Der Zehnkampf der Männer bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio wurde am 19. und 20. Oktober 1964 im Olympiastadion Tokio ausgetragen. 22 Athleten nahmen teil. Bei diesem Wettkampf kam die 1962 neu entwickelte Zehnkampf-Tabelle zur Anwendung, die der Materialentwicklung insbesondere im Stabhochsprung sowie den veränderten Leistungen in den verschiedenen Zehnkampf-Disziplinen Rechnung trug.
Mit Horst Beyer nahm ein weiterer Deutscher am Wettkampf teil. Er wurde in der Endabrechnung Sechster. Die Schweiz wurde durch Werner Duttweiler vertreten, der nach dem Stabhochsprung den Wettbewerb abbrach. Der LiechtensteinerAlois Büchel wurde in der Endabrechnung Vierzehnter. Österreichische Zehnkämpfer nahmen nicht teil.
Anmerkung: Die oben genannten Punktzahlen ergeben sich aus der Zehnkampftabelle von 1952, die zum Zeitpunkt der Spiele von Tokio nicht mehr gültig war. Die Vergleichbarkeit der Rekorde mit den in Tokio erzielten Ergebnissen ist somit nicht gegeben.
Die hier erreichte Punktzahl des deutschen Olympiasiegers Willi Holdorf ist zunächst einmal niedriger als Rafer Johnsons olympischer Rekord. Nach Anwendung der hier in Tokio gültigen Tabelle läge Johnsons Wert für den olympischen Rekord knapp über 8000 Punkte und wäre damit besser als Holdorfs Resultat. Vergleicht man Holdorfs und Johnsons Zahlen über das heutige Wertungssystem, hätte Holdorf mit 7960 Punkten dagegen eine bessere Leistung erzielt als Johnson mit seinen 7901 Punkten.
Aber all das sind letztlich reine Zahlenspiele. Offiziell blieb Rafer Johnsons olympischer Rekord mit 8392 Punkten nach der 1952er Wertung bestehen.[2]
Durchführung des Wettbewerbs
Der Zehnkampf wurde nach denselben Regeln wie heute durchgeführt. Die zehn Disziplinen fanden auf zwei Tage verteilt statt. Gewertet wurde nach der 1962 entwickelten Punktetabelle.
Mit 16,37 m erzielte Mychajlo Storoschenko die größte Kugelstoßweite im Rahmen des olympischen Zehnkampfes.[4]
Mit diesem Versuch übernahm Storoschenko die Gesamtführung vor Willi Holdorf und Hans-Joachim Walde.
Klassement
Platz
Name
Weite
Punkte
01
Storoschenko
16,37 m
868
02
Holdorf
14,95 m
786
03
Hodge
14,93 m
784
04
Walde
14,45 m
756
05
Kamerbeek
14,40 m
753
06
Beyer
14,32 m
747
07
Kusnezow
14,06 m
732
08
Herman
13,89 m
721
09
Aun
13,82 m
717
10
Duttweiler
13,80 m
716
11
Sar
13,60 m
702
12
Gairdner
13,38 m
689
13
Yang
13,23 m
680
14
Þorláksson
13,10 m
671
15
Moro
12,62 m
640
16
Thomas
12,42 m
627
17
Büchel
12,16 m
610
18
Emberger
11,80 m
586
19
Suzuki
11,35 m
556
20
Sereme
11,03 m
534
21
Wu
10,67 m
509
22
Kiprop
10,55 m
500
Zwischenstand
Platz
Name
Punkte
01
Storoschenko
2537
02
Holdorf
2485
03
Walde
2423
04
Aun
2410
05
Kusnezow
2376
06
Hodge
2355
07
Beyer
2327
08
Thomas
2326
09
Herman
2291
10
Yang
2262
11
Duttweiler
2257
12
Kamerbeek
2214
13
Þorláksson
2150
14
Gairdner
2138
15
Büchel
2123
16
Sar
2108
17
Emberger
2103
18
Suzuki
2057
19
Sereme
2031
20
Moro
1953
21
Kiprop
1858
22
Wu
1734
Hochsprung
Wu Ah-Min aus Taiwan trat zu dieser vierten Disziplin nicht an.
Hans-Joachim Walde konnte mit seiner Leistung seinen Teamkameraden Willi Holdorf von Platz zwei verdrängen. In Führung blieb Wassili Storoschenko.
