1843 ging er mit einem königlichen Stipendium zu seiner weiteren Ausbildung nach Leipzig, wo Felix Mendelssohn Bartholdy sein Mentor wurde. Durch dessen Vermittlung konnte er im Leipziger Gewandhaus seine Ossian-Ouvertüre und zwei Sinfonien, in c-Moll und in E-Dur, zur Aufführung bringen. Für die Saison 1844/45 übernahm er die Leitung der Gewandhauskonzerte, die er im folgenden Winter abwechselnd mit Mendelssohn ausübte. Nach dessen Tod leitete Gade das Orchester wieder allein.[1]
Gade war Anreger einiger Frühwerke Edvard Griegs, unter anderem von dessen erster Sinfonie in c-Moll.
Werk
Gade begann seine Komponistenlaufbahn mit Werken in einem national geprägten Stil: Er ließ sich durch nordische Literatur inspirieren und neigte zu nordisch-volksliedhafter Melodik. Am deutlichsten ausgeprägt ist dies in seiner Ossian-Ouvertüre und seiner ersten Sinfonie.
Die Ossian-Ouvertüre machte ihn schlagartig bekannt, als er mit ihr einen Kompositionswettbewerb gewann, den der Kopenhagener Musikverein veranstaltete.
Die erste Sinfonie wurde in Leipzig uraufgeführt (dirigiert von Felix Mendelssohn Bartholdy; die Sinfonie ist von Mendelssohns Kompositionen beeinflusst); sie hatte viel Erfolg und fand in Robert Schumann einen begeisterten Fürsprecher. Nach den Leipziger Jahren (von 1843 bis 1848) veränderte sich sein Personalstil und wurde mehr kontinental geprägt, was ihm von der dänischen Musikrezeption und nicht zuletzt von seinem norwegischen Kollegen Edvard Grieg gelegentlich vorgeworfen wurde.
Ein gängiges Vorurteil über Gade lautet, seine späten Werke zeichneten sich durch klassische Ausgeglichenheit und die Vermeidung dramatischer Konflikte aus. Die fünfte und achte Sinfonie zeigen jedoch auch andere Charakterzüge. Eigenwillig in der fünften Sinfonie ist schon die Verwendung des Klaviers im Orchestersatz.
Weniger ausgeprägt erscheint das nationale Element in seinen Vokalwerken, den KantatenComala, Erlkönigs Tochter, Frühlingsbotschaft, Die Kreuzfahrer und anderen. Bemerkenswert ist die Kantate Baldurs Traum, in der sich Gade der Tonsprache Richard Wagners nähert.
Ein vollständiges, thematisches Verzeichnis der Werke Gades erschien 2019.[2]
Klaus Henning Oelmann: Griegs Verhältnis zu Niels Wilhelm Gade. In: Edvard Grieg – Versuch einer Orientierung. (= Deutsche Hochschulschriften, Band 485). Egelsbach / St. Peter Port (UK) 1993, ISBN 3-89349-485-5.
Yvonne Wasserloos: Kulturgezeiten. Niels W. Gade und C.F.E. Horneman in Leipzig und Kopenhagen. Hildesheim / Zürich / New York 2004.
Yvonne Wasserloos: „Formel hält uns nicht gebunden, unsre Kunst heißt Poesie“. Niels W. Gade und Robert Schumann – Übergänge zwischen Poetischem und Nationalem. In: Henriette Herwig, Volker Kalisch, Bernd Kortländer, Joseph A. Kruse, Bernd Witte (Hrsg.): Übergänge. Zwischen Künsten und Kulturen. Internationaler Kongress zum 150. Todesjahr von Heinrich Heine und Robert Schumann. Stuttgart / Weimar 2007, S. 521–540.
Yvonne Wasserloos: „Hearing through eyes, seeing through ears.“ Nation and landscapes in the works of Niels W. Gade, Edvard Grieg and Carl Nielsen. In: Studia Musicologica Norvegica, Band 33 (2007), S. 42–52; griegsociety.org (PDF).
↑Thomas Roland: Ein Deutscher in Dänemark und ein Däne in Deutschland – Zwei Komponistenporträts. In: Manfred Gläser, Ingrid Sudhoff (Hrsg.), Nicht nur Sauerkraut und Smørrebrød! Deutschland und Dänemark im 19. und 20. Jahrhundert, Schmidt-Römhild, Lübeck 2005, S. 81–85, S. 85.