Die Nosferatu-Spinne (Zoropsis spinimana)[1] ist eine zu den Echten Webspinnen zählende Art aus der Familie der Kräuseljagdspinnen (Zoropsidae)[2] in der Überfamilie Wolfspinnenartige (Lycosoidea).[3] Durch ihre Größe und den wenig filigranen Körperbau gehört sie zu den eindrucksvollsten Vertretern der Spinnen in Mitteleuropa. Die ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatete Art hat sich durch Verschleppung und die globale Erwärmung auch in Mitteleuropa ausbreiten können.
Im Vergleich mit in der Schweiz, Österreich und Deutschland einheimischen Spinnen ist Zoropsis spinimana sehr groß. Die Weibchen sind deutlich größer als die Männchen.[4] Männliche Individuen erreichen eine Körperlänge von 10 bis 13 mm, weibliche Tiere 15 bis 19 mm; mit ausgestreckten Beinen werden 5 cm erreicht. Der Vorderkörper (Prosoma) ist gelblich-weiß mit ausgedehnter schwarzer Zeichnung und hellem Augenfeld. Die Zeichnung erinnert an einen Vampirkopf und hat der Spinne ihren TrivialnamenNosferatu-Spinne eingebracht. Die Zeichnung auf dem hinteren Prosoma, im Bereich der Fovea, erinnert an einen Schmetterling. Der Hinterleib (Opisthosoma) ist vorne gelb-weißlich, hinten grau bis braun gefärbt und weist eine mediane schwarze Zeichnung auf, bestehend aus einem dunklen Streifen in der Mitte und beidseitig drei noch dunkleren Flecken. Die Beine sind gelblich-grau, manchmal auch dunkel gefärbt, mit schwarzen Ringeln.[5] In ihrem Aussehen erinnert sie an eine große Wolfspinne. Eine Besonderheit ist, dass sie dank ihrer Hafthaare an den Füßen auch an glatten Oberflächen wie z. B. Glasscheiben klettern kann.[6]
Verwechslungen kommen vor allem mit der Großen Winkelspinne (Eratigena atrica) vor. Diese ist laut Hänggi & Zürcher (2013) „bei ungefähr gleicher Körpergröße jedoch meist deutlich langbeiniger, filigraner und von meist dunklerer Farbe (dunkelbraun bis schwarz)“. Zudem sitzt die Hauswinkelspinne normalerweise in einem Trichternetz, sehr oft in Kellern in den Ecken der Wände.[4]
Ihr Vordringen nach Norden legt einen Zusammenhang mit der Globalisierung und dem Klimawandel nahe. Unklar ist allerdings, ob die Art sich auch im Freiland etabliert hat oder streng synanthrop ist, denn bislang wurde sie nördlich der Alpen nur in Häusern gefunden, z. B. in Neukirchen-Vluyn, wo eine ganze Population von alten und jungen Tieren nachgewiesen wurde.
In der Schweiz ist sie nördlich und westlich der Alpen häufig zu finden, vor allem in und um Zürich, Basel, Genf, Lausanne, Bern und Luzern. Im Süden der Schweiz, entlang der Grenze zu Italien ist die Art ebenfalls häufig. Aus der zentralen Schweiz liegen nur vereinzelte Funde vor.
In Österreich wurde die Art vor allem in und um Wien und Graz gefunden, vereinzelte Funde gibt es jedoch auch aus anderen Landesteilen, vor allem im Osten und im zentralen Österreich.[14] Auch aus Russland und Georgien (Abchasien) liegen Fundangaben vor.[15]
Lebensräume
Im Freiland bewohnt Zoropsis spinimana in Istrien und am Gargano Tieflagen, die in der Regel unter 200 m über dem Meeresspiegel liegen. Dort bevorzugt sie lichten Kiefernwald mit reicher Nadelstreu nahe der Küste, wo sie unter Steinen und Rinde vorgefunden wird. In Korsika wurde sie hingegen in Kastanien- und Eichenbestand in ca. 600 m Meereshöhe vorgefunden. Am Südrand der Alpen wie zum Beispiel im Stadtgebiet von Venedig und in Nordtirol kommt sie hingegen synanthrop in und an Gebäuden vor.[16]
Lebensweise
Zoropsis spinimana ist eine frei jagende Art; sie sitzt also nicht als Lauerjäger in einem Spinnennetz, sondern läuft auf der Suche nach Beute umher. Dennoch gehört sie zu den cribellaten Spinnen, das heißt, sie kann feine Fangwolle spinnen. Im Gegensatz dazu produzieren ecribellate Spinnen Leimfäden. Dies ist ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen den Kräuseljagdspinnen und den ähnlichen Wolfspinnen. Zum Beutefang wartet Zoropsis spinimana bewegungslos auf vorbeikommende Beutetiere, die dann mit einer schnellen Raffbewegung gepackt und zu den Cheliceren geführt wird. Anschließend erfolgt der Giftbiss. Die Beutetiere werden extraintestinal verdaut, und die ausgesaugten Hüllen sind nach dem Fressakt in der Regel kaum mit Spinnseide überzogen.