Klassement
Platz
Name
Höhe
Punkte
01
Walde
1,96 m
822
02
Aun
1,93 m
796
Duttweiler
04
Beyer
1,90 m
769
Emberger
06
Herman
1,87 m
743
Kiprop
08
Holdorf
1,84 m
716
Storoschenko
10
Büchel
1,81 m
689
Þorláksson
Yang
13
Hodge
1,75 m
634
Sar
Thomas
16
Gairdner
1,70 m
588
Kamerbeek
Kusnezow
Moro
Suzuki
21
Sereme
1,60 m
493
Zwischenstand
Platz
Name
Punkte
01
Storoschenko
3253
02
Walde
3245
03
Aun
3206
04
Holdorf
3201
05
Beyer
3096
06
Duttweiler
3053
07
Herman
3034
08
Hodge
2989
09
Kusnezow
2964
10
Thomas
2960
11
Yang
2951
12
Emberger
2872
13
Þorláksson
2839
14
Büchel
2812
15
Kamerbeek
2802
16
Sar
2742
17
Gairdner
2726
18
Suzuki
2645
19
Kiprop
2601
20
Moro
2541
21
Sereme
2524
400-Meter-Lauf
Die Disziplin wurde in sechs Läufen durchgeführt.
Der bislang führende Mychajlo Storoschenko lief die schwächste Zeit und rutschte damit auf Platz fünf ab. Willi Holdorf konnte wieder an Hans-Joachim Walde vorbeiziehen und die Führung übernehmen. Hinter Walde auf Platz drei lag nun der sowjetische Athlet Rein Aun.
Klassement
Platz
Name
Zeit
Punkte
01
Holdorf
48,2 s
889
02
Aun
48,8 s
861
03
Yang
49,0 s
852
04
Emberger
49,1 s
847
05
Gairdner
49,2 s
842
Herman
07
Kusnezow
49,5 s
829
Walde
09
Hodge
49,6 s
824
10
Büchel
49,7 s
819
11
Beyer
49,8 s
814
12
Þorláksson
50,1 s
801
13
Duttweiler
50,5 s
784
14
Suzuki
50,8 s
770
15
Sereme
51,2 s
753
16
Thomas
51,4 s
744
17
Kamerbeek
52,0 s
720
Moro
19
Sar
52,2 s
712
20
Kiprop
52,8 s
687
21
Storoschenko
53,6 s
655
Zwischenstand
Platz
Name
Punkte
01
Holdorf
4090
02
Walde
4074
03
Aun
4067
04
Beyer
3910
05
Storoschenko
3908
06
Herman
3876
07
Duttweiler
3837
08
Hodge
3813
09
Yang
3803
10
Kusnezow
3793
11
Emberger
3719
12
Thomas
3704
13
Þorláksson
3640
14
Büchel
3631
15
Gairdner
3568
16
Kamerbeek
3522
17
Sar
3454
18
Suzuki
3415
19
Kiprop
3288
20
Sereme
3277
21
Moro
3261
110-Meter-Hürdenlauf
Die Disziplin wurde in sechs Läufen durchgeführt.
Der Niederländer Eef Kamerbeek trat zu dieser sechsten Disziplin nicht an.
Die Reihenfolge blieb bestehen: Willi Holdorf vor Hans-Joachim Walde und Rein Aun.
Klassement
Platz
Name
Zeit
Punkte
01
Yang
14,7 s
881
02
Sar
14,8 s
870
03
Emberger
14,9 s
859
Kusnezow
05
Holdorf
15,0 s
848
Storoschenko
07
Kiprop
15,1 s
837
08
Beyer
15,2 s
827
Herman
10
Walde
15,3 s
817
11
Gairdner
15,4 s
807
12
Þorláksson
15,6 s
787
13
Aun
15,9 s
757
Duttweiler
15
Hodge
16,0 s
748
16
Sereme
16,4 s
712
17
Suzuki
16,5 s
703
18
Thomas
16,7 s
685
19
Moro
16,8 s
676
20
Büchel
17,5 s
621
Zwischenstand
Platz
Name
Punkte
01
Holdorf
4938
02
Walde
4891
03
Aun
4824
04
Storoschenko
4756
05
Beyer
4737
06
Herman
4703
07
Yang
4684
08
Kusnezow
4652
09
Duttweiler
4594
10
Emberger
4578
11
Hodge
4561
12
Þorláksson
4427
13
Thomas
4389
14
Gairdner
4375
15
Sar
4324
16
Büchel
4252
17
Kiprop
4125
18
Suzuki
4118
19
Sereme
3989
20
Moro
3937
Diskuswurf
Willi Holdorf konnte seine Führung auf 101 Punkte ausbauen. Hans-Joachim Walde seinerseits lag mit 48 Punkten vor Rein Aun.
