den Konferenzen 1874 in Oxford bzw. 1875 in Brighton erfasst. Neben Theodor Jellinghaus wurde er im deutschsprachigen Raum zum führenden Theologen und Evangelisten dieser Heiligungsbewegung.
Im Schloss Hauptwil in der Ostschweiz eröffnete er ein Seelsorgeheim, das er seit 1878 leitete. Es wurde zum vielbesuchten Erholungsheim in Hauptwil im Kanton Thurgau.[1]
In seiner Berner Zeit war Franz Eugen Schlachter einer seiner wichtigsten Mitarbeiter. Sein großes Anliegen war die Heiligung und Zubereitung der „Brautgemeinde“, die sich für die Wiederkunft Christi vorbereitete. Auch er selbst bekannte konsequent, notfalls auch öffentlich, bei sich selbst erkannte Sünde. Er selbst erlebte schwere Stunden, besonders als sein Sohn sich in geistiger Umnachtung das Leben nahm. Er vertrat konsequent die Lehre der Krankenheilung, akzeptierte aber auch Krankheit als Erziehungsmittel Gottes. Zeitweise vertrat er eine Auswahlentrückung der „Brautgemeinde“, gab diese Lehre aber 1909 wieder auf.[1]
Stockmayer war einer der Führer der Gemeinschaftsbewegung, die sich 1909 durch die Berliner Erklärung von der Pfingstbewegung abgrenzte und diese scharf verurteilte. Er schrieb einige Andachtsbücher, Bibelauslegungen und thematische Schriften, die von seinen Freunden Michael und Elizabeth Baxter ins Englische übersetzt wurden.[1]
Er war auch Redner im englischen Keswick und in den USA an Konferenzen der Christian and Missionary Alliance 1882 bis 1904. Seine Ansprachen wirkten manchmal anstößig und lösten auch Kontroversen unter den Zuhörern aus.[4]
Im Jahr 1917 starb er im Alter von 79 Jahren.[1][3][5][6]
Privates
1871 heiratete er Henriette Marie Glardon.
Schriften
Die Überwindung des Satans, 1890
Gnade und Sünde, 1897
Die Gabe des Heiligen Geistes, 1898
Geistesleitung, 1900
Stille Tage in Teichwolframsdorf, 1903
Der Leib Christi und sein göttlicher Baumeister, 1908
Abraham der Vater der Gläubigen, 1921
Die Gnade ist erschienen. Andachten, bearbeitet von Alfred Roth, 1923
Das Evangelium Johannes. Aus Hausandachten. Gotha 1927.Digitalisat
Krankheit und Evangelium
Aus Glauben in Glauben
Bibelstunden über den Römerbrief
Literatur
Richard Schmitz: Otto Stockmayer. Wahrheit und Irrtum in seinem Leben, Witten (ohne Jahr)[3]
Alfred Roth: Otto Stockmayer, ein Zeuge und Nachfolger Jesu Christi, 1938²
Hans von Sauberzweig: Er der Meister, wir die Brüder: Geschichte der Gnadauer Gemeinschaftsbewegung 1888-1958, 1959
Paulus Scharpff: Geschichte der Evangelisation: Dreihundert Jahre Evangelisation in Deutschland, Grossbritannien und USA, 1964
Dieter Lange: Eine Bewegung bricht sich Bahn: Die deutschen Gemeinschaften in ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert und ihre Stellung zu Kirch, Theologie und Pfingstbewegung, 1979
Elisabeth Oehler-Heimerdinger: Otto Stockmayer: Ein Gott geopfertes Leben, Exodus, 2002, ISBN 978-3-98073-703-6
von E
J. Stockmayer: Morgenglanz der Ewigkeit, 2002.
Johannes Stockmayer: Sehnsucht nach Erweckung Otto Stockmayer – sein Leben, seine Lehre und seine Zeit, GloryWorld-Medien, Xanten 2017, ISBN 978-3-95578-321-1
↑ abcdefghijkAugust Jung: om Kampf der Väter, Schwärmerische Bewegungen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dokumente aus Freien evangelischen Gemeinden und kirchlichen wie freikirchlichen Gemeinschaften. In: Wolfgang Dietrich (Hrsg.): Geschichte und Theologie der Freien evangelischen Gemeinden. Band5, Nr.1. Bundes-Verlag, Witten 1995, ISBN 3-926417-27-7, S.282f. [Biogramm im Register].
↑ abcAugust Jung: Vom Kampf der Väter, Schwärmerische Bewegungen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dokumente aus Freien evangelischen Gemeinden und kirchlichen wie freikirchlichen Gemeinschaften. In: Wolfgang Dietrich (Hrsg.): : Geschichte und Theologie der Freien evangelischen Gemeinden. Band5, Nr.1. Bundes-Verlag, Witten 1995, ISBN 3-926417-27-7, S.17ff.