Léon Boëllmann zeigte bereits im Kindesalter eine außergewöhnliche musikalische Begabung und wurde 1875 in die École Niedermeyer in Paris aufgenommen. Seine Lehrer dort waren unter anderem Eugène Gigout und Gustave Lefèvre. Er erhielt in allen Fächern hervorragende Benotungen und schließlich ein Diplom als Organist und Kantor, was ihm seine erste Anstellung als Organist der Chororgel in Saint-Vincent-de-Paul in Paris (1881) eintrug.
Sechs Jahre später wurde er zum Kantor und Titularorganist der Hauptorgel von Saint-Vincent-de-Paul bestellt. Dieses Instrument war eine preisgekrönte Orgel des Pariser Orgelbauers Aristide Cavaillé-Coll von 1855. Nach dem Tod der Eltern wurde sein Onkel und Lehrer Eugène Gigout sein Adoptivvater, dem er in den folgenden Jahren in seiner neu gegründeten Schule für Orgel, Improvisation und gregorianischen Choral hilfreich zur Seite stand. Boëllmann schrieb unter einem Pseudonym für die Zeitschrift Art Musical. Als Pianist und Organist war er nicht nur in Frankreich, sondern auch im restlichen Europa zu hören.
1885 heiratete er Louise Lefèvre, die Nichte von Eugène Gigout. Das Paar bekam drei Kinder. Leon Boëllmann wurde nur 35 Jahre alt. Er starb 1897 in Paris nach einer Lungenerkrankung, wahrscheinlich führte die Tuberkulose zu seinem frühen und äußerst tragischen Tod. Seine Frau kam nicht darüber hinweg, sie starb ein Jahr später. Gigout nahm sich der drei Waisenkinder an und zog sie auf.[1]
Werk
Boëllmann schuf in seinem kurzen Leben 160 Kompositionen. Sie umfassen Werke für Orgel, Harmonium und Klavier, sowie symphonische Musik, Kammermusik, Lieder, Chorwerke und eine Oper. Die Orgelwerke sind im spätromantischen Stil von César Franck und Camille Saint-Saëns komponiert. Von 1882 bis 1884 wurden seine Kompositionen mit mehreren Preisen ausgezeichnet.[2]
Sein bekanntestes Werk ist die Suite Gothique op. 25. Boëllmann legte das Werk bewusst als Hymne und Retrospektive an. Die Suite Gothique entstand zwei Jahre vor seinem Tod zur Einweihung der neuen Orgel in der Kathedrale Notre-Dame (Dijon). Die darin enthaltene Toccata gehört zum Repertoire vieler Orgelvirtuosen. Sie ist eine der populärsten und meistgespielten Toccaten überhaupt. Durch entsprechende Registrierung und Phrasierung des Organisten sind sehr wirkungsvolle und verschiedenartige Interpretationen möglich. Die Toccata beginnt zunächst etwas zurückhaltend mit zwei rhythmischen Motiven, eines davon im Bass. Unter Benutzung der vollen Klangmöglichkeiten der romantischen Orgel erobert der Klang im Verlauf immer mehr den Raum, die Toccata endet in einem furiosen Finale.
Die Heures Mystiques op. 29-30 entstanden aus Boëllmanns Skizzenbüchlein, die ihn auf Reisen in seine Heimat, nach Italien, Schweiz, Niederlande und Belgien begleitet haben. Im Jahre 1896 brachte Boëllmann die Heures Mystiques heraus, wobei die Stücke in erster Linie für das Harmonium gedacht sind, aber auch an der Orgel ihren Platz haben. Die Kompositionen zeichnen sich durch ihre elegante Stimmführung und Poesie aus. Sie enthalten Titel wie Entrée, Offertoire, Elevation, Communion, Sortie oder Verset.
Werkliste (unvollständig)
Opus
Jahr
Stück
Besetzung
Anmerkungen
6
1887
Suite pour Cello et Piano
Impromptu
Nocturne
Sérénade
Romance
Cello und Klavier
8
1884
Valse No.1 g-Moll
Klavier
10
1887
Piano-Quartett (f-Moll)
Allegro un poco moderato
Scherzo. Presto
Andante
Finale
Violine, Viola, Cello und Klavier
12
1889
Six Mélodies
Hymne
Chanson Mauresque
L'Étoile
Sérénade
Marguerite des Bois
La Rime et l'Epée
Gesang und Klavier
14
1891
Valse No.2 B-Dur
Klavier
16
1891
12 Pièces
Prélude e-Moll
Fugue e-Moll
Marche Religieuse F-Dur
Intermezzo E-Dur
Carillon D-Dur
Choral A-Dur
Élégie b-Moll
Premier verset de Procession sur l'Adoro Devote F-Dur
Deuxième verset de Procession sur l'Adoro Devote F-Dur