Sie wurde durch die systematische Untersuchung der Nazca-Linien, der sogenannten Scharrbilder in der Wüste bei Nazca in Peru, bekannt. Sie widmete mehr als 40 Jahre der Aufgabe, die Bedeutung der geheimnisvollen Bodenzeichnungen zu ergründen und sie vor Beschädigungen zu bewahren. Maria Reiche hat etwa 50 Figuren in der Ebene bzw. Pampa von Nazca entdeckt und insgesamt etwa 1000 Linien vermessen.
Maria Reiche wurde in Dresden als ältestes von drei Kindern des Amtsgerichtsrates Felix Reiche-Grosse und dessen Ehefrau Elisabeth geboren. Nach dem Besuch der Städtischen Studienanstalt für Mädchen in Dresden studierte sie Mathematik, Physik und Geographie an der Technischen Hochschule Dresden und schloss 1928 mit dem Staatsexamen ab. 1932 nahm sie eine Stelle als Hauslehrerin beim deutschen Konsul in Cusco, Peru, an. Vor Ablauf der Vertragszeit ging sie in die Hauptstadt Lima. Dort lebte sie von Gelegenheitsjobs, Sprachunterricht und Übersetzungen.
Seit 1937 half sie am Nationalmuseum Lima, historische Stoffe zu restaurieren. 1939 hörte sie von dem US-amerikanischen Wissenschaftler Paul Kosok zum ersten Mal von den sogenannten Nazca-Linien, die 1924 entdeckt worden waren. Er bat sie, einige Messungen für ihn zu machen. 1946 begann sie allein und ohne Unterstützung, die rätselhaften Zeichnungen im Wüstenboden bei Nazca zu untersuchen. Reiche war überzeugt: „…wenn es gelingt, alle Maße in Zeitangaben zu übersetzen, können wir in der Pampa lesen wie in einem riesigen Geschichtsbuch.“
Mit 52 Jahren ließ sich Maria Reiche außerhalb der Kanzel auf den Kufen eines Helikopters festbinden, um bessere Luftaufnahmen von den Riesenbildern machen zu können. Die Großaufnahmen machten sie weltbekannt. 1960 traf Maria Reiche den 21-jährigen Yonah Ibn Aharon. Er lebte in den USA und hatte in New York ein Komitee zum Schutz der Nazca-Linien gegründet. Zwischen 1962 und 1964 half er auf der Pampa. Er brachte zahllose Ideen in Reiches Arbeit ein, unter anderem entwickelte er ein Karteisystem, in das die Linien mit ihren Messpunkten und Eigenarten eingetragen wurden. Bis in die 1960er-Jahre hatte Maria Reiche ein Gebiet von rund 150 Quadratkilometern zu Fuß vermessen. Dabei lebte sie spartanisch in einer kleinen Hütte[1] am Rande der Pampa Colorada oder gemeinsam mit ihrer Freundin und Partnerin Amy Meredith in einem Haus in Lima. Selbst der Rollstuhl hinderte sie nicht, ihre Studien bis ins hohe Alter fortzuführen.
Anfang der 1970er-Jahre wurden die Nazca-Linien zu einer Touristenattraktion. Maria Reiche engagierte sich für den Schutz und den Erhalt der Zeichnungen und bewirkte 1994 die Aufnahme der Linien und Bodenzeichnungen von Nazca und Pampa de Jumana in die Liste des UNESCO-Welterbes.
Am 8. Juni 1998 starb Maria Reiche mit 95 Jahren. Die Trauerfeier fand am 10. Juni 1998 im Nationalmuseum von Peru statt. Sie wurde in Nazca neben der Hütte begraben, in der sie über 25 Jahre lang gelebt hatte.
Ehrungen und Nachwirkung
Reiche erhielt das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland, den Orden der Weisen der Inka und den Sonnenorden, die höchste Auszeichnung der Republik Peru. Für ihre Leistungen erhielt sie fünf Ehrendoktorwürden (darunter den Ehrendoktortitel der Peruanischen San-Marcos-Universität) und als 90-Jährige, in Anerkennung ihrer Leistungen für das Land, die peruanische Staatsbürgerschaft. Zudem wurde der Flughafen von Nazca nach ihr in Aeropuerto Maria Reiche Neuman benannt.
