Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Modafinil wurde bis 2011 ausschließlich von dem ehemaligen Pharmaunternehmen Cephalon (jetzt Teva) vertrieben, ist aber inzwischen auch als Generikum verfügbar.
Modafinil ist in Deutschland zugelassen zur Behandlung exzessiver Schläfrigkeit, die im Rahmen einer Narkolepsie auftritt.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat 2011 nach einem Sicherheitsbewertungsverfahren eine Zulassungseinschränkung empfohlen, da für folgende Erkrankungen das Nutzen/Risiko-Verhältnis von Modafinil nicht länger als günstig angesehen wird:[8]
Mittelschweres bis schweres chronisches Schichtarbeiter-Syndrom mit exzessiver Schläfrigkeit bei Patienten mit Nachtschicht-Wechsel (SWSD), wenn andere schlafhygienische Maßnahmen zu keiner Besserung geführt haben.
In den USA ist Modafinil hingegen weiterhin zugelassen für die Behandlung der exzessiven Schläfrigkeit, die bei Narkolepsie, beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom oder beim chronischen Schichtarbeiter-Syndrom auftritt.[9]
Eine Verordnung bei anderen Krankheiten geschieht off-Label (z. B. Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom,[10]Multiple Sklerose,[11]ADHS,[12]Depression oder Essstörungen[13]) und wird von den Krankenkassen normalerweise nicht erstattet (Regresshaftung der Ärzte). In Deutschland sind nur wenige Amphetamin-ähnliche bzw. stimulierende Medikamente auf dem Markt und auch eine berauschende Wirkung tritt normalerweise nicht ein. Auch wirkt Modafinil gerade im direkten Vergleich zu illegalen Stimulanzien wie Kokain oder (Meth-)Amphetamin deutlich unterschwelliger,[14] und hat daher auch ein wesentlich geringeres Suchtpotenzial.
Als Nebenwirkung tritt eine dosisabhängige Erhöhung von Leberfunktionsindikatoren wie der alkalischen Phosphatase und der γ-Glutamyltransferase (GGT) in der Blutanalyse auf, wobei letzteres auch typisch für regelmäßigen Alkoholgenuss wäre.[16]
Modafinil ist nach dem Auftreten von Hautausschlägen sofort abzusetzen, da sonst lebensbedrohliche Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten können.[17]
Aufgrund von Fallberichten besteht der Verdacht, dass die Anwendung von Modafinil in der Schwangerschaft zu schweren, angeborenen Fehlbildungen führen kann. Ein spezifisches Fehlbildungsmuster wurde nicht beobachtet, wie der Hersteller in einem Rote-Hand-Brief im Mai 2019 informierte.[18] Während der Schwangerschaft soll Modafinil daher nicht angewendet werden, Patientinnen im gebärfähigen Alter müssen eine zuverlässige Methode zur Schwangerschaftsverhütung anwenden.
Pharmakologie
Wirkungsweise
Der genaue Wirkmechanismus von Modafinil ist nicht bekannt. Ein Teil der Wirkung wird durch einen zentral vermittelten, selektiven α1-Agonismus verursacht.[19] Als gesichert gilt, dass der Wirkstoff die Konzentration bestimmter Neurotransmitter wie z. B. Dopamin, Serotonin oder Noradrenalin erhöht.[20]
Verstoffwechselung
Modafinil wird schnell resorbiert, die maximale Plasmakonzentration wird zwei bis vier Stunden nach der Einnahme erreicht. Der Wirkstoff weist eine mäßige Bindung an Plasmaproteine (ca. 60 %) auf, vor allem an Albumin. Die Plasmahalbwertszeit beträgt bei einmaliger Einnahme 10–12 Stunden, bei fortlaufender Einnahme im Steady-State 15 Stunden. Wirksame Metaboliten sind nicht bekannt.[21]
Synthese
Die Synthese von racemischen Modafinil geht vom Benzhydrol aus, welches mit Chloressigsäure und Thioharnstoff zur 2-(Diphenylmethylthio)-essigsäure umgesetzt wird. Diese wird über das Säurechlorid in das entsprechende Säureamid umgewandelt. Die anschließende Oxidation mit Wasserstoffperoxid ergibt das Sulfoxid.[22] Dabei entsteht das Racemat, eine 1:1-Mischung von (R)-Enantiomer und (S)-Enantiomer des Arzneistoffs.
Die Herstellung von Enantiomeren-reinem Modafinil geht von der racemischen 2-(Diphenylmethylsulfinyl)-essigsäure aus, welche mit (R)-4-Phenyl-thiazolidin-2-thion in Gegenwart von DCC gekuppelt wird. Das resultierende Diastereomerenpaar kann chromatographisch getrennt werden. Enantiomerenreines Modafinil ergibt sich dann durch die Umsetzung der reinen Diastereomeren mit Ammoniakwasser.[4]
In der Schweiz ist Modafinil in die Abgabekategorie A eingestuft, ein Rezept berechtigt somit zum einmaligen Bezug in der Apotheke.
