Das Museum Neues Weimar (1919 bis 1946: Thüringisches Landesmuseum; von 1999 bis 2020 Neues Museum Weimar) in Weimar ist ein Museum der Klassik Stiftung Weimar für Kunst und Design um 1900 mit eigener Museumswerkstatt für handwerkliche Arbeiten. Als ehemaliges Großherzogliches Museum wurde es 1869 als einer der ersten deutschen Museumsbauten errichtet. Es liegt in der Nordvorstadt.
Großherzogliches Museum / Thüringisches Landesmuseum
Das Museumsgebäude wurde als Großherzogliches Museum[1] zwischen 1864 und 1869 vom Prager Architekten Josef Zítek errichtet. Da es ein öffentliches Gebäude war, unterstand das Bauvorhaben dem Großherzoglichen Oberbaudirektor Carl Heinrich Ferdinand Streichhan. Die Bauleitung lag bei Carl Martin von Stegmann. Dabei wurden vor allem zeitgenössische Formen der Neorenaissance verwendet. Die Festlegung des Standortes des Neuen Museums und seine Einbeziehung in das Bahnhofsviertel gehen auf Ernst Heinrich Kohl zurück.[2] Der Museumsbau wurde am Fries des Stegmannschen Hauses parodiert.
„Als das Museum am 27. Juni 1869 feierlich eröffnet wurde, sparte die Presse wiederum nicht mit Lob: Entstanden sei ‚ein prächtiger Bau von seltener Reinheit des Stils und Schönheit der Form.‘ Zítek hatte ein in jeder Hinsicht überzeugendes Werk geschaffen, das sich in seiner Baugestalt, im Formenvokabular und in der Ausstattung am Stil der italienischen Hochrenaissance orientierte. Die Zeitgenossen hoben als besonderes bemerkenswert auch den ‚Materialbau‘ und die hier erzielte, erlesene Polychromie hervor. Mit dem Weimarer Museum, seinem Erstlingswerk, hatte Zítek nicht nur in der kleinen Residenzstadt neue Maßstäbe gesetzt (...), sondern sich einen Platz in der deutschen, ja internationalen Architekturszene erobert.“
– Kerstin Vogel: Carl Heinrich Ferdinand Streichhan. Architekt und Oberbaudirektor in Sachsen-Weimar-Eisenach 1848–1884 (Diss.), Weimar 2009. – zur zeitgenössischen Rezeption von Ziteks Bauwerk[3]
Nach der Abdankung der Weimarer Herzogsfamilie wurde das Museum im Jahr 1919 in „Thüringisches Landesmuseum“ umbenannt.[4] In den 1920er Jahren wurde hier die umstrittene Avantgarde präsentiert.[4]
Gauforum und Luftangriffe
Ab 1937 wurde es baulich in das Gauforum Weimar einbezogen. Dabei wurde der Vimaria-Brunnen entfernt; er ist seither verschollen. Bei den Luftangriffen auf Weimar im März 1945 beschädigten Luftminen das Dach des Gebäudes.
Verfall des Gebäudes in der Nachkriegszeit und in der DDR
Das Gebäude wurde für die 1. Thüringer Kunstausstellung 1946 instand gesetzt. Danach begann der Ausbau aller verwertbaren Materialien für andere Gebäude. So erhielt das wiederaufgebaute Deutsche Nationaltheater die Heizungsanlage des Museums. Dies führte ab 1948 zum Verfall des Gebäudes.[5] Zur DDR-Zeit verkam der Bau bis auf die Außenmauern zur Ruine, und es gab Überlegungen zu seiner Sprengung.[6]
Wiederaufbau und heutige Nutzung
Noch vor der Friedlichen Revolution 1989/1990 erhoben engagierte Weimarer Bürger Forderungen nach einem Wiederaufbau des Museums. 1988 begannen Sicherungsmaßnahmen an dem verfallenen Gebäude. Der Wiederaufbau erfolgte auf der noch soliden Bausubstanz zwischen 1996 und 1998.
Im Jahr 1999 wurde das Gebäude als Neues Museum wiedereröffnet. Volker Wahl trat bei der Benennung hingegen dafür ein, ihm wieder den Namen Landesmuseum zu geben.[7]
Die im April 2019 eröffnete DauerausstellungVan de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900, präsentiert internationale Werke der frühen Moderne von der Weimarer Malerschule bis zu Henry van de Velde.[8] Ausgehend von Friedrich Nietzsche als Vordenker werden Positionen der frühen Moderne in Weimar vorgestellt. Hierzu zählen beispielsweise die Werke der von Harry Graf Kessler als Museumsdirektor geförderten Avantgarde von Claude Monet bis Max Beckmann. Einen roten Faden durch die Ausstellung bildet dabei die Erzählung von den gemeinsamen Bestrebungen von Harry Graf Kessler, Henry van de Velde und Elisabeth Förster-Nietzsche, ein "Neues Weimar" zu schaffen, das die kulturelle Tradition Weimars mit dem Aufbruch der Moderne verknüpfen sollte - ein Ansinnen, das nicht zuletzt an den unterschiedlichen Weltanschauungen der Beteiligten scheiterte, dem Werbeclaim zur Ausstellung nach jedoch die "Wege zum Bauhaus" bereitete.[9]
Die Dauerausstellung wird ergänzend mit der Mobile AppWeimar+ multimedial erfahrbar. Sie bietet als interaktiver elektronischer Museumsführer mit einer Audioführung vertiefende Materialien zu Objekten im Museum.
Zusammen mit dem Bauhaus-Museum Weimar ist das Museum Neues Weimar seit dem „Bauhausjahr 2019“ Teil des Quartiers Weimarer Moderne.[10]
Interieur
Zum wichtigsten Interieur gehören die Gemälde von Friedrich Preller dem Älteren, die Themen der homerischen Epen darstellen. Von ihm befindet sich auch eine Büste dort. Im Treppenhaus ist seit 1865 die monumentale Plastik Goethe und Psyche zu sehen, die Carl Steinhäuser 1851 nach einem Entwurf von Bettina von Arnim gestaltete. Diese wurde in Rom aus Carrara-Marmor gearbeitet. Ihr ursprünglicher Aufstellungsort war seit 1853 nach einem aufwendigen Transport im Tempelherrenhaus. Diese Kolossalstatue hat ein Gewicht von über 10 Tonnen. Dieser Transport wurde am Stegmannschen Haus künstlerisch thematisiert.[11]
Am Eingang verneigt sich die von dem Düsseldorfer Künstler Thomas Schütte 2004 geschaffene, 2,5 m hohe Bronze-Skulptur Großer Geist Nr. 4 vor dem Besucher und vor der ausgestellten Kunst.[12]
Arte Povera – aus der Sammlung des Kunstmuseum Liechtenstein (18. August 2012 – 21. September 2012)
Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen (19. Oktober 2012 – 3. Februar 2013)
Henry van de Velde – Leidenschaft, Funktion und Schönheit und sein Beitrag zur europäischen Moderne (24. März 2013 – 23. Juni 2014)
Walter Sachs – Rückblick auf Gegenwärtiges (28. Februar 2014 – 21. April 2014)
StipVisite – Thüringer Stipendiaten für Bildende Kunst 2013 (21. März 2014 – 11. Mai 2014)
Claus Bury, meine Sicht (11. Mai 2014 – 22. Juni 2014)
Krieg der Geister – Weimar als Symbolort deutscher Kultur vor und nach 1914 (1. September 2014 – 9. November 2014)
Was bleibt? – Ein Versuch zur Gegenwart (8. August 2014 – 3. November 2014)
Winckelmann – Moderne Antike (7. April 2017 – 2. Juli 2017)
Wege aus dem Bauhaus – Gerhard Marcks und sein Freundeskreis (17. August 2017 – 5. November 2017)
Nietzsche privat – Eine (un)mögliche Ausstellung (25. August 2023 – 15. Januar 2024)
Literatur
(chronologisch geordnet) Museumsgeschichte und Dauerausstellungen
Catalog des Grossherzoglichen Museums zu Weimar. 3. Aufl. Hof-Buchdruckerei, Weimar 1873 (Digitalisat im Internet Archive).
Rolf Bothe: Neues Museum Weimar – Geschichte und Ausblick. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 1997, ISBN 3-422-06211-4.
Hendrik Ziegler: Karlsruhe als Vorbild? Das Großherzogliche Museum in Weimar und seine Ursprünge. In: Gert-Dieter Ulferts, Thomas Föhl (Hrsg.): Von Berlin nach Weimar. Band 2: Von der Kunstkammer zum Neuen Museum. 300 Jahre Sammlungen und Museen in Weimar. Deutscher Kunstverlag, Berlin / München 2003, DNB968475167, S. 126–143 (PDF).
Thomas Föhl, Wolfgang Holler, Sabine Walter (Hrsg.): Neues Museum Weimar – Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900 (= Begleitband zur gleichnamigen Dauerausstellung). Hirmer, München 2019, ISBN 978-3-7774-3277-9.
Paul Kahl: Die Weimarer Museen. Ein erinnerungskulturelles Handbuch. Sandstein, Dresden 2022, ISBN 978-3-95498-635-4, S. 117–122.
Sonder- und Wechselausstellungen
Ulrike Bestgen (Hrsg.): „… zum Raum wird hier die Zeit“ – Günther Uecker, Bühnenskulpturen und optische Partituren. G + H Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-931768-60-0.