Die Nosferatu-Spinne klettert sehr gerne und wurde in der Schweiz mehrfach im 3. oder 4. Stock angetroffen. Sie ist nachtaktiv und verbirgt sich tagsüber in einem kleinen Wohngespinst.[4]
Name
In einigen Medien wird Zoropsis spinimana als „Tarantel“, „Kräuselspinne“ oder „Kräuseljagdspinne“ bezeichnet, was zu Verwechslungen mit Taranteln oder mit der Familie der Kräuselspinnen (Dictynidae) führen kann.[17] Die Bezeichnung „Kräuseljagdspinne“ ist fachlich unpräzise, da die Familie der Kräuseljagdspinnen (Zoropsidae) insgesamt 178 Arten umfasst. Beide deutsche Namen für Zoropsis spinimana sind nicht offiziell etabliert. Der deutsche Trivialname Nosferatu-Spinne beruht auf der Zeichnung des Prosomas, weil sie dem Vampir aus dem Spielfilm Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens ähnelt.[18]
Biss
Wenn die Nosferatu-Spinne in die Enge getrieben wird oder sich bedroht fühlt, kann sie auch den Menschen beißen, was aber harmlos ist. Sie gehört zu den wenigen einheimischen Spinnen, die mit ihren Giftklauen die menschliche Haut an empfindlichen Stellen durchdringen können.[4] Der Biss ähnelt einigen Quellen zufolge einem Mückenstich oder in selteneren Fällen einem leichten Bienenstich.[4] Andere Quellen vergleichen die Schmerzintensität und die anschließenden Symptome mit denen eines Bienen- oder Wespenstichs und es komme zu Schwellungen und Rötungen rund um die Bissstelle, die in der Regel nach einigen Tagen von selbst abheilen.[19] Ebenso ist es denkbar, dass ein Biss für Allergiker ein größeres Problem ist. Allerdings waren nach Hänggi & Zürcher (2013) bis 2013 keine medizinisch relevanten Fälle bekannt, die eindeutig auf Zoropsis spinimana zurückgeführt werden können.[4]
Fortpflanzung und Entwicklung
Zoropsis spinimana ist einjährig, mit rascher Entwicklung. Jungtiere sind nach acht bis neun Häutungen in den Monaten September/Oktober geschlechtsreif.[16] Nach der Paarung können Weibchen mehrere Eikokons produzieren. Ein solcher Eikokon enthält etwa 20–50 Eier. Weibchen deponieren und bewachen den Kokon in einem auffälligen, von bläulicher Cribellum-Seide gebildeten Eiernest in einer Brutkammer. Bis zum Tod verlassen sie das Eiernest nicht mehr.[16] Im Labor schlüpften die Jungtiere nach etwa eineinhalb Monaten.[20]
Taxonomie
Die Art wurde 1820 von Léon Dufour als Dolomedes spinimanuserstbeschrieben. Weitere Synonyme lauten Dolomedes dufouriiWalckenaer, 1837, Dolomedes ocreatusC.L.Koch, 1841, Hecaerge wrightiiBlackwall, 1870b, Lycosa ocreataLucas, 1846, Lycosoides algiricaLucas, 1846, Zora algeriensisSimon, 1864, Zora dufouriiSimon, 1864, Zora ocreataC.L.Koch, 1847, Zoropsis albertisiiDahl, 1901a, Zoropsis ocreataSimon, 1878a, Zoropsis pluridentataFranganillo, 1925, Zoropsis quedenfeldtiDahl, 1901a, Zoropsis triangularisDahl, 1901a und Zoropsis wrightiDahl, 1901a.[21][22]
Aufgrund des wissenschaftlichen Namens kann es zu Verwechslungen mit Zora spinimana kommen.
