Die Familie Quirre ist seit 1387 in Hannover nachgewiesen.[5] Ludolf Quirre entstammte einer wohlhabenden hannoverschen Bürgerfamilie. Er war verwandt mit Berthold Rike, von 1409 bis 1436 Dompropst zu Lübeck, sowie mit Ludolf Grove, dