Anmerkung zum Begriff „Weltrekord“:
Offizielle Weltrekorde im Marathonlauf führt der Internationale Leichtathletik-Verband IAAF erst seit dem 1. Januar 2004, vorher galt hier wegen der unterschiedlichen Streckenbeschaffenheiten der Begriff „Weltbestleistung“. Paul Tergats Bestzeit aus dem Jahre 2003 wurde nachträglich als Weltrekord anerkannt. Daneben zählt die IAAF die im Jahr 2002 von Khalid Khannouchi gelaufene Zeit beim London-Marathon – 2:05:38 h – als erste offizielle Weltbestzeit zu den Weltrekorden dazu.[1]
Angesichts der Begleitumstände mit hohen Temperaturen und einer Strecke mit Steigungen und Gefälle waren Rekorde hier kaum möglich. Der italienische Olympiasieger Stefano Baldini blieb mit seinen 2:10:55 h 1:34 min über dem Olympia- und genau sechs Minuten über dem Weltrekord.
Streckenführung
Die Strecke begann in der Ortschaft Marathon und führte über die Nationalstraße 83 zunächst nach Süden, wobei der Grabhügel der in der Schlacht bei Marathon gefallenen Athener umrundet wurde. Anschließend durchquerte der Kurs die Stadt Nea Makri. Nach zehn flachen Kilometern kamen nun die ersten Anstiege. Bei Rafina bog die Route nach Westen auf die Nationalstraße 54 ab. Über Rafina-Pikermi, Pallini und Gerakas gelangte man bei Streckenkilometer 32 nach Agia Paraskevi, wo mit 240 Metern über dem Meer der höchste Punkt der Strecke erreicht wurde. Von dort ging es bergab durch Chalandri, Cholargos und Goudi in die Kernstadt von Athen. Das Ziel befand sich im Panathinaiko-Stadion, in dem die Läufer noch eine Runde zurückzulegen hatten.
Ausgangssituation
Zum Favoritenkreis gehörten zunächst einmal der amtierende Weltmeister Jaouad Gharib aus Marokko, der spanische Vizeweltmeister Julio Rey, der zweimalige WM-Dritte Stefano Baldini aus Italien und der früher als 10.000-Meter-Läufer sehr erfolgreiche Kenianer Paul Tergat, jetzt Weltrekordhalter auf der Marathonstrecke. Auch die bei den letzten Weltmeisterschaften nächst platzierten Läufer Alberto Chaíça aus Portugal und der Japaner Shigeru Aburaya zählten zu den Anwärtern auf ein gutes Abschneiden.
Ergebnis und Rennverlauf
29. August 2004, 18:00 Uhr – Ortszeit Athen (UTC+2)
Der Start erfolgte bei Temperaturen um ca. 30 °C. Die Athleten gingen das Rennen auf Grund dieser hohen Temperaturen sehr vorsichtig an. Bei Kilometer zwanzig konnte sich der Brasilianer Vanderlei de Lima ein wenig vom Feld absetzen. In der Folgezeit vergrößerte er seinen Vorsprung kontinuierlich, bis er nach dreißig Kilometern einen Vorsprung von ca. fünfzig Sekunden herausgelaufen hatte.
Nun verschärften die Verfolger das Tempo, angeführt von Baldini, Tergat und dem US-Athleten Meb Keflezighi. Es begann eine aussichtsreiche Aufholjagd, denn es waren noch viele Kilometer zurückzulegen. Tergat verlor später den Anschluss und fiel am Ende noch bis auf den elften Platz zurück. De Limas Vorsprung schmolz bis Kilometer 35 auf ca. zwanzig Sekunden. Bei Kilometer 36 kam es dann zu einem Zwischenfall. De Lima wurde von dem suspendierten irischen Priester Cornelius Horan von der Strecke gedrängt, woraufhin der Brasilianer in die Zuschauermenge am Rande der Strecke stürzte. Mehrere Zuschauer halfen ihm auf, sodass er das Rennen fortsetzen konnte, während Horan von der griechischen Polizei festgenommen wurde.[3] De Lima, der allerdings schon vorher sehr zu kämpfen hatte, um seine Führung zu verteidigen, fand nicht mehr zurück zu seinem Laufrhythmus, er litt an Krämpfen und Schmerzen. Bei Kilometer 38 wurde er von Baldini und Keflezighi, die jetzt weiterhin ein hohes Tempo liefen, überholt.
In der Folge schüttelte Stefano Baldini auch seinen letzten Begleiter ab und siegte mit 34 Sekunden Vorsprung vor Meb Keflezighi. 42 Sekunden hinter dem US-Amerikaner erreichte auch Vanderlei de Lima unter großem Applaus das Ziel und rettete die Bronzemedaille. Als besondere Auszeichnung für seinen Sportsgeist wurde er von IOC-PräsidentenJacques Rogge mit der Pierre-de-Coubertin-Medaille ausgezeichnet. Nur fünfzehn Sekunden nach de Lima erreichte der Brite Jon Brown das Ziel als Vierter vor den beiden Japanern Shigeru Aburaya und Toshinari Suwa. Der Kenianer Erick Wainaina belegte Rang sieben vor dem Portugiesen Alberto Chaíça.
Vanderlei de Lima war der erste brasilianische Medaillengewinner im Marathonlauf.