Literatur
A. Hänggi, A. Bolzern: Zoropsis spinimana (Araneae: Zoropsidae) neu für Deutschland. In: Arachnologische Mitteilungen. Band 32, 2006, S. 8–10. (PDF)
C. E. Griswold, D. Ubick: Zoropsidae: A Spider Family Newly Introduced to the USA. In: The Journal of Arachnology. Band 29, 2001, S. 111–113. (PDF, 143 kB)
M. Kreuels: Die Kräuseljagdspinne Zoropsis spinimana. In: Pest Control. Band 36, 2007, S. 16. (PDF, 1,5 MB, im Webarchiv)
J. A. Massard & G. Geimer: Neu für Luxemburg: Kräuseljagdspinne in Echternach entdeckt. In: Lëtzebuerger Journal, 17. November 2018, Nr. 268, S. 18. PDF
M. Kreuels, A. Staudt, S. Christian: Die Spinnenfauna von Luxemburg – eine Zusammenstellung der Nachweise aus den Jahren 1906–2018 (Arachnida: Araneae). In: Bull. Soc. Nat. luxemb. Band 121, 2019, S. 225 u. 227. PDF
Familienschlüssel für Zoropsidae. In: Wolfgang Nentwig, Theo Blick, Robert Bosmans, Daniel Gloor, Ambros Hänggi & Christian Kropf: Spinnen Europas.doi:10.24436/1.
↑Marcus Schmidt, Ambros Hänggi: Zoropsis spinimana in D, A, CH – Nosferatu als Spinne. In: DpS – Fachzeitschrift für Schädlingsbekämpfung. Band5, 2018, S.7–8 (schaedlings.net [abgerufen am 8. Dezember 2019]).
↑Joel Hallan: Synopsis Of The Described Arachnida Of The World. Department of Entomology, Texas A&M University 2003.
↑ abcdefAmbros Hänggi und Isabelle Zuercher: Zoropsis spinimana – eine mediterrane Spinne ist in Basel (NW-Schweiz) heimisch geworden. In: Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaften beider Basel. Nr.14, 2013, S.125–134 (researchgate.net).
↑Familienschlüssel für Zoropsidae. In: Wolfgang Nentwig, Theo Blick, Robert Bosmans, Daniel Gloor, Ambros Hänggi, Christian Kropf (Hrsg.): Spinnen Europas. doi:10.24436/1.Fehler in Vorlage:Literatur – *** Parameterproblem: Dateiformat/Größe/Abruf nur bei externem Link
↑trilo79: Zoropsis spinimana, SPIDER. In: youtube.com. 27. Oktober 2008, abgerufen am 5. Oktober 2023 (englisch, Video einer an Glas kletternden Zoropsis spinimana).
↑Charles Griswold, Darrell Ubick: Zoropsidae: A Spider Family Newly Introduced to the USA (Araneae, Entelegynae, Lycosoidea). In: The Journal of arachnology. Band29, Nr.1, 2001, S.111––113, doi:10.1636/0161-8202(2001)029[0111:zasfni]2.0.co;2 (biodiversitylibrary.org [abgerufen am 5. Oktober 2023]).
↑Alexander Wirth, Gaby Schulemann-Maier: Updated distribution of Zoropsis spinimana (Dufour, 1820; Araneae: Zoropsidae) in Germany and novel insights into its ecology based on a citizen science survey. In: Frontiers in Arachnid Science. Band3, 15. März 2024, ISSN2813-5083, doi:10.3389/frchs.2024.1383339 (frontiersin.org [abgerufen am 13. November 2024]).
↑ abcKonrad Thaler, Barbara Knoflach: Zoropsis spinimana (DUFOUR), eine für Österreich neue Adventivart. In: Berichte des Naturwissenschaftlich-medizinischen Vereins Innsbruck. Band85, 1998, S.173–185 (zobodat.at [PDF; 2,8MB; abgerufen am 5. Oktober 2023]).
↑Fabio Bergamin: Neue Spinnen kommen ins Land. In: nzz.ch – Neue Zürcher Zeitung. 20. Januar 2008, abgerufen am 5. Oktober 2023.
↑Rainer Breitling, Eveline Merches, Christoph Muster, Katja Duske, Arno Grabolle, Michael Hohner, Christian Komposch, Martin Lemke, Michael Schäfer, Theo Blick: Liste der Populärnamen der Spinnen Deutschlands (Araneae). In: Arachnologische Mitteilungen. 59. Jahrgang. Arachnologische Gesellschaft, April 2020, ISSN2199-7233, S.45, doi:10.30963/aramit5907 (researchgate.net [PDF]).