Nan Goldin

Nan Goldin 2023 bei der Auszeichnung mit dem Käthe-Kollwitz-Preis

Nan Goldin (* 12. September 1953 in Washington, D.C.) ist eine US-amerikanische Fotografin.

Themen ihrer Fotografien sind LGBT-Subkulturen, Liebe, Sexualität, Drogen und Gewalt.[1] Dabei gewährt die bisexuelle Fotografin sehr persönliche Einblicke in ihr Lebensumfeld.[2] Ihre Bilder sind geprägt von einer schonungslosen Direktheit, die auch vor intimen Momenten nicht zurückschreckt. Ihre bekannteste Arbeit ist die Tonbildschau The Ballad of Sexual Dependency (1980–1986). Goldin gewann im März 2007 den Hasselblad Photography Award. Nach der Überwindung einer Abhängigkeit von dem Schmerzmittel Oxycontin engagierte sich Goldin ab 2018 als Aktivistin gegen die Pharmaunternehmerfamilie Sackler und die Treiber der Opioidkrise in den USA.[3]

Leben

Nan Goldin wurde 1953 in Washington, D.C. geboren. Drei Jahre nach dem Suizid ihrer acht Jahre älteren Schwester Barbara Holly 1964[4] verließ Nan Goldin bereits im Alter von 14 Jahren ihr Elternhaus und zog mit Freunden zusammen. Nach Anfängen als Amateurfotografin und einer ersten Ausstellung ihrer Bilder begann Nan Goldin 1974 ein Studium an der School of the Museum of Fine Arts in Boston. Nach ihrem Abschluss ging sie 1978 nach New York, wo sie auch heute überwiegend lebt und arbeitet. Ihr künstlerischer Durchbruch war ihre zwischen 1980 und 1986 entstandene Diashow The Ballad of Sexual Dependency.[5]

Eingeladen von Alf Bold (1946–1993[6]), dem damaligen Programmleiter des Arsenal-Kinos, reiste sie 1982 erstmals nach Berlin. In der Folge kam sie jährlich nach West-Berlin. Sie fotografierte 1984 das Plakat-Motiv für die Berliner Filmfestspiele. Goldin freundete sich mit Elke Kruse, Nikolaus Utermöhlen und Wolfgang Müller an, den Mitgliedern der Band Die Tödliche Doris. Diese fotografierte sie sowohl in West-Berlin als auch bei deren Auftritten in The Kitchen in New York 1984 und 1987 im MoMA und in Paris. Zu ihren Schülerinnen gehört Sissi Farassat.

Goldin hielt ihr Leben und das Leben und Sterben ihrer Freunde mit der Kamera fest. Sie dokumentierte körperliche Misshandlungen, AIDS-Erkrankungen und die Folgen von Drogenmissbrauch. Kritiker warfen ihr vor, mit ihren intimen Einblicken in die Drogenszene Heroin schick zu machen.[7] Goldin selbst nahm auch Drogen und war für einige Zeit von Heroin abhängig.[7] Seit 1988 lebt sie überwiegend drogenfrei, hatte aber einige Rückfälle. 2014 wurde sie operiert und erhielt Oxycodon als Schmerzmittel, wovon sie dann abhängig wurde.

Ein Bild ihrer Installation Thanksgiving wurde in England wegen des Verdachts der Kinderpornografie beschlagnahmt.[8] Im Jahr 2009 war sie Kuratorin eines der weltweit größten Fotofestivals, der Rencontres d’Arles.

Proteste gegen die Familie Sackler

Etwa 2014 trat bei Goldin eine Medikamentenabhängigkeit von dem Schmerzmittel Oxycontin auf, das ihr nach einer Operation verschrieben worden war.[9][10] Hohe Dosen davon, die sie sich illegal verschaffte, brachten sie in Lebensgefahr. Seit ihrem Entzug engagiert sie sich als Aktivistin.[7] Ab 2018 initiierte sie in mehreren Museen, unter anderem am New Yorker Guggenheim, am MET und in der National Gallery in London, Proteste gegen Spenden der Sackler-Familie, da deren Angehörige als Besitzer von Purdue Pharma nicht nur als Mäzene bekannt sind, sondern auch wirtschaftlich in die Opioid-Epidemie in den USA verwickelt sind. Ihnen wird vorgeworfen, die Gefahren des von ihnen vertriebenen Medikaments bewusst verharmlost zu haben.[11][12]

Im Jahr 2022 wurde Laura Poitras’ biografischen Dokumentarfilm All the Beauty and the Bloodshed veröffentlicht, der während der Zeit ihres Kampfes mit der Organisation P.A.I.N. gegen die Familie Sackler entstand und ihm als Rahmenhandlung dient.[13] Das Werk wurde bei den 79. Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.[14]

Auszeichnungen

Einen ersten Preis bekam Nan Goldin in ihrer ersten Wahlheimat Boston mit dem Englehard Award 1986. Im Jahr darauf bekam sie für den bei Aperture erschienenen Band The Ballad of Sexual Dependency den Kodak Fotobuchpreis in Arles. 1989 folgte der Camera Austria Award. Mit einem DAAD Artists-in-Residence-Stipendium lebte sie 1991 wieder in Berlin. In Frankreich wurde sie 2004 mit einer Medaille der Stadt Paris geehrt und 2006 zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt. Ein Jahr später erhielt sie den renommierten Hasselblad Award.[15]

2011 wurde Nan Goldin der Reminders Day Award im Rahmen der „Reminders Day Aidsgala“ verliehen. Mit ihrer fotografischen Arbeit hat sie AIDS ein individuelles, nicht-voyeuristisches und menschliches Gesicht gegeben und damit maßgeblich zur Enttabuisierung der Krankheit beigetragen. 2019 nahm sie den Kunstpreis Ruth Baumgarte für ihr Lebenswerk entgegen.[16] Auf der Power-100 Liste der Zeitschrift Art Review wird Nan Goldin weltweit als Nummer 2 geführt.[17] Die Akademie der Künste (Berlin) sprach ihr 2022 den Käthe-Kollwitz-Preis zu. Ebenfalls im Jahr 2022 hob das deutsche Kunstmagazin Monopol in seinem Ranking der 100 weltweit einflussreichsten Künstlerinnen und Künstler des Jahres Nan Goldin (neben Ruangrupa) auf den ersten Platz.[18]

Ausstellungen

weitere Stationen: Kunstmuseum Wolfsburg, Stedelijk Museum, Amsterdam, Fotomuseum Winterthur, Kunsthalle Wien und Nationalmuseum, Prag
weitere Stationen: Whitechapel Art Gallery, London, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid; Museu de Arte Contemporânea de Serralves, Porto, Castello di Rivoli, Turin, und Schloss Ujazdów, Warschau
weitere Stationen: Stedelijk Museum, Amsterdam,[26] Neue Nationalgalerie, Berlin[27]

Bibliografie

Commons: Nan Goldin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Käthe-Kollwitz-Preis 2022. Nan Goldin. Abgerufen am 27. März 2023.
  2. Nan Goldin. Abgerufen am 27. März 2023.
  3. Beate Scheder: Fotografin über US-Opioidkrise: „Wir leben in gefährlichen Zeiten“. In: Die Tageszeitung: taz. 9. Juli 2019, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 28. März 2023]).
  4. Barbara Holly Goldin 1945–1964. Abgerufen am 23. März 2021.
  5. Hilton Als: Nan Goldins’s life in progress. In: www.newyorker.com. 4. Juli 2016, abgerufen am 16. Februar 2020.
  6. Alf Bold (1946–1993). Universität der Künste Berlin, abgerufen am 29. September 2022.
    Intimacy. In: schwulesmuseum.de. Abgerufen am 29. September 2022 (Ausstellungsbeschreibung).
  7. a b c Kia Vahland: Profil: Nan Goldin. In: www.sueddeutsche.de. 26. März 2019, abgerufen am 29. August 2019.
  8. Was hängt bei Elton John?. In: n-tv.de. 26. September 2007.
  9. Nan Goldin: I Survived the Opioid Crisis. In: Artforum. 3. Januar 2018, archiviert vom Original; abgerufen am 22. Januar 2018 (englisch).
  10. Sebastian Spallek: Nan Goldin macht Mäzenatenfamilie für ihre Drogensucht verantwortlich. In: Monopol. Magazin für Kunst und Leben. 1. April 2018, abgerufen am 3. April 2020.
  11. Der Spiegel Nr. 26/2019, S. 120 ff.
  12. Joanna Walters, Vanessa Thorpe: Nan Goldin threatens London gallery boycott over £1m gift from Sackler fund. In: The Observer. 17. Februar 2019, ISSN 0029-7712 (theguardian.com [abgerufen am 23. März 2019]).
  13. All the Beauty and the Bloodshed. In: participant.com, Juli 2022 (abgerufen am 31. Juli 2022).
  14. Official Awards of the 79th Venice Film Festival. In: labiennale.org, 10. September 2022 (abgerufen am 10. September 2022).
  15. Nan Goldin: Hasselblad Award Winner 2007. In: Hasselblad Foundation. Abgerufen am 22. September 2024.
  16. „Wir leben in gefährlichen Zeiten“. In: taz.de. 9. Juli 2019, abgerufen am 29. August 2019.
  17. sueddeutsche.de
  18. „Monopol“: Nan Goldin und Ruangrupa sind am einflussreichsten. Deutschlandfunk, 22. November 2022, abgerufen am 18. Oktober 2024.
  19. Edition 1987. Rencontres d'Arles, abgerufen am 22. September 2024 (französisch/englisch).
  20. Edition 1997, Programme – Ethics, aesthetics, politics (Flipbook, S. 35 =19). Rencontres d'Arles, abgerufen am 22. September 2024 (englisch).
  21. Nan Goldin and The Tiger Lillies. Rencontres d'Arles, abgerufen am 22. September 2024 (französisch/englisch).
  22. Sean O'Hagan: Review: Sons, lovers ... and weird things about mothers. In: The Guardian. 12. Juli 2009, abgerufen am 22. September 2024.
  23. Nan Goldin . Poste Restante . Slide Shows/Grids (Memento vom 22. August 2010 im Internet Archive)
  24. Dokumentation der Ausstellung im Onlinearchiv des MoMA. Abgerufen am 25. September 2024.
  25. Marie Kaiser: Nan-Goldin-Ausstellung in Berlin "Jegliche Form von Voyeurismus ist ausgeschlossen". In: rbb24. Rundfunk Berlin-Brandenburg, 23. Januar 2020, abgerufen am 2. März 2023.
  26. Nan Goldin – This Will Not End Well. Stedelijk.nl, abgerufen am 22. September 2024.
  27. Nan Goldin – This Will Not End Well. Staatliche Museen zu Berlin, abgerufen am 22. September 2024.