Klassement
Platz
Name
Weite
Punkte
01
Sar
47,46 m
827
02
Holdorf
46,05 m
801
03
Beyer
45,17 m
784
04
Hodge
44,64 m
775
05
Aun
44,19 m
766
06
Herman
44,15 m
765
07
Kusnezow
43,81 m
759
08
Storoschenko
43,20 m
747
09
Walde
43,15 m
747
10
Gairdner
42,91 m
742
11
Moro
40,90 m
703
12
Þorláksson
39,70 m
680
13
Yang
39,59 m
677
14
Thomas
38,43 m
654
15
Büchel
37,19 m
629
16
Emberger
35,32 m
590
17
Suzuki
35,24 m
589
18
Kiprop
33,07 m
542
19
Duttweiler
32,66 m
533
20
Sereme
29,24 m
457
Zwischenstand
Platz
Name
Punkte
01
Holdorf
5739
02
Walde
5638
03
Aun
5590
04
Beyer
5521
05
Storoschenko
5503
06
Herman
5468
07
Kusnezow
5411
08
Yang
5361
09
Hodge
5336
10
Emberger
5168
11
Sar
5151
12
Duttweiler
5127
13
Gairdner
5117
14
Þorláksson
5107
15
Thomas
5043
16
Büchel
4881
17
Suzuki
4707
18
Kiprop
4667
19
Moro
4640
20
Sereme
4446
Stabhochsprung
Der Venezolaner Héctor Thomas trat zu dieser achten Disziplin nicht an.
Mit 4,60 m erzielten Yang Chuan-Kwang und Guillermo Moro die größte Höhe im Stabhochsprung im Rahmen eines olympischen Zehnkampfes.[5]
Yang, Silbermedaillengewinner von 1960, kam immer näher an die Spitzengruppe heran. Nach dem ersten Tag hatte er noch mit 264 Punkten Rückstand auf den Bronzerang Platz neun eingenommen. Nach dem Stabhochsprung war er nun auf Platz sechs geklettert, sein Rückstand hatte sich auf 131 Punkte verringert. Hans-Joachim Waldes Vorsprung auf Rein Aun war auf 21 Punkte geschmolzen.
Klassement
Platz
Name
Höhe
Punkte
01
Moro
4,60 m
957
Yang
03
Kusnezow
4,40 m
909
Þorláksson
05
Herman
4,35 m
896
06
Suzuki
4,25 m
871
07
Aun
4,20 m
859
Holdorf
Sar
10
Walde
4,10 m
832
11
Kiprop
4,05 m
820
12
Büchel
4,00 m
807
Storoschenko
14
Beyer
3,80 m
754
15
Emberger
3,70 m
728
Hodge
17
Gairdner
3,40 m
644
18
Sereme
2,60 m
403
-
Duttweiler
ohne Höhe
0
Zwischenstand
Platz
Name
Punkte
01
Holdorf
6598
02
Walde
6470
03
Aun
6449
04
Herman
6364
05
Kusnezow
6320
06
Yang
6318
07
Storoschenko
6310
08
Beyer
6275
09
Hodge
6064
10
Þorláksson
6016
11
Sar
6010
12
Emberger
5896
13
Gairdner
5761
14
Büchel
5688
15
Moro
5597
16
Suzuki
5578
17
Kiprop
5487
18
Duttweiler
5127
19
Sereme
4849
Speerwurf
Der Schweizer Werner Duttweiler trat zu dieser neunten Disziplin nicht an.
Hans-Joachim Walde hatte mit 67 Punkten wieder etwas Abstand zwischen sich und Rein Aun gebracht. Disziplinsieger Yang Chuan-Kwang war nun Vierter. Von Aun trennten ihn nur noch 23 Punkte.
