Zur Zeit der Weimarer Republik spielte Max von Baden keine staatspolitische Rolle mehr. Bis zu seinem Tod im Jahr 1929 widmete er sich vor allem der von ihm 1919 mitgegründeten und bis heute bestehenden Reformschule Schloss Salem.
Er war homosexuell, entschloss sich aber aus dynastischen Gründen zu einem Leben als Ehemann und Familienvater, ähnlich wie sein Cousin Gustav V. von Schweden. Er war dadurch erpressbar, was sich am Ende seiner Zeit als Reichskanzler verhängnisvoll auswirkte.[3]
Am 1. November drohte ihm die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg telefonisch, sie würde seine Homosexualität öffentlich machen, wenn er ihren Mann zur Abdankung zwänge. Er erlitt daraufhin einen Nervenzusammenbruch und musste mit einem opiumhaltigen Medikament in einen mehrtägigen Dauerschlaf versetzt werden.[4]
Mindestens ab 1912 hatte er eine Beziehung mit dem Geologen Wilhelm Paulcke.[5]
Offenbar war er auch landwirtschaftlich engagiert. Auf der badischen StaatsdomäneKirschgartshausen bei Mannheim, die gleichzeitig Hausfideikommiss-Bestandteil seiner Familie war, befinden sich zwei auf ihn als Bauherrn bezogene Inschriften: ERBAUT UNTER MAXIMILIAN PRINZ UND MARKGRAF VON BADEN · 1909 und MAXIMILIAN PRINZ U. MARKGRAF ZU BADEN · 1911.
1914 wurde er reaktiviert und nahm für kurze Zeit seinen Dienst beim Generalstab des XIV. Armee-Korps auf, dem die badischen Truppenkontingente unterstanden. Aber schon im Oktober kehrte er nach Baden zurück. Wilhelm II. beförderte ihn im Dezember 1914 zum General der Kavallerie.[6] Neben seiner Zuteilung zum Generalkommando des XIV. Armee-Korps widmete sich Max ab Oktober als Ehrenpräsident des Badischen Roten Kreuzes während des ganzen Krieges der Fürsorge für Kriegsgefangene aller Nationalitäten. 1916 wurde er Ehrenpräsident der deutsch-amerikanischen Kriegsgefangenenhilfe des Weltbundes der Christlichen Vereine Junger Männer (CVJM). Frontdienst verweigerte er, was ihm als Versagen ausgelegt wurde; er wurde als „Sanitätsgeneral“ verspottet.[7]
Prinz Max galt als liberaler Aristokrat und wurde immer mehr zum Kristallisationspunkt des gemäßigten politischen Lagers, das in Opposition zum ultrarechten Flügel, vertreten durch die Oberste Heeresleitung, stand. Schon 1917 lehnte er öffentlich die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges ab, der schließlich am 6. April 1917 zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika führte.
Eine bemerkenswerte Ambivalenz der Persönlichkeit trat 2004 zutage, als ein freundschaftlicher Briefwechsel mit dem Antisemiten und Rasse-IdeologenHouston Stewart Chamberlain im Archiv der Richard-Wagner-Gedenkstätte in Bayreuth entdeckt wurde.[8] Briefe und Telegramme aus den Jahren 1909 bis 1919 enthalten auf der einen Seite zahlreiche antisemitische Äußerungen Chamberlains, denen der Prinz nicht widersprach. In einem Brief aus dem Jahr 1916 äußerte er sogar, die „Gefahr der Verjudung“ sei ihm gegenwärtig. Gleichzeitig war einer seiner engsten Vertrauten, Kurt Hahn, mit dem er die Schule Schloss Salem gründete, jüdischer Herkunft.
