Der Ostteil des Landkreises Ortelsburg war seit 1884 lediglich durch die Strecke Ortelsburg–Lyck der Preußischen Staatsbahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Erst die Anforderungen des Militärs im Ersten Weltkrieg führten dort zum Bau einer Kleinbahn. Zur Erleichterung des Nachschubs im Grenzgebiet gegen Russland erbauten Eisenbahnpioniere in den Jahren 1915/16 eine Heeresfeldbahn in der Feldbahnspur von 600 mm vom Bahnhof Puppen in südlicher Richtung über Friedrichshof und weiter über die Grenze bis zu dem Knotenpunkt Myszyniec (Mischinietz), wo Schmalspurbahnen aus Ostrołęka (Ostrolenka), Łomża und Kolno zusammenkamen.
Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm eine vom Kreis Ortelsburg zusammen mit dem Freistaat Preußen und der Provinz Ostpreußen gegründete Bahn die Strecke von Puppen bis Friedrichshof (der Rest der Strecke lag auf polnischem Gebiet) und
übergab sie am 16. Juni 1920 dem öffentlichen Verkehr. Den Betrieb führte die Ostdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft in Königsberg. Die Ortelsburger Kleinbahn AG ging am 30. Juni 1924 in den Ostpreußischen Kleinbahnen AG auf.
Der Fahrplan war recht bescheiden. 1927 fuhren montags, mittwochs und samstags zwei Zugpaare, an den übrigen Werktagen nur ein Zugpaar, 1934 war täglich ein Zug vorgesehen, der mittags in Puppen ankam und am Nachmittag um 16.54 Uhr wieder zurück nach Friedrichshof fuhr. 1939 verkehrte nur dienstags, donnerstags und samstags ein Zugpaar. Seit dem 2. Juni 1930 setzte die Kleinbahn einen Omnibus auf der 35 Kilometer langen Linie Ortelsburg–Friedrichshof–Liebenberg ein; zwei Fahrten an Werktagen fuhren bis Friedrichshof, mittwochs und samstags war Liebenberg das Ziel.
Im Jahre 1939 standen folgende Fahrzeuge zur Verfügung: zwei Dampflokomotiven, vier Personen-, ein Pack- und 45 Güterwagen sowie ein Omnibus.
Im Zweiten Weltkrieg erlangte die Bahn, die kurz vor der Einstellung des Betriebes stand, noch einmal eine gewisse Bedeutung. Sie wurde am 1. Juni 1940 der Deutschen Reichsbahn unterstellt. 1941 bis 1944 fuhren täglich drei Züge auf der wieder verlängerten Strecke bis Myszyniec, einer davon weiter bis Grabowo am Narew bei Ostrolenka, zeitweise Scharfenwiese genannt.
Ein Personenwagen, der auf einem Unterwagen der Heeresfeldbahn aufgebaut wurde, hat die Zeiten im Einsatz bei mehreren polnischen Schmalspurbahnen (und zuletzt als Schuppen) überlebt. Er stand restauriert bei dem Projekt Hein Schüttelborg in Malente im Einsatz.
Betrieb in Polen
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Strecke noch bis 27. Mai 1962 über den ehemaligen Endbahnhof Myszyniec hinaus bis zum neuen Endbahnhof Grabowo Wąskotorowe betrieben. Das nicht zur ehemaligen Kleinbahn gehörende Streckenstück wurde am 1. April 1973 eingestellt.[1]
Literatur und Weblink
Ryszard Stankiewicz, Marcin Stiasny: Atlas Linii Kolejowych Polski 2014. Eurosprinter, Rybnik 2014, ISBN 978-83-63652-12-8, S. B10, C10.
Siegfried Bufe (Hrsg.): Eisenbahnen in West- und Ostpreußen (= Ostdeutsche Eisenbahnen, 1). Bufe-Fachbuch-Verlag, Egglham 1986, ISBN 3-922138-24-1.