Klassement
Platz
Name
Weite
Punkte
01
Yang
68,15 m
858
02
Kusnezow
67,87 m
855
03
Herman
63,35 m
802
04
Walde
62,90 m
796
05
Gairdner
59,72 m
758
06
Storoschenko
59,10 m
750
07
Aun
59,06 m
750
08
Beyer
58,17 m
738
09
Emberger
57,54 m
731
10
Holdorf
57,37 m
728
11
Þorláksson
56,19 m
714
12
Kiprop
55,54 m
705
13
Sar
53,59 m
680
14
Suzuki
51,88 m
658
15
Hodge
50,21 m
636
16
Sereme
48,46 m
612
17
Moro
46,63 m
587
18
Büchel
44,90 m
562
Zwischenstand
Platz
Name
Punkte
01
Holdorf
7326
02
Walde
7266
03
Aun
7199
04
Yang
7176
05
Kusnezow
7175
06
Herman
7166
07
Storoschenko
7060
08
Beyer
7013
09
Þorláksson
6730
10
Hodge
6700
11
Sar
6690
12
Emberger
6627
13
Gairdner
6519
14
Büchel
6250
15
Suzuki
6236
16
Kiprop
6192
17
Moro
6184
18
Sereme
5461
1500-Meter-Lauf
Die Disziplin wurde in fünf Läufen durchgeführt.
Mit 4:19,3 min erzielte Dick Emberger die schnellste Zeit im 1500-Meter-Lauf im Rahmen eines olympischen Zehnkampfes.[6]
Um noch nach vorne zu kommen, musste Rein Aun zehn Sekunden schneller sein als Hans-Joachim Walde und mehr als ca. siebzig Meter vor Willi Holdorf liegen. Walde lief in Lauf eins, so dass Aun hier schon einmal eine gute Orientierung hatte. Tatsächlich war er fast fünfzehn Sekunden schneller als Walde. An Holdorf konnte Aun jedoch nicht mehr vorbeiziehen. Holdorf startete mit Aun gemeinsam im selben Rennen, sodass der Deutsche seinen Gegner stets im Blick hatte. Mit letzter Kraft hielt Holdorf den Abstand gering genug und rettete seine Goldmedaille.
Der Zehnkampf von Tokio entwickelte sich bis zur letzten Disziplin zu einem spannenden und hochklassigen Krimi. Vom Start weg lag der Deutsche Willi Holdorf in Führung, die er nach dem Kugelstoßen zwischenzeitlich an den sowjetischen Kugelstoßspezialisten Mychajlo Storoschenko abgeben musste, sich aber am Schluss des ersten Tages mit dem 400-Meter-Lauf zurückholte.
Am zweiten Tag entstand ein Dreikampf zwischen Holdorf, seinem Landsmann Hans-Joachim Walde und dem sowjetischen Athleten Rein Aun. Von Disziplin zu Disziplin blieb es eng zwischen diesen Dreien. Die Reihenfolge bis einschließlich der neunten Disziplin lautete stets Holdorf vor Walde und Aun. Die Abstände waren allerdings knapp und angesichts der 1500-Meter-Bestleistungen sah es vor der letzten Disziplin eigentlich sehr gut aus für Rein Aun, der hier deutlich schneller einzuschätzen war als seine deutschen Konkurrenten. An Hans-Joachim Walde konnte Aun dann auch vorbeiziehen, aber Willi Holdorf hatte seinen Gegner stets im Blick und es gelang ihm, den Abstand auf weniger als siebzig Meter zu begrenzen. Er stürzte als Olympiasieger ins Ziel und sein Gegner Rein Aun fing ihn dort auf – eine großartige sportliche Geste dieses Zehnkämpfers.
Das hohe Niveau dieses Wettkampfs wird deutlich, wenn man Vergleiche über ein einheitliches Wertungssystem anstellt. Nach heutiger Wertung war Holdorfs Leistung um 59 Punkte besser als Rafer Johnsonsolympischer Rekord von 1960 und lag nur um fünfzig Punkte unter Yang Chuan-Kwangs Weltrekord, der hier anwesend war und Rang fünf belegte.
Willi Holdorf errang den ersten deutschen Olympiasieg im Zehnkampf.
Zur besseren Einordnung der Leistung sind neben den offiziellen Punkten nach der Wertungstabelle von 1964 die nach dem heutigen Wertungssystem von 1985 umgerechneten Punktzahlen mit angegeben. Nach dieser heute gültigen Tabelle hätte es zwei Verschiebungen gegeben: Die Plätze 14/15 sowie 16/17 wären vertauscht. Ansonsten wäre die Reihenfolge unverändert. Aber diese Vergleiche sind nur Anhaltswerte, denn als Grundlage müssen die jeweils unterschiedlichen Maßstäbe der Zeit gelten.
Ekkehard zur Megede, Die Geschichte der olympischen Leichtathletik, Band 2: 1948–1968, Verlag Bartels & Wernitz KG, Berlin, 1. Auflage 1969, S. 287 bis 291