Auch in vielen anderen Ländern ist Modafinil rezeptpflichtig. In den USA unterliegt Modafinil einer Verschreibungspflicht nach einem abgestuften System, das der deutschen Betäubungsmittelverschreibung entspricht. Es wird dort in die niedrigste Kategorie (Schedule) C IV eingestuft.
Adrafinil-haltige Arzneimittel hingegen können in manchen Ländern rezeptfrei gekauft werden. In seiner Wirkung entspricht Adrafinil dem Modafinil, der Effekt setzt jedoch aufgrund der Prodrugwirkung verzögert ein.
Missbrauch
Ähnlich wie Methylphenidat wird es vor Klausuren oder der Arbeit konsumiert, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern.[24] In einer placebokontrollierten Studie wurden teilweise positive Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit bei einer Dosierung von 100–200 mg gefunden.[25]
In den USA stieg der Umsatz mit Provigil (amerikanischer Handelsname von Modafinil) von 196 Millionen Dollar im Jahr 2002 auf 988 Millionen Dollar im Jahr 2008. In Studien gab es Hinweise auf ein Abhängigkeitspotential. Die Langzeitwirkung von Modafinil wurde nicht untersucht; dennoch empfiehlt das US-Militär seinen Soldaten die Einnahme von Provigil vor langen Einsätzen mit hoher Stressbelastung.
Im Sport gilt Modafinil als verbotene Dopingsubstanz. Inzwischen wurden Dopingfälle bekannt. Ein prominenter Fall ist die US-Leichtathletin und Sprint-Weltmeisterin Kelli White.
Gerade im Vergleich zu anderen Neurostimulanzien (v. a. Amphetamin und seine Derivate, ferner auch Kokain), ist das Suchtpotenzial von Modafinil eher gering, auch da bestimmte Suchtmechanismen (wie verstärkte Euphorie) bei Einnahme eher seltener auftreten.[26]
Entwicklung und Vermarktung
Hersteller war Cephalon Frankreich (vormals Laboratoire L.Lafon), der Vertrieb in Deutschland erfolgte durch die Merckle GmbH in Blaubeuren. Von 2002 bis zur Übernahme durch Teva vertrieb die deutsche Tochtergesellschaft der amerikanischen biopharmazeutischen Firma Cephalon das Medikament.
In den USA wurde Modafinil 1993 von Frank Baldino, dem Gründer des Unternehmens Cephalon, lizenziert. 2006 erzielte Cephalon allein mit Modafinil einen Umsatz von 727 Millionen US-Dollar.[27] Im Februar 2007 wurde das Unternehmen von der US-Arzneimittelbehörde (FDA) offiziell abgemahnt wegen rechtswidriger Werbung für die Anwendung von Modafinil in anderen als den zugelassenen Indikationen.[28] Cephalon wurde 2011 vom israelischen Pharmaunternehmen Teva übernommen.
Nach dem Ablauf der Schutzfristen kamen ab 2011 verschiedene Generika-Anbieter hinzu, wie Glenmark Arzneimittel, Heumann Pharma, Aurobindo Pharma und Neuraxpharm Arzneimittel.
↑Y. In, K. Tomoo, T. Ishida, Y. Sakamoto: Crystal and Molecular Structure of an (S)-(+)-Enantiomer of Modafinil, a Novel Wake-Promoting Agent. In: Chem. Pharm. Bull. 52, 2004, S. 1186–1189.
↑ abEintrag zu Modafinil. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 30. September 2014.
↑ abA. Osorio-Lozada, T. Prisinzano, F. Olivo: Synthesis and determination of the absolute stereochemistry of the enantiomers of afrafinil and modafinil. In: Tetrahedron:Asymmetry, 15, 2004, S. 3811–3815, doi:10.1016/j.tetasy.2004.10.019.
↑ abcdPhysicians’ Desk Reference. 62. Auflage, Thomson Health Care Inc., Montvale NJ 2008, S. 988.
↑Stephanie L. Grach, Jaime Seltzer, Tony Y. Chon, Ravindra Ganesh: Diagnosis and Management of Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome. In: Mayo Clinic Proceedings. Band98, Nr.10, Oktober 2023, S.1550, doi:10.1016/j.mayocp.2023.07.032.
↑Chiara Pinarello, Julia Elmers, Hernán Inojosa, Christian Beste, Tjalf Ziemssen: Management of multiple sclerosis fatigue in the digital age: from assessment to treatment. In: Frontiers in Neuroscience. Band17, 5. Oktober 2023, S.5–6, doi:10.3389/fnins.2023.1231321, PMID 37869507, PMC 10585158 (freier Volltext).
↑J. Biederman, S. R. Pliszka: Modafinil improves symptoms of attention-deficit/hyperactivity disorder across subtypes in children and adolescents. In: J Pediatr. 152. Jahrgang, Nr.3, 2008, S.394–399, doi:10.1016/j.jpeds.2007.07.052, PMID 18280848 (englisch).
↑D. C. Turner, T. W. Robbins, L. Clark, A. R. Aron, J. Dowson, B. J. Sahakian: Cognitive enhancing effects of modafinil in healthy volunteers. In: Psychopharmacology. Bd. 165, Nummer 3, Januar 2003, S. 260–269, doi:10.1007/s00213-002-1250-8. PMID 12417966.
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