Old Shatterhand (englisch für „Alte Schmetterhand“) ist eine fiktive Gestalt, die der deutsche Schriftsteller Karl May für seine Wildwest-Romane schuf. Die Person ist mit Kara Ben Nemsi aus Mays Orient-Romanen identisch. Er verkörpert den unfehlbaren Helden. In den meisten Romanen werden die Geschehnisse aus Old Shatterhands Sicht in Ich-Form erzählt (Reiseerzählungen); in einigen aus Sicht eines allwissenden Erzählers (Jugendromane), wodurch auch Szenen erfasst werden, an denen Old Shatterhand nicht unmittelbar beteiligt ist.
Im Band Winnetou I ist der Ich-Erzähler ein junger Deutscher, der als Hauslehrer in St. Louis arbeitet. Auf Vermittlung seiner Freunde reitet er als Landvermesser in den Westen, um mit weiteren Männern eine neue Eisenbahnstrecke zu vermessen. Seinen Namen erhält Shatterhand in dieser Erzählung durch den Oberingenieur eines benachbart arbeitenden Vermessungstrupps. Der Ingenieur führt den Namen ein, nachdem er gesehen hat, wie der Ich-Erzähler einen feindlich gesinnten Westmann von großer Körperkraft mit einem einzigen Hieb gegen die Schläfe bewusstlos schlägt. Sam Hawkens übernimmt diesen Kriegsnamen sofort, obwohl er den Erzähler stets als Greenhorn bezeichnet, und macht ihn im Wilden Westen bekannt. Nachdem Old Shatterhand den ApachenhäuptlingIntschu tschuna und dessen Sohn Winnetou unerkannt vor dem Marterpfahl der Kiowas gerettet hat, wird er kurz danach von Winnetou im Kampf schwer verletzt (Stich mit einem Messer in Mundhöhle und Zunge) und in das Lager der Mescalero-Apachen verschleppt. Während seiner Genesung wird er von Winnetous Schwester Nscho-tschi gepflegt, die sich dabei in ihn verliebt. In einem Schwimmwettkampf gegen Intschu-tschuna als Gottesurteil muss er um seine Freiheit kämpfen. Nachdem er gesiegt hat, wird er Winnetous Blutsbruder (Karl May – gesammelte Werke, Band 7: Winnetou 1. Teil). Winnetou nennt ihn seitdem oft „Scharlih“ („Charlie“ = „Karl“).
Winnetou I ist zwar innerhalb der Karl-May-Chronologie[1] der erste Band, aber nicht der erste Text, den Karl May mit dem Helden „Old Shatterhand“ geschrieben hat. Tatsächlich macht die Figur eine ähnliche literarische Entwicklung durch wie Winnetou. Beim ersten Auftreten innerhalb der Chronologie ist der Held daher schon zur Vollendung gereift.
Andere Namen
Von den Utah-Indianern im Roman Der Schatz im Silbersee wird Shatterhand auch Pokai-mu (tötende Hand) genannt. Die Sioux nennen ihn Vauva-shala, die Apachen Selki-lata, die Shoshonen Nonpay-klama, die Komantschen Nina Nonton, die Yumas in Nordmexiko Tave-schala und die Upsarokas Nonpeh-tahan.
Standard-Ausstattung
Old Shatterhand besaß einen Rappen mit dem indianischen Namen Hatatitla (Blitz) und zwei markante Gewehre: den „Henrystutzen“ (ein Gewehr, mit dem man 25 Mal schießen konnte, ohne nachzuladen) und den „Bärentöter“ (eine sehr schwere Büchse, die sogar einen Bären mit einem Schuss auf große Entfernung töten konnte). Beide Gewehre erhielt er von dem BüchsenmacherHenry aus St. Louis (Winnetou 1. Teil und 2. Teil). Das reale Vorbild dürfte der Büchsenmacher Benjamin Tyler Henry gewesen sein, dessen Henry-Gewehr eine Verbesserung des tatsächlich 25-schüssigen Volcanic-Karabiners war, selbst aber nur ein 16-schüssiges Magazin aufwies.
Die im Karl May Museum in Radebeul ausgestellten „Bärentöter“ und „Silberbüchse“ wurden von Max Fuchs gefertigt. Beide Waffen gelten als gänzlich unbrauchbar. So übersteigt das Kaliber des „Bärentöters“ mit 22 Millimeter selbst die Kaliber heute gängiger Schützenpanzerkanonen. Alleine aufgrund des zu erwartenden Rückstoßes erscheint eine sichere Handhabung als ausgeschlossen. Auch die „Silberbüchse“ ordnet das Museum als nicht beschießbar ein.[2]
Charakter, Fähigkeiten und Kenntnisse
Old Shatterhand ist uneingeschränkt der guten Seite zuzuordnen und kämpft zusammen mit Winnetou und/oder mit anderen Gefährten gegen die meist klar abgetrennte böse Seite. Dabei ist er bemüht, sich Feinde zu Freunden zu machen. Er tötet Feinde nur, wenn es die Selbstverteidigung erfordert. Ansonsten macht er sie durch gezielte Schüsse in Gliedmaßen oder durch Fausthiebe kampfunfähig. Er ist ein perfekter Schütze und Reiter sowie Meister in anderen nötigen Fertigkeiten des Westens („Westmann“). Spezifische West-Fertigkeiten und -Kenntnisse wurden ihm erst von Sam Hawkens, später von Winnetou gelehrt; allgemeine auf Logik und Verstand, Kraft oder Ausdauer basierende Fertigkeiten hat er bereits zuvor.
Er bereist die Welt, um später daheim über Land und Leute Bücher zu schreiben.
Er beherrscht mindestens folgende Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Apache, Komantsche, Kiowa, Utah, Arabisch, Türkisch, Persisch und Chinesisch. Ferner besitzt er umfassende Kenntnisse in folgenden Wissensgebieten: Mathematik, Physik, Astronomie, Meteorologie, Chemie, Botanik, Zoologie, Anatomie, Medizin, Mechanik, Literatur, Poesie/Lyrik, Musik, Geschichte, Völkerkunde, Geografie sowie Theologie aller Weltreligionen (er kennt die Bibel und den Koran auswendig). Darüber hinaus besitzt er teilweise überragende Fähigkeiten im Laufen, Sprinten, Ringen, Schwimmen, Fechten, Reiten, Schießen und Schleichen.
Er ist ein bekennender Christ. In dieser Eigenschaft distanziert er sich von „Alibi-Christen“, die zwar regelmäßig in die Kirche gehen, aber die eigentlichen christlichen Tugenden nicht aufweisen. Andere Religionen, besonders den Islam, sieht er als verfehlt an und spricht darüber auch offen mit deren Angehörigen.
Er betont mehrfach die grundsätzliche Gleichberechtigung zwischen menschlichen Rassen und Ethnien und verurteilt auch unmittelbaren Rassismus, fällt aber dennoch Werturteile sowohl gegenüber Rassen (Afrikaner seien gutmütig und sorglos; Chinesen seien verschlagen; Beduinen seien räuberisch usw.) als auch gegenüber einzelnen Personen, aus deren Gesichtszügen er Charaktereigenschaften ablesen zu können glaubt.
Obwohl er Winnetou stets als perfekten Meister aller Disziplinen im Westen beschreibt, ist er diesem doch noch etwas überlegen. Zudem veranlasst er Winnetou vereinzelt, Entscheidungen zu ändern. Schließlich ist er Winnetou auch durch zivilisatorische Kenntnisse, wie Schriften, Kalender oder Karten entziffern, überlegen. In spezifischen Orts-, Sprach- und Ethnienkenntnissen übertrifft Winnetou ihn vereinzelt.
In der Orienterzählung Unter Würgern (1879) wird erwähnt, dass der Ich-Held in Nordamerika Old Shatterhand genannt wird. Dies ist die älteste bekannte Erwähnung dieses Namens.
