Meienberg lebte in Zürich und veröffentlichte zu Lebzeiten zehn Bücher mit Reportagen und Texten zur Zeitgeschichte. Diese haben massgeblich zur öffentlichen Meinungsbildung der Schweiz im 20. Jahrhundert beigetragen. Seine engagierten, angriffigen und sprachlich geschliffenen Texte gelten bis heute als Musterbeispiele eines investigativen Journalismus und geniessen in Journalistenschulen grossen Stellenwert.[1]
Niklaus Meienberg wurde 1940 als Sohn von Alois Meienberg, einem Revisor bei der Raiffeisen Bank[2], und dessen Frau Maria Meienberg (geborene Geiges)[3] geboren. Die Beziehung zu seiner Mutter blieb sein ganzes Leben über sehr eng. Meienberg wuchs im katholischen Milieu im St. Galler Quartier St. Fiden auf. Er war Ministrant[4] und wurde auch später in seiner Zeit in der Klosterschule als «aufrührerisch fromm» beschrieben.[5] Sein deutlich älterer Bruder Peter (1929–2021) war als Missionar und Entwicklungshelfer in Ostafrika tätig.
In seiner Studienzeit war er ab 1964 Präsident des Vereins «Schweizer Freunde Angolas».[11] Ausserdem engagierte er sich im Jahr 1964 kurzzeitig in der «Schulungsgemeinschaft» des katholischen Theologen Hans Urs von Balthasar.[12] In seine Zeit in Paris fiel der Mai 1968 in Frankreich, an dem er eher als Beobachter denn als Aktivist teilnahm.[13]
Ab 1966 war Meienberg beruflich fünf Jahre lang Pariser Korrespondent der Weltwoche. Ab 1971 fertigte er Beiträge für das Kulturmagazin Perspektiven des Schweizer Fernsehens sowie etliche Produktionen für Radio DRS, so für die satirische Sendung Faktenordner. Gleichzeitig wurde er (bis 1976) freier Mitarbeiter des Zürcher Tages-Anzeigers und des Tages-Anzeiger Magazins (heute Das Magazin). Von 1982 bis 1983 war Meienberg Leiter des Pariser Büros der Hamburger Illustrierten Stern.[14] Danach arbeitete er als Schriftsteller und als freier Mitarbeiter der Zürcher WochenZeitung (WOZ).
1973 plante er, seine Reportagen in Buchform zu publizieren, und lernte auf der Suche nach einem Verleger den Schweizer Schriftsteller Otto F. Walter kennen, zu dem ein freundschaftliches Verhältnis entstand. Persönliche und berufliche Differenzen führten jedoch ab ca. 1979 zum Zerwürfnis. Meienberg warf Walter vor, seine Lebensgeschichte auf unangemessene Weise für seine Romane zu verwerten. Hinzu kam Walters negatives Urteil über Meienbergs lyrisches Schaffen. Nachdem der private Kontakt bereits zum Erliegen gekommen war, trugen die beiden 1983/1984 in der WOZ eine öffentliche Debatte zum Verhältnis zwischen politisch engagierter Literatur und gesellschaftlicher Wirklichkeit aus («Realismusdebatte»).[15][16]
Nachdem die manischen und depressiven Episoden, die Meienberg seit der Internatszeit durchmachte (und auch beschrieb), sich in den besten Jahren etwas gelegt hatten, nahmen sie Anfang der 90er Jahre wieder an Heftigkeit zu und steigerten sich während des Golfkrieges zum Wahn.[17] Er glaubte sich von der CIA verfolgt und meinte, die Welt vor einem Atomkrieg bewahren zu müssen.[18] Am 11. September 1992 wurde er von zwei Nordafrikanern zusammengeschlagen.[19][20] Von den Folgen dieses Überfalls erholte er sich nicht mehr. Kurz nacheinander folgten weitere Schicksalsschläge: der Tod der Mutter, «die einzige Instanz, die er respektiert hat»,[21] die Trennung von seiner letzten Freundin; eine harsche Abrechnung mit seinem Werk in der NZZ; ein schwerer Motorradunfall in Frankreich. Am 22. September 1993 starb Niklaus Meienberg durch Suizid.[21][22]