Nach ihrem Tode wurde in der einfachen Hütte, in der sie über 25 Jahre lang ohne fließendes Wasser und Strom gelebt hatte, ein Museum eingerichtet. Im Maria-Reiche-Museum bei Nazca wird ihre damalige Wohnsituation realistisch nachgebildet, mit einer Wachsfigur von Maria Reiche zur Darstellung ihrer Arbeit an der Schreibmaschine. Die Besucher können unter anderem Zeichnungen und ihr Maßband sehen, außerdem archäologische Funde, die in ihren Besitz gelangt waren: einige Schädel, eine Mumie und die Skulptur einer gebärenden Frau. Ihr Grab befindet sich unmittelbar neben dem Museum.[2]
In Dresden, der Heimatstadt Maria Reiches, hat sich im Jahr 1994, also noch zu ihren Lebzeiten, ein Verein gegründet, der ihren Namen trägt.[3] Der Verein würdigt Reiches Lebenswerk, versucht ihre Leistungen der Öffentlichkeit zu vermitteln und führt ihre wissenschaftliche Arbeit fort, die Erforschung der Nazca-Linien im Blick auf den möglichen Zusammenhang mit astronomischen Konstellationen.[4]
Zu Ehren von Maria Reiche wurde 1996 der ihr gewidmete öffentliche Park Maria Reiche in Miraflores an der Küste von Lima, Peru, eröffnet.
Im Industriegebiet Dresden-Klotzsche wurde im Oktober 2005 eine Straße nach Maria Reiche benannt.[6]
Mit dem Maria-Reiche-Programm fördert Reiches Alma Mater, die TU Dresden, seit 2011[7] Nachwuchswissenschaftlerinnen und versucht, den Anteil von Frauen am wissenschaftlichen Personal zu erhöhen.[8]
Zu ihrem 115. Geburtstag wurde sie von der Suchmaschine Google mit einem Doodle geehrt, das ihre Forschungen an den Nazca-Linien würdigt.[9]
Im Dezember 2021 hatte im Berliner Theater Aufbau Kreuzberg (tak) das Stück La Dama de Nazca Premiere, das die Lebensgeschichte von Reiche erzählt.[11]
Im Frühjahr 2024 erschien der Roman Die Wüstenfegerin von Daria Eva Stanco, der auf dem eindrucksvollen Leben von Maria Reiche basiert. Stanco erzählt eine Geschichte, die zeigt, was echte Berufung und Leidenschaft bedeuten, indem sie die Lesenden auf eine Reise zu einem Jahrtausende alten Geheimnis in der peruanischen Wüste mitnimmt.[12]
Veröffentlichungen (Auswahl)
The mysterious markings of Nazca. New York 1947.
Mystery on the Desert. Lima 1949; deutsch: Geheimnis der Wüste. Mystery on the Desert. Secreto de la Pampa. Selbstverlag Maria Reiche, Stuttgart-Vaihingen 1968 (1980).
Vorgeschichtliche Scharrbilder in Peru. In: Photographie und Forschung. Werkszeitung ZEISS-IKON. Bd. 6, Heft 4, 1954.
Vorgeschichtliche Bodenzeichnungen in Peru. In: Die Umschau in Wissenschaft und Technik. 55. Jahrgang (1955), Heft 11.
Peruanische Erdzeichnungen/Peruvian Ground Drawings. Hrsg.: Kunstraum München e. V. München 1974.
Literatur
Tony Morrison: Das Geheimnis der Linien von Nazca. Maria Reiches Lebenswerk. Wiese, Basel/Stuttgart 1987, ISBN 3-909158-02-1.
Christiane Richter: Das Erbe der Maria Reiche. In: Peru-Nachrichten. Themenheft: Die Costa. Hrsg.: Perubüro Heidelberg. Erzdiözese Freiburg, 2004
Joachim Born (Hrsg.): Peru zur Jahrtausendwende. Beiträge eines Kolloquiums anlässlich des 100. Geburtstages von Maria Reiche. Thelem, Dresden 2004, ISBN 3-935712-95-2.
Dietrich Schulze, Viola Zetzsche: Bilderbuch der Wüste: Maria Reiche und die Bodenzeichnungen von Nasca. Mitteldeutscher Verlag Halle, Halle 2005, ISBN 3-89812-298-0.