Einige frühere Erzählungen (Old Firehand (1875), Im fernen Westen (1879), Der Scout (1888/89)) enthalten einen anonymen Ich-Erzähler, der bei der Übernahme in Winnetou II zu Old Shatterhand umgeschrieben wurde.
Im Kapitel An der Tigerbrücke im Band Am Stillen Ocean (1894) weist der Ich-Erzähler auf seine Identität mit Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi hin.
Das zu Satan und Ischariot gehörende, gestrichene Kapitel In der Heimath ist in modernisierter Form in Karl May's Gesammelten Werken im Band Old Shatterhand in der Heimat (1997) erschienen.
Im Rahmen der Gesammelten Werke tritt Old Shatterhand in einem weiteren Band auf: Zobeljäger und Kosak (1934), eine Bearbeitung des KolportageromansDeutsche Herzen – Deutsche Helden (1885–87).
In mehreren Karl-May-Filmen wurde die Figur des Old Shatterhand durch den amerikanischen Schauspieler Lex Barker verkörpert. Der niederländische Sänger und Schauspieler Bruce Low spielte den Old Shatterhand 1966 und 1968 in der Berliner Deutschlandhalle und 1975 in der Stadthalle Wien. Auch in Live-Hörspielen ist Old Shatterhand auf der Bühne präsent. Das RadioLiveTheater inszeniert mit Genehmigung des Karl-May-VerlagesOld Firehand von Dirk Hardegen (2019, Bad Segeberg) und Old Shatterhand unter Kojoten von Wolfgang Vater (2019, Wiesbaden)[5].
In der Fernsehserie Mein Freund Winnetou (1979) wurde er von Siegfried Rauch dargestellt. In dem Musical Winnetou (1982) von Ralph Siegel spielt ihn der deutsche Regisseur, Schauspieler und Synchronsprecher Rüdiger Bahr. Auf der Freilichtbühne in Elspe im Sauerland spielte der Schauspieler Jochen Bludau lange Jahre an der Seite von Pierre Brice als Winnetou die deutsche Heldengestalt. In den frühen 1950er Jahren spielte Hellmut Lange den Old Shatterhand auf einer Freilichtbühne in Stuttgart, während Sigurd Fitzek den Indianerhäuptling verkörperte.
Das erste Auftreten von Old Shatterhand im Film erfolgte im deutschen Kinofilm Der Schatz im Silbersee (1962), dem größten deutschen Kinoerfolg der 1960er-Jahre. Die Verfilmungen halten sich bestenfalls lose an Mays Romanvorlagen, so war der Hauptdarsteller des Buches im „Kampf um Butlers Farm“ Old Firehand und nicht Old Shatterhand. Auch wurde in der Film-Version auf diverse Ausrüstungsgegenstände und Kleidungsstücke der Romanbeschreibung gänzlich verzichtet. Lex Barker rasiert sich in den ersten Szenen der Silbersee-Verfilmung den vorhandenen Vollbart ab und symbolisiert so die Wandlung der Figur vom literarisch-antiquierten zum „fortschrittlichen“ Film-Helden. Weitere Unterschiede der Darstellung durch diesen Schauspieler zur Romanvorlage sind das Fehlen des Hutes und die Fußbekleidung, die aus Mokassins statt aus knielangen Stiefeln besteht.
Der Kinofilm Old Shatterhand (1964) beruht auf keiner literarischen Vorlage von Karl May.
Hörspieldatenbank zu Karl May (enthält u. a. eine Übersicht aller Männer, die je den Old Shatterhand in einem Hörspiel gesprochen haben)
Einzelnachweise
↑Es gibt eigentlich keine Chronologie, da die Erzählungen und Romane nicht aufeinander abgestimmt sind. Versuche, die Texte durch äußere Faktoren (historische Ereignisse) oder interne Verweise (z. B. auf frühere Abenteuer/Bekanntschaften) zu sortieren, enden unweigerlich im Chaos.