Mannheimer Zeichnungsakademie

Damaliges Gebäude der Zeichnungsakademie (um 1920, zerstört im Zweiten Weltkrieg)

Die Mannheimer Zeichnungsakademie war die Kunstschule der kurpfälzischen Haupt- und Residenzstadt Mannheim, welche von 1758 bis 1804 bestand. Eine Vielzahl namhafter bildender Künstler wurde dort von renommierten Lehrkräften unterrichtet und ausgebildet.

Geschichte

Die Mannheimer Zeichnungsakademie, öfter auch Mannheimer Zeichenschule oder Mannheimer Kunstakademie genannt, wurde 1758 vom kurpfälzischen Hofarchitekten Peter Anton von Verschaffelt gegründet. Kurfürst Karl Theodor griff die Idee der systematischen Ausbildung von bildenden Künstlern in seiner Hauptstadt freudig auf und wandelte die Privatgründung 1769 in ein staatliches Institut um. Die Politik des Herrschers hatte eine starke kultur- und bildungspolitische Intention, unter seiner Regierung avancierte Mannheim zu einem Zentrum der Künste und Wissenschaften. Als Pendant zur Zeichnungsakademie begründete Karl Theodor schon 1763, ebenfalls in Mannheim, die Kurpfälzische Akademie der Wissenschaften.

Das Kunstakademiegebäude war 1756–58 nach Plänen von Verschaffelt in Quadrat F 6, 1 errichtet worden und die Privatschule eröffnete im Dezember 1758. Ab 1764 vergab der Kurfürst hierfür Stipendien an talentierte Jungkünstler und regte an, alte Gipsstatuen aus seinen Schlössern zu sammeln, sowie Abgüsse berühmter Figuren in Italien fertigen zu lassen, um sie den Schülern als Studienmaterial zugänglich zu machen. Daraus entstand ab 1767 die zu ihrer Zeit bedeutendste Skulpturensammlung Europas, der sogenannte Antikensaal, der viele Besucher anlockte u. a. auch die Dichter Herder, Lessing, Schiller und Goethe.[1] Geregelten Lehrbetrieb nahm man erst mit der staatlichen Übernahme, am 4. November 1769 auf. Das Institut war stark frequentiert und formte schließlich eine ganze Künstlergeneration.

1777 starb die bayerische Linie der Wittelsbacher aus, Kurfürst Karl Theodor erbte das Kurfürstentum Bayern und verschmolz es mit seinem Land zu Kurpfalz-Bayern. Seine Residenz musste er 1778 vertragsgemäß nach München verlegen. Ihm folgte der Hof und die Regierungsstellen; Mannheim sank zur Provinz herab. Damit begann auch der Niedergang der Mannheimer Zeichnungsakademie. Bis zum Tode Peter Antons von Verschaffelt, im Jahre 1793, kamen noch viele Schüler wegen seines Renommees.

In Kurpfalz-Bayern hatte die Münchner Akademie der Bildenden Künste inzwischen den früheren Rang von Mannheim eingenommen. Trotzdem versuchten 1802/1803 der Bildhauer Maximilian Joseph Pozzi als Sekretär und der Maler Carl Kuntz als Leiter, die Mannheimer Akademie nochmals zu beleben, was jedoch misslang.[2] Letzter Akademiechef war 1804 der Bildhauer Peter Simon Lamine (1737–1817).

Die Mannheimer Zeichnungsakademie schloss 1804 endgültig. In das Gebäude zog 1808 eine Zigarrenfabrik ein, später beherbergte es Teile der Mannheimer Stadtverwaltung und wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Die meisten Skulpturen des Antikensaales (ca. 200) kamen 1807 nach München um in der dortigen Akademie der Bildenden Künste wieder ihren ursprünglichen Zweck zu erfüllen.[3] Ein kleiner Teil (ca. 50) verblieb in der Kurpfalz und befindet sich heute im Mannheimer Schloss.[4]

Namhafte Lehrer

Namhafte Schüler

Sonstiges

Nach der Zeichnungsakademie wurde ehemals der Straßenzug zwischen den E- und F-Quadraten der Innenstadt als Akademiestraße bezeichnet und die aktuelle Akademiestraße im Stadtteil Jungbusch danach benannt.[17][18]

Literatur

  • Joseph August Beringer: Geschichte der Mannheimer Zeichnungsakademie, Straßburg, 1902; Nachdruck 2012, ISBN 3-8460-1121-5, (Digitalscan).
  • Barbara Grotkamp-Schepers: Die Mannheimer Zeichnungsakademie (1756/69-1803) und die Werke der ihr angeschlossenen Maler und Stecher, Verlag Haag und Herchen, 1980.

Einzelnachweise

  1. Webseite zur Mannheimer Antikensammlung mit Benennung der Dichter als Besucher (Memento vom 13. März 2014 im Internet Archive)
  2. Bénédicte Savoy: Tempel der Kunst: die Geburt des öffentlichen Museums in Deutschland 1701-1815, 2006, ISBN 3-8053-3637-3, Seiten 246 und 252; (Ausschnittscan)
  3. Webseite zur Geschichte der Münchner Kunstakademie, mit Erwähnung der Figuren (Memento vom 13. März 2014 im Webarchiv archive.today)
  4. Webseite zum Restbestand im Mannheimer Schloss (Memento vom 13. März 2014 im Internet Archive)
  5. Joseph August Beringer: Kurpfälzische Kunst und Kultur im 18. Jahrhundert, Bielefeld Verlag, Freiburg im Breisgau, 1907, S. 73 und 74
  6. Gemälde von Carl Heinrich Brandt in Wikicommons
  7. Samuel Baur: Allgemeines Historisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die in dem lezten Jahrzehend des achtzehnten Jahrhunderts gestorben sind, Band 5 von: Neues historisches Hand-Lexikon, Ulm 1803, Seite 495; (Digitalscan)
  8. Josef August Beringer: Sintzenich, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 54, Duncker & Humblot, Leipzig 1908, S. 365–367.
  9. Friedrich Walter: Geschichte Mannheims, Band 1, 1907, Seite 574; (Ausschnittscan)
  10. Maren Gröning: Die deutschen und Schweizer Zeichnungen des späten 18. Jahrhunderts, Band 9 von: Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der Graphischen Sammlung Albertina, Böhlau Verlag Wien, 1997, S. 34, ISBN 3-205-98739-X; (Digitalscan)
  11. Reiss-Museum Mannheim: Louis Coblitz, 1814-1863: Gemälde und Zeichnungen, Seite 85, 1984; (Ausschnittscan)
  12. Medizinhistorisches Journal, Band 19, 1984, Seite 394; (Ausschnittscan)
  13. Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste, Band 44, Leipzig 1791, Seite 236; (Digitalscan)
  14. Georg Kaspar Nagler: Neues allgemeines Künstler-Lexicon oder Nachrichten von dem Leben und den Werken der Maler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher etc., 11. Band, Seite 6, München, 1842; (Digitalscan)
  15. Bärbel Kovalevski: Zwischen Ideal und Wirklichkeit, Seite 301, Schlossmuseum Gotha, 1999; (Ausschnittscan)
  16. Oswald Hederer: Karl von Fischer, Callwey Verlag, 1960, Seite 128; (Ausschnittscan)
  17. Karte in Landesarchiv Baden-Württemberg, H Mannheim 146, 1850.
  18. Marchivum, Mannheimer Straßennamen, Akademiestraße.