Literarisches Schaffen
Wegen seiner kritischen Texte zur Schweizer Geschichte und Gegenwart wurde er 1976 beim Tages-Anzeiger – vom Verleger Otto Coninx gegen den Willen der Redaktion – mit einem langjährigen Schreibverbot belegt. Den Ausschlag gab ein ironischer Artikel «Einen schön durchlauchten Geburtstag…» über Fürst Franz Josef II. von Liechtenstein im Tages-Anzeiger vom 7. August 1976.[23]
Im Frühling 1987 schrieb Meienberg in der Weltwoche eine kritische, viel beachtete Artikelserie, in welcher er Ulrich Wille und dessen Familie porträtierte. Als Die Welt als Wille & Wahn erschien sie im Herbst desselben Jahres in Buchform. Meienberg stützte sich dabei unter anderem auf unveröffentlichte Briefe Willes an seine Frau, die Meienberg ohne Erlaubnis in einem Dekorationsstück einer Ausstellung von Roland Gretler, mit dem er das Museum besuchte, fotografieren liess, wie er im Nachwort des Buchs selbst schrieb: «Die wachhabende Aufsichtsperson des Ortsmuseums Meilen hatte das Buch noch nie aufgeblättert gehabt, freute sich aber, dass sein Inhalt dem Fotografen Roland Gretler und mir so gut gefiel, und hatte nichts dagegen, dass ich einige Passagen exzerpierte und Roland Gretler ein paar Dutzend Seiten integral fotografierte.»[25][26] Der damals kritische Historiker und stellvertretende Chefredaktor der NZZ, Alfred Cattani, nannte das Buch ein Pamphlet, pflichtete Meienberg aber bei, dass das Archiv der Familie veröffentlicht gehöre. Bisher ist dies nicht geschehen, weshalb es bis heute keine kritische Biografie gibt.[27]
«Für mich ist Meienberg vor allem ein grosser Prosaautor. Wo diese Prosa schliesslich erschienen ist, das ist gleichgültig. Das ist ähnlich wie bei Heine. Heinrich Heine hat einen grossen Teil seines Werks für Zeitungen geschrieben. Das gehört heute zur verbindlichen deutschen Prosa.»
Das Schmettern des gallischen Hahns. Reportagen aus Frankreich. Luchterhand, Darmstadt 1976, ISBN 3-472-86415-X; Limmat, Zürich 1987, ISBN 3-85791-123-9.
Reto Caluori: Niklaus Meienberg. Ich habe nicht im Sinn, mich auf schweizerische Gutmütigkeit einzulassen. In: Sibylle Birrer et al.: Nachfragen und Vordenken. Intellektuelles Engagement bei Jean Rudolf von Salis, Golo Mann, Arnold Künzli und Niklaus Meienberg. Chronos, Zürich 2000, ISBN 3-905314-08-8, S. 187–236.
Marianne Fehr: Meienberg. Lebensgeschichte des Schweizer Journalisten und Schriftstellers. Limmat, Zürich 1999, ISBN 3-85791-326-6.[31]
Aline Graf: Der andere Niklaus Meienberg. Aufzeichnungen einer Geliebten. Weltwoche ABC, Zürich 1998, ISBN 3-85504-171-7.
Christiane Kögel: Störrische Saftwurzel. Charmeur und Störenfried – Der Schweizer Niklaus Meienberg fürchtete nur den öffentlichen Konsens. In: Süddeutsche Zeitung vom 16. Juni 2003. (Online).
Christof Stillhard: Meienberg und seine Richter. Vom Umgang der Deutschschweizer Presse mit ihrem Starschreiber. Limmat, Zürich 1992, ISBN 3-85791-209-X.
Film
DER Meienberg. Dokumentarfilm-Porträt von Tobias Wyss. 84 Min. Schweiz 1999.[32]
Ausstellungen
2013/2014: «Warum Meienberg? Pourquoi Meienberg?» Journalist, Historiker, Dichter & Zeitgenosse. Kulturraum am Klosterplatz, St. Gallen (16. August – 29. September 2013) / Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern (16. November 2013 bis 15. Januar 2014)[33][34][35]