Thomas Föhl (Hrsg.): Norbert Tadeusz, Italien sichten. Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, Weimar 2003, DNB97426475X.
Moritz Wullen, Maren Eichhorn (Hrsg.): Kunst der Weimarer Republik – Meisterwerke der Nationalgalerie Berlin. DuMont, Köln 2004, ISBN 978-3-8321-7499-6.
Ernst-Gerhard Güse, Ulrike Bestgen (Hrsg.): Der erste Blick, die Sammlung GAG. Klassik-Stiftung Weimar, Weimar 2006, ISBN 978-3-7443-0133-6.
Jörg Völlnagel, Moritz Wullen (Hrsg.): Die Nacht und ihre Kinder. Staatliche Museen zu Berlin u. a., Berlin 2006, ISBN 3-88609-538-X.
Volkhard Knigge, Harry Stein (Hrsg.): Franz Ehrlich – Ein Bauhäusler in Widerstand und Konzentrationslager. Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Weimar 2009, ISBN 978-3-935598-15-6.
Gerda Wendermann: Hinaus in die Natur! Barbizon, die Weimarer Malerschule und der Aufbruch zum Impressionismus. Kerber, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-86678-381-2.
Siegfried Gronert, Thomas von Taschitzki (Hrsg.): Vom Labor zum Projekt – Ausstellung, Symposium Fakultät Gestaltung Bauhaus-Universität Weimar. Bauhaus-Universitätsverlag, Weimar 2011, ISBN 978-3-86068-459-7.
Ulrike Bestgen u. a. (Hrsg.): Hans-Christian Schink – Fotografien 1980 bis 2010. Hatje Cantz, Ostfildern 2011, ISBN 978-3-7757-2826-3.
Friedemann Malsch (Hrsg.): Arte Povera – aus der Sammlung des Kunstmuseum Liechtenstein. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 2012, ISBN 978-3-412-21000-7.
Karl-Siegbert Rehberg, Wolfgang Holler, Paul Kaiser (Hrsg.): Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen. König, Köln 2012, ISBN 978-3-86335-224-0.
Thomas Föhl, Sabine Walter: Henry van de Velde – Leidenschaft, Funktion und Schönheit und sein Beitrag zur europäischen Moderne. Weimarer Verlagsgesellschaft, Weimar 2013, ISBN 978-3-86539-685-3.
Klassik Stiftung Weimar, Stadt Weimar (Hrsg.): Walter Sachs – Rückblick auf Gegenwärtiges. Klassik Stiftung Weimar, Weimar 2014, ISBN 978-3-7443-0182-4.
Nicole Mende (Hrsg.): Claus Bury, meine Sicht. Wienand, Köln 2014, ISBN 978-3-86832-218-7.
Wolfgang Holler, Gerda Wendermann, Gudrun Püschel: Krieg der Geister – Weimar als Symbolort deutscher Kultur vor und nach 1914. Sandstein, Dresden 2014, ISBN 978-3-95498-072-7.
Michael Merkel: Was bleibt? – Ein Versuch zur Gegenwart. Lucia Verlag, Weimar 2014, ISBN 978-3-945301-19-7.
Elisabeth Décultot, Martin Dönikeu. a. (Hrsg.): Winckelmann – Moderne Antike. Hirmer, München 2017, ISBN 978-3-7774-2756-0.
Anke Blümm, Ulrike Bestgen u. a. (Hrsg.): Wege aus dem Bauhaus – Gerhard Marcks und sein Freundeskreis. Klassik Stiftung Weimar, Weimar 2017, ISBN 978-3-7443-0305-7.
↑Kerstin Vogel: Carl Heinrich Ferdinand Streichhan – Architekt und Oberbaudirektor im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach 1848 bis 1884. Dissertation. Weimar 2009, S. 146 ([1] PDF).
↑Götz Eckardt (Hrsg.): Schicksale deutscher Baudenkmale im zweiten Weltkrieg. Eine Dokumentation der Schäden und Totalverluste auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik. Band 2. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin 1980, S. 501.
↑Günter Wermusch: Kriegsbeute aus der Goethe-Stadt. Auf der Suche nach den geraubten Kunstschätzen: Eine Aktion rund um die Welt. In: Die Zeit. 30. November 1990 (zeit.de).
↑Axel Stefek: Kraft der Tiere. In: Axel Stefek (Hrsg.): Energie in Weimar vom Mittelalter bis in die neuere Zeit (= Stadtwerke Weimar Stadtversorgungs-GmbH [Hrsg.]: Energiegeschichte der Stadt Weimar. Band1). Weimar 2016, ISBN 978-3-00-053509-3, Kapitel 2. Muskeln. Kraft der Tiere, S.75–104, Seite 85 ff..