Der Luftangriff auf Swinemünde auf Usedom fand am 12. März 1945, wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges statt. Dabei wurde Swinemünde durch einen massiven Luftangriff aller drei Bomberdivisionen der 8th Air Force zusammen zum Großteil zerstört. Die Zahl der überwiegend zivilen Todesopfer war erheblich. Die Rote Armee, die vor der Insel Wollin stand, hatte die alliierten Verbündeten um Unterstützung gebeten, da sich das weitere Vordringen nach Westen als schwierig erwies.
Der Großangriff begann kurz nach 12 Uhr mittags und dauerte fast eine ganze Stunde. Er wurde von 661 schweren, viermotorigen Bombern (B-17 „Flying Fortress“ und B-24 „Liberator“) und 412 Begleitjägern ausgeführt. Der Bomberverband warf aus großer Höhe (rund 6.000 Meter) 1609 Tonnen Bomben ab, zumeist Spreng- und Splitterbomben.
Die von der Kriegsmarine unverzüglich gezündeten Nebelgranaten behinderten zwar die Sichtverhältnisse für die Bomber, erschwerten aber auch das Zielen für die schweren deutschen Flakbatterien, so dass deren Abwehrfeuer weitgehend wirkungslos blieb.
Folgen
Sachschäden
Das Flächenbombardement verursachte an einigen schwimmenden Einheiten im Hafen schwere Schäden bzw. Totalverlust. Sein eigentliches Ziel, den Marinestützpunkt Swinemünde unbrauchbar zu machen, wurde jedoch verfehlt. Auch war keines der größeren Kampfschiffe getroffen worden, da sie sich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht im Hafen befanden. Lediglich zwei Torpedoboote hatten leichte Schäden davon getragen. Die Transportschiffe Jasmund, Hilde, Ravensburg, Heiligenhafen, Tolina, Cordillera und Andros wurden hingegen versenkt.
Durch den künstlichen Nebel verfehlten viele der Flugzeuge ihre Ziele. So wurde der Kurpark Swinemünde, in dem viele Flüchtlinge und Soldaten die Märzsonne genossen, mit vom Bombenteppich erfasst. In den überfüllten Lazarettzügen auf dem Bahnhof fielen einige hundert verwundete Soldaten Bomben zum Opfer. Größere Teile der Innenstadt und einige Vororte wurden hart getroffen. Der Zerstörungsgrad Swinemündes durch diesen einen Angriff wird mit 55 % angegeben.[1]
Opferzahlen
Zu den Opferzahlen des Luftangriffs unter Flüchtlingen und Einwohnern gibt es – wie fast immer – sehr unterschiedliche Zahlen:
Zunächst liegen zwei deutsche Verlust- bzw. Schadensmeldungen von den beiden Tagen nach dem Angriff vor, die übereinstimmend jeweils 1500 Tote nennen. So meldete am 13. März 1945 der Befehlshaber der Ordnungspolizei (BdO) Stettin: Personenverluste bisher: 1500 Gefallene, davon 1000 auf Dampfer „Andros“, 2000 Verwundete.[2] Der Luftwaffenführungsstab meldete: Bisher 1500 Gefallene, 2000 Verwundete.[3] Die Ermittlung der Opferzahlen wurde jedoch dadurch erschwert, dass die Anzahl der zur Zeit des Angriffs in Swinemünde befindlichen Flüchtlinge zuvor nicht exakt erfasst war, da die Behörden damit aufgrund der Masse von Flüchtenden überfordert waren bzw. diese als Durchziehende ohnehin nicht registriert wurden. Da viele der Opfer durch die Bombeneinwirkung stark entstellt waren, konnten viele Tote nicht identifiziert werden.
Die in Medien teilweise kursierende Zahl von 23.000 Toten[6]
bezeichnet Müller als nicht haltbar.[4]
Auch Schnatz verwirft die Zahl insbesondere unter Hinweis darauf, dass eine derartige Zahl an Toten im Hinblick auf die eingesetzte Sprengkraft unrealistisch sei und Aufmessungen der Friedhofsanlagen eindeutig ergaben, dass der ausgewiesene Platz für diese Anzahl bei weitem nicht ausreiche.[7] Allerdings waren auf den Massengräbern des Golm zur DDR-Zeit teilweise Kiefernschonungen angelegt worden, und es handelt sich bei der Kriegsgräberstätte auf dem Golm auch nicht um den alleinigen Beisetzungsort. Weitere Tote wurden auf den bereits bestehenden Friedhöfen in Swinemünde und im östlich der Swine gelegenen Bereich beigesetzt. Ein Teil der Verschütteten verblieb auch unter den Trümmern der Stadt. Die von der „Andros“ erst 1948 geborgenen Toten wurden ebenfalls nicht auf dem Golm beigesetzt.[8]
Erinnerungskultur
Die meisten der geborgenen Toten wurden auf dem nahen Golm bei Kamminke in Massengräbern begraben. Mit 69 Metern ist der Golm die höchste Erhebung auf der Insel Usedom. Swinemünde selbst liegt derart tief, dass die Anlage von Massengräbern sich wegen des hohen Grundwasserspiegels verbot. Infolge der neuen Grenzziehung (Swinemünde gehört seit 1945 zu Polen und heißt seitdem Świnoujście) drang der Luftangriff auf Swinemünde für lange Zeit nicht in das öffentliche Bewusstsein.[4] Am 12. März eines jeden Jahres finden in der Gedenkstätte auf dem Golm, der auf der deutschen Seite der neuen Grenze verblieb, Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Angriffs statt.
Norbert Buske: Das Kreuz auf dem Golm. Kriegsgräber in politischem Besitz. Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Landeskundliche Hefte. Schwerin, Helms-Verlag 1995. ISBN 3-931185-01-X
Roger A. Freeman: Mighty Eighth War Diary. Jane’s, London, New York, Sydney 1981. ISBN 0-7106-0038-0
Nils Köhler, Klaus Utpatel: Das Inferno von Swinemünde. Volksbund Dt. Kriegsgräberfürsorge, Kassel 2015, ISBN 978-3-00-048724-8. (Berichte von 65 Überlebenden).
↑Deutsches Städtebuch. Städtebuch Hinterpommern. Hrsg. Peter Johanek und Franz-Joseph Post. Verlag W. Kohlhammer, 2003. S. 296
↑Der Chef der Ordnungspolizei, Luftangriffe auf das Reichsgebiet, Lagemeldung Nr. 1.395, 13. März 1945, Bundesarchiv (BArch) R 19/341.
↑2. Nachtrag zur Schadensmeldung zu den Einflügen am 12. März 1945, (Luftwaffenführungsstab) Ic/M-Feind H.Qu. den 14. März 1945, BA-Militärarchiv, RL 2 II/840.
↑Nils Köhler: Der Golm und die Tragödie von Swinemünde. Hrsg.: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Nordlichtverlag, 2011, ISBN 978-3-9809640-6-7, S.200ff.