Das Museum für Lebensgeschichten befindet sich in Speicher im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Es dokumentiert und präsentiert Biografien von historischen oder zeitgenössischen Persönlichkeiten aus der Region.
In den Jahren 2004 bis 2006 baute die Stiftung Leben im Alter in Speicher ein neues Seniorenzentrum mit Alterswohnungen und Pflegeheim. Für die Kunst am Bau wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den der Künstler Hans Ruedi Fricker (1947–2023) aus Trogen gewann. Sein Konzept war, in dynamischen Ausstellungen die Lebensgeschichten von Bewohnerinnen und Bewohnern des Alterszentrums und von aussergewöhnlichen Persönlichkeiten aus den beiden Appenzeller Halbkantonen zu dokumentieren und sichtbar zu machen.[1] Er wollte den im Heim lebenden Personen auch eine Biografie geben und nicht nur eine Zimmernummer. Den Ausstellungsteil ergänzt eine ErinnerBAR: ein Treffpunkt zum Erzählen, Vernetzen und Stöbern in der kleinen Mediathek. Für die Realisierung wurde ein Trägerverein gegründet. Zusammen mit dem Alterswohn- und Pflegezentrum Hof Speicher wurde das Museum für Lebensgeschichten im Juli 2006 eröffnet.[2] Die erste Ausstellung galt dem Leben des Künstlers Hans Krüsi (1920–1995), der in Speicher heimatberechtigt gewesen war.
Das Museum für Lebensgeschichten ist in den Hof Speicher integriert. Das Alterswohn- und Pflegezentrum wurde in den Jahren 2004 bis 2006 von den Architekten Beat Affolter und Piet Kempter aus St. Gallen erstellt.[5] Die Holzbauten sind aussen mit dunklem Naturschiefer verkleidet. Das ganze Alterszentrum besteht aus drei separaten Baukörpern. Im zentralen Haus befindet sich im Eingangsbereich und in den an das öffentliche Restaurant angrenzenden Korridoren das Museum für Lebensgeschichten.[6][7] Das Zentrum des Museums ist die ErinnerBAR in der Lounge.
Sammlung
Das Museum für Lebensgeschichten sammelt keine Gegenstände, sondern es ist ein dynamisches Museum und ein soziokulturelles Projekt. Lebensgeschichten von Bewohnenden und historischen Persönlichkeiten aus der Region werden erzählt, aufgeschrieben und ausgestellt.
Ausstellung
Pro Jahr werden etwa zwei Wechselausstellungen erarbeitet. Sie dokumentieren anhand von Bildmaterial, Texten und Gegenständen das Leben und die Leistungen einer Person. Dabei soll die einzelne Biografie aufgearbeitet und sichtbar gemacht werden, und es soll über das Individuelle hinaus daran erinnert werden, wie man noch vor Kurzem in der Gegend gelebt und gearbeitet hat. Diese Lebenserinnerungen bereichern und erweitern die Sicht auf Zusammenhänge und Entwicklungen bis hin zur Gegenwart. Ausgewählt werden bekannte Persönlichkeiten ebenso wie «einfache Leute».[8] Frühere Ausstellungen zeigten zum Beispiel den hundertjährigen Jakob Eugster, die Künstlerin Roswitha Merz, den Ingenieur und Maler Fred Sager, den Fotografen Mäddel und die Künstlerin Marisa Fuchs, den Musiker und Sticker Ficht Tanner etc. Die Ausstellung im Sommer 2023 gilt Ernst Kriemler (1902–1975), der seinen abenteuerlichen Lebensweg in sieben Schulheften festgehalten hat.
Während die Ausstellungen irgendwann wieder abgebaut werden, bleiben die Geschichten erhalten: Alle Lebensgeschichten werden aufgeschrieben – die meisten davon von professionell Schreibenden. Diese schriftlichen Zeugnisse werden als Broschüren gedruckt, sie sind in der Mediathek und auch auf der Homepage des Museums zugänglich.[9]
Im Kern ist das Museum für Lebensgeschichten ein Oral-History-Projekt. Ein wichtiges Element sind deshalb die monatlichen Erzählcafés, in denen sich ältere Menschen treffen und dazu angeregt werden, Geschichten aus ihrem Leben zu erzählen, Erfahrungen zu teilen und eine Gemeinschaft zu bilden. Die Vernetzung nach innen und aussen fördert ausserdem ein vielgestaltiges Veranstaltungsprogramm.
Bilder
Die Ausstellung über Ernst Kriemler (1902–1975).
Dokumente zu Ernst Kriemler: Fotos und die Schulhefte, in denen er sein Leben aufgeschrieben hat.
Exponate in den Gängen Hof Speicher.
Weitere Angebote
Öffentliches Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen, Lesungen, Musik, Filmvorführungen und Diskussionen. Zu den Ausstellungen gibt es auch Führungen.
Trägerschaft
Das Museum wird von einem Verein getragen, Präsidentin ist Hannelore Schärer. Das Programm erarbeitet der Vorstand, für die Ausstellungen wird fallweise eine Kuratorin oder ein Kurator beigezogen.
Literatur
Christina Weder: Aus dem Leben gegriffen. Der Künstler und Kurator H. R. Fricker hat ein neues Museum initiiert: das «Museum für Lebensgeschichten». In: Appenzeller Zeitung vom 31. März 2006, S. 57.
Rea Brändle: Dein Leben im Museum. In: WOZ Die Wochenzeitung vom 25. Juni 2009, S. 15.
Schweizer Radio SRF 1: Museum für Lebensgeschichten. Treffpunkt vom 28. Mai 2009. (SRF)
10 Jahre Trägerverein des Museums für Lebensgeschichten. (WikiSpeicher)
↑Toni Dörig: Etwas aus der je eigenen Biografie. Hof Speicher: Frickers «Museum der Lebensgeschichten» als künstlerische Gestaltung ausgewählt. In: Appenzeller Zeitung. 30. Mai 2005, S.33.
↑Guido Berlinger-Bolt: Geistige Altersvorsorge gefragt. Am Wochenende wurde das Alterszentrum Hof, Speicher, eingeweiht – und (darin integriert) das Museum für Lebensgeschichten. In: Appenzeller Zeitung. 3. Juli 2006, S.29.
↑Nathalie Grand: Museum für Lebensgeschichten in Speicher. Eine Altersresidenz so lebendig wie das Leben. In: Appenzeller Volksfreund. 16. Mai 2009, S.7.
↑Irène Kost: Das Ende einer Leidensgeschichte. Spatenstich für das Alterszentrum «Zaun» in Speicher. In: Appenzeller Zeitung. 26. Mai 2004.
↑Corina Hugentobler: Viel Interesse am Alterszentrum. Die öffentliche Besichtigung des Rohbaus des Alterswohn- und Pflegezentrums Hof Speicher lockte zahlreiche Interessierte an. In: Appenzeller Zeitung. 16. September 2005, S.49.
↑Andreas Fagetti: Angenehm alt werden. Pflegezentrum, öffentliches Gourmetrestaurant und modernes Wohnen: Im Hof Speicher bricht für ältere Menschen eine neue Zeit an. In: St. Galler Tagblatt. 25. April 2006, S.13.
↑Hans Ruedi Fricker et al.: Museum für Lebensgeschichten im Alterswohn- und Pflegezentrum Hof Speicher: Informationsbroschüre. Speicher 2010 (8 Seiten).