Hahn war es, der den Prinzen auf den Gedanken brachte, Politiker zu werden. Obwohl er über keinerlei politische Erfahrung verfügte, entwickelte Max im Spätsommer die Vorstellung, er könne die Welt mit einer Friedensbotschaft beeindrucken und so Deutschland aus der absehbaren militärischen Niederlage retten. Dass dieses Konzept vielleicht nicht aufgehen würde, kam ihm, wie Lothar Machtan schreibt, nicht in den Sinn: „Einen Plan B hatte er nicht parat.“[9]
Reichskanzlerschaft 1918
Als man Anfang Oktober 1918 in Berlin – den drohenden militärischen Zusammenbruch vor Augen – hastig einen glaubwürdigen Regierungschef für die anstehenden Waffenstillstandsverhandlungen suchte, schien Max von Baden der richtige Mann zu sein. Man hoffte darauf, dass er wegen seiner nationalen und internationalen Reputation und wegen seines Eintretens gegen den uneingeschränkten U-Boot-Krieg vom US-amerikanischen PräsidentenWoodrow Wilson akzeptiert werden würde, obwohl die Berufung eines großherzoglichen Prinzen nicht das beste Zeichen für die anstehende Demokratisierung darstellte. Auch mangelte es Max von Baden an Führungskraft für die schwierigen Aufgaben.[10]
Aber auch innenpolitisch war die Oberste Heeresleitung zu Zugeständnissen bereit, um die Glaubwürdigkeit des Gesuchs zu untermauern. Erich Ludendorff selbst forderte die Umwandlung des Reiches in eine parlamentarische Monarchie unter Einbeziehung der oppositionellen Parteien, v. a. der Sozialdemokraten, um das Waffenstillstandsgesuch nicht selbst übergeben und die Verantwortung für die militärische Niederlage übernehmen zu müssen. Auch hier schien Prinz Max von Baden als Liberaler und Mitglied des badischen Fürstenhauses für Sozialdemokraten und Konservative gleichermaßen ein annehmbarer Kandidat. Nur der besonders reaktionäre General Karl von Einem soll gerufen haben: „Wer hätte an den Bademax gedacht und nicht gelacht!“[11] Damit spielte er auf die unter eingeweihten Militärs bekannte Tatsache an, dass Max als junger Gardeleutnant in Berlin von der Kriminalpolizei auf eine einschlägige Liste (nach § 175) gesetzt worden war.[12]
Reichskanzler Georg von Hertling schlug Max von Baden als seinen Nachfolger vor, und am 3. Oktober 1918 ernannte ihn der Kaiser zum Reichskanzler. Er bildete noch am selben Tag eine parlamentarische Reichsleitung, in die mit Philipp Scheidemann und Gustav Bauer erstmals auch Sozialdemokraten berufen wurden. Am 4. Oktober übermittelte er – auf Drängen der Obersten Heeresleitung – das vorbereitete Waffenstillstandsgesuch an Wilson. Doch dieser machte in der dritten Note seines Außenministers Robert Lansing deutlich, dass er an eine Demokratisierung des Deutschen Reichs nicht glauben könne, solange der Kaiser noch immer im Amt sei.[13] Prinz von Baden wusste, dass weitergehende Korrekturen nötig wären, um die Alliierten zum Einlenken zu bewegen. So beendete er den U-Boot-Krieg und setzte folgerichtig am 26. Oktober die Entlassung Ludendorffs, des mächtigsten Mannes im Reich, aus der Obersten Heeresleitung durch. Am 28. Oktober 1918 traten die Änderungen der Reichsverfassung in Kraft, wonach der Reichskanzler formell des Vertrauens des Reichstags bedurfte. Ende Oktober sprach sich die bayerische Regierung erstmals für die Abdankung des Kaisers aus. Als Reichskanzler Max von Baden daraufhin den bayerischen König um seine Initiative bat, blieb dieser jedoch passiv.[14]
Während der britischen Eroberung Flanderns und des Kieler Matrosenaufstandes, der die Novemberrevolution einleitete, war Prinz Max erkrankt und konnte nicht handeln. Für die Art seiner Erkrankung finden sich in der Fachliteratur verschiedene Angaben. Nach dem Sachbuchautor Manfred Vasold war er an der Spanischen Grippe erkrankt.[15] Der Historiker Lothar Machtan glaubt dagegen an politische Hintergründe der Erkrankung: Um günstigere Friedensbedingungen von den Amerikanern zu bekommen und dennoch die Monarchie zu retten, habe Prinz Max einen raschen Rücktritt Kaiser Wilhelms II. angestrebt. Wilhelm hatte am 29. Oktober Berlin fluchtartig verlassen und hielt sich nun im Hauptquartier der Obersten Heeresleitung im belgischen Spa auf. Amtsnachfolger sollte der minderjährige Kaiser-Enkel Wilhelm von Preußen werden, für den Prinz Max als Reichsverweser die Regentschaft führen wollte. Reichskanzler sollte der Parteivorsitzende der MehrheitssozialdemokratenFriedrich Ebert werden. Dies sei zunächst durch Kaiserin Auguste Viktoria verhindert worden, die, wie Machtan vermutet, telefonisch drohte, die Homosexualität des Prinzen publik zu machen. Dieser habe daraufhin am 1. November einen schweren Nervenzusammenbruch erlitten, den seine Ärzte behandelten, indem sie ihn mit einem Opiumpräparat in Tiefschlaf versetzten. Erst am 3. November nahm Prinz Max seine Amtsgeschäfte wieder auf.[16]
Nachdem die Novemberrevolution ausgelöst und in der Nacht vom 7. auf den 8. November mit der Absetzung Ludwigs III. Bayern als erster deutscher Staat zur Republik ausgerufen worden war, war die Stellung des Kaisers nicht mehr zu halten. Um zumindest die Monarchie als solche zu retten und die Revolutionäre zu beschwichtigen, verkündete Max von Baden am späten Vormittag des 9. November 1918 eigenmächtig die Abdankung des Kaisers, auch den Thronverzicht des Kronprinzen. Kaiser Wilhelm hatte tatsächlich nur in Aussicht gestellt, als Kaiser, nicht aber als preußischer König abzudanken. Die Handlung Max von Badens wurde durch Wilhelm II. und dessen Sohn erst im Nachhinein schriftlich bestätigt (vom Kaiser am 28. November 1918 und vom Thronfolger am 1. Dezember 1918).
Daraufhin übergab Max von Baden – da er die bisherige Reichsverfassung als hinfällig annahm – die Reichskanzlerschaft an Friedrich Ebert, den Vorsitzenden der stärksten Reichstagspartei. Seine Abdankungsrede hatte Unterstaatssekretär Theodor Lewald geschrieben, zu dem von Baden aufgrund der gemeinsamen Altherrenschaft in der Heidelberger Verbindung Rupertia ein besonderes Vertrauensverhältnis hatte.[17] Ebert bat Max, Reichsverweser zu werden, bis eine Nationalversammlung die Staatsform Deutschlands endgültig bestimmen würde. Dies lehnte Max von Baden ab, da die Ereignisse schon zu weit fortgeschritten seien.
Nach der Verkündung der Abdankung des Kaisers und der Übergabe der Reichskanzlerschaft an Ebert rief Scheidemann noch am Nachmittag des 9. November von einem Balkon des Reichstages die Republik aus.
Nach der Reichskanzlerschaft
Von den politischen Debatten der Zeit nach Ende des Kaiserreiches hielt Max von Baden sich fern. Im Dezember 1918 bot ihm die linksliberaleDeutsche Demokratische Partei (DDP) in Heidelberg und Mannheim eine Kandidatur bei der Wahl zur Verfassunggebenden Nationalversammlung in Weimar am 19. Januar 1919 an. Der Überbringer der Nachricht war am 24. Dezember 1918 der bekannte SozialwissenschaftlerMax Weber. Max von Baden ließ sich darauf nicht ein.[18] Vielmehr widmete er sich – gemeinsam mit Karl Reinhardt und Kurt Hahn – der Gründung der Schule Schloss Salem, die ursprünglich einen antidemokratisch orientierten Bildungsauftrag hatte, aber später zur Heranbildung einer neuen geistigen Elite in Deutschland beitragen sollte. Für Max von Baden war es dabei attraktiv, durch die „Markgräfliche Schulstiftung“ einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Vermögens dem Fiskus zu entziehen. Als Nebeneffekt konnte er seinem Sohn Berthold eine gymnasiale Ausbildung und optimale Erziehung angedeihen lassen.[19]
Nach dem Tod seines Vetters, des ehemaligen Großherzogs Friedrich II., am 9. August 1928 wurde sein Sohn Berthold neues Oberhaupt des Hauses Baden. Dies war der Tatsache geschuldet, dass Friedrich den Sohn von Max am 8. August 1927 adoptiert hatte.[20]
Kaiser Wilhelm II. betrachtete Max noch Jahre nach der Novemberrevolution als den Erzverräther und beklagte sich in Briefen an Freunde und Verwandte darüber, dass dieser noch am Leben war.[21]
Max von Baden verstarb nach mehreren Schlaganfällen am 6. November 1929 an Nierenversagen in einem Konstanzer Krankenhaus.[22]
Sein eingeschränkt zugänglicher Nachlass befindet sich im Markgräflich Badischen Archiv in Salem und wurde vor allem vom Historiker Golo Mann ausgewertet.
Margarita Alice Thyra Viktoria Marie Louise Scholastica Prinzessin von Baden (* 14. Juli 1932 in Salem; † 15. Januar 2013 in Farnham (Surrey), begraben in Stefansfeld am 28. Januar 2013) ⚭ Salem 6. Juni 1957 Tomislav von Jugoslawien
Erinnerungen und Dokumente. EA Dt. Verlagsanstalt, Stuttgart 1927, hrsg. von Golo Mann und Andreas Burckhardt, Klett, Stuttgart 1968.
Erinnerungen und Dokumente. Band I. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1927, hrsg. von Björn Bedey (Deutsches Reich – Reichskanzler Bd. VIII/I-I), SEVERUS Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86347-109-5.
Erinnerungen und Dokumente. Band II. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1927, hrsg. von Björn Bedey (Deutsches Reich – Reichskanzler Bd. VIII/I-II), SEVERUS Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86347-124-8.
Die moralische Offensive. Deutschlands Kampf um sein Recht. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1921, hrsg. von Björn Bedey (Deutsches Reich – Reichskanzler Bd. VIII/II), SEVERUS Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86347-143-9.
Karina Urbach, Bernd Buchner: Prinz Max von Baden und Houston Stewart Chamberlain. Aus dem Briefwechsel 1909-1919. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 52 (2004), S. 121–177 (PDF).
Reinhold Weber, Ines Mayer (Hrsg.): Politische Köpfe aus Südwestdeutschland, (Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs Band 33), Kohlhammer, Stuttgart 2005, ISBN 3-17-018700-7, S. 11–20.
Prinz Max von Baden – Kanzler zwischen Kaiserreich und Republik. Dokumentarfilm. Deutschland, 2018. Autor/Regie: Holger Preuße, Kamera: Sebastian Hattop, Produzent: Stefan Pannen, SWR
↑Lothar Machtan: Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-42407-0, S. 154 ff. und S. 440–445.
↑Lothar Machtan: Der Endzeitkanzler. Prinz Max von Baden und der Untergang des Kaiserreichs. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-8062-3660-6, S. 440–444; Rainer F. Schmidt: Kaiserdämmerung. Berlin, London, Paris, St. Petersburg und der Weg in den Untergang. Klett-Cotta, Stuttgart 2021, ISBN 3-608-98318-X, S. 765.
↑Michael Schwartz: Homosexuelle, Seilschaften, Verrat, Ein transnationales Stereotyp im 20. Jahrhundert, in: Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 118, 2019, S. 59
↑Manfred Vasold: Grippe, Pest und Cholera. Eine Geschichte der Seuchen in Europa. Stuttgart 2008.
↑Lothar Machtan: Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers. Eine Biografie. Suhrkamp, Berlin 2013, S. 440–445.
↑Arnd Krüger, Rolf Pfeiffer: Theodor Lewald und die Instrumentalisierung von Leibesübungen und Sport. In: Uwe Wick, Andreas Höfer (Hrsg.): Willibald Gebhardt und seine Nachfolger (= Schriftenreihe des Willibald Gebhardt Instituts Band 14). Meyer & Meyer, Aachen 2012, ISBN 978-3-89899-723-2, S. 120–145.
↑Max Weber: Briefe 1918–1920. 1. Halbband (= Max-Weber-Gesamtausgabe. Band II/10,1). Tübingen 2012, S. 381–384 (Brief an Max von Baden vom 28. Dezember 1918).
↑Lothar Machtan: Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-42407-0, S. 480 ff.
↑Lothar Machtan: Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-42407-0, S. 514 f.