Dieser Artikel behandelt die Gemeinde Mehrstetten im Landkreis Reutlingen. Zum gleichnamigen Ortsteil von Ballendorf im Alb-Donau-Kreis siehe Mehrstetten (Ballendorf).
Zur Gemeinde gehören das Dorf Mehrstetten, die Siedlung Greut, das Gehöft Ziegelhof und die Häusergruppe Bahnhof Mehrstetten. Im Gemeindegebiet liegt die Wüstung Aymstetten.[2]
Mehrstetten wurde um das Jahr 1300 als Merstetten zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Im ausgehenden Hochmittelalter war das Dorf Bestandteil des Gebiets der Herren von Gundelfingen und geriet nach deren Niedergang in den Einflussbereich des Hauses Habsburg und dessen Besitzungen in Vorderösterreich. In den folgenden Jahrhunderten gelang es jedoch dem Haus Württemberg, trotz des Widerwillens der Dorfbewohner, sowohl die hohe als auch die niedere Gerichtsbarkeit und somit die Gesamtobrigkeit gegen das Haus Habsburg durchzusetzen.
Kirchlich gehörte Mehrstetten zunächst zu Münsingen. Eine Pfarrei wurde vermutlich im 15. Jahrhundert errichtet. 1534 wurde die Reformation eingeführt, seither ist der Ort evangelisch geprägt. Die heutige evangelische Kirchengemeinde Mehrstetten umfasst die Gemeinde Mehrstetten. Zusammen mit der evangelischen Kirchengemeinde Sondernach, welche die Stadtteile Sondernach, Gundershofen und Hütten der Stadt Schelklingen umfasst, bildet sie die evangelische Gesamtkirchengemeinde Mehrstetten-Sondernach[5] im Kirchenbezirk Bad Urach-Münsingen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.
Politik
Gemeinderat
Der Gemeinderat in Mehrstetten besteht aus den 10 gewählten ehrenamtlichen Gemeinderäten und dem Bürgermeister als Vorsitzenden. Der Bürgermeister ist im Gemeinderat stimmberechtigt. Die Kommunalwahl am 9. Juni 2024 führte zu folgendem Endergebnis. Die Wahlbeteiligung lag bei 70,03 % (2019: 66,94 %).
Der Bürgermeister wird für eine Amtszeit von acht Jahren gewählt. Robert Mellinghoff amtiert seit dem 7. Mai 2022. Er wurde am 6. März 2022 im zweiten Wahlgang mit 50,8 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Seine Vorgängerin Franziska Kenntner legte ihr Amt vorzeitig Ende 2021 nieder.
Wappenbegründung: Die beiden Rosse im Wappen sollen auf den Gemeindenamen hinweisen, der sich vielleicht von „Mähre“ = Ross herleiten lässt.
Das Gemeindewappen wurde am 18. März 1939 von damaligen Reichsstatthalter in Württemberg verliehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Gemeinderat dieses Wappen am 20. April 1956 bestätigt und zugleich die Flaggenfarben festgelegt.
Mehrstetten unterhält eine Partnerschaft mit dem ungarischen Herceghalom.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Evangelische Kirche
Die Georgskirche ist eine spätgotische Chorturmanlage aus dem 15. Jahrhundert, das Schiff wurde 1577 und 1828 nochmals erweitert. Im Jahre 1933 wurden zwei Farbglasfenster eingebaut: ein Rundfenster von Ernst H. Graeser, das jedoch um 1971 wieder ausgebaut wurde (Reste erhalten),[7] und das Chorfenster von Walter Kohler mit dem Motiv des auferstandenen Christus mit Kreuznimbus.
Heimatmuseum
Außergewöhnliche Stücke über das dörfliche Leben auf der Albhochfläche im 19. Jahrhundert haben die Mitglieder des ehrenamtlich geführten Museums im ehemaligen Farrenstall von Mehrstetten zusammengetragen. Das Heimatmuseum wurde 1991 eröffnet.
Bei einem Rundgang trifft man auf eine Küche mit dem alten Holzherd und Butterfass und auf die gute Stube, wo über dem Ofen Schuhe und Wäsche zum Trocknen hängen. Im Schlafzimmer steht ein Himmelbett mit dazugehörendem Schrank. Interessant ist die einzigartige Sammlung von mehr als 200 alten Leinensäcken. Diese gehörten früher zum wertvollsten Besitz der Menschen. Sie wurden mit Namen versehen und häufig durchnummeriert. Sogar Besitzerwechsel nach Erbfällen kann man dem Leinen heute noch entnehmen, alte Namen wurden gestrichen und neue darunter geschrieben. Eine handbetriebene Sackausklopfmaschine wird ebenfalls gezeigt.
Es finden Schau- und Handwerkertage statt, bei denen es viel zu erleben gibt. Die alte Schmiede wird genauso in Betrieb genommen wie eine alte Transmission oder ein 400 Jahre alter Webstuhl. Von Mai bis Oktober ist das Museum jeden ersten Sonntag im Monat von 13.30 bis 16.30 Uhr geöffnet.
Regelmäßige Veranstaltungen
Hockete vom JuZe Mehrstetten, jährlich am zweiten Augustwochenende
Herbstfest der Musikkapelle Mehrstetten, jährlich am letzten Oktoberwochenende
Landesarchivdirektion Baden-Württemberg (Hrsg.) 1997: Der Landkreis Reutlingen. Bearb. von der Außenstelle Tübingen der Abteilung Landesforschung und Landesbeschreibung in der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg. Bd. 1. A. Allgemeiner Teil – B. Gemeindebeschreibungen Bad Urach bis Metzingen. Sigmaringen: Thorbecke.
Sönke Lorenz und Christian Eberhardt (Hrsg.) (2002): Mehrstetten: Geschichte eines Dorfes auf der Schwäbischen Alb. Im Auftrag der Gemeinde Mehrstetten hrsg. von ... Filderstadt: Markstein-Verlag (Gemeinde im Wandel, Band 10). ISBN 3-935129-06-8.
↑Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band VII: Regierungsbezirk Tübingen. Kohlhammer, Stuttgart 1978, ISBN 3-17-004807-4. S. 53–54
↑Wappenbeschreibung bei leo bw – landeskunde entdecken online; abgerufen am 19. Januar 2024
↑Albrecht Vaihinger: Wiederentdeckt – Ernst H. Graeser 1884-1944; Selbstverlag, o. O. (Esslingen) 2009 (erhältlich beim Ev. Pfarramt St. Bernhardt in Esslingen)
↑Rainer Stein: Der württembergische Einheitsbahnhof auf Nebenbahnen. In: Eisenbahn-Journal Württemberg-Report. Band1, Nr.V/96. Merker, Fürstenfeldbruck 1996, ISBN 3-922404-96-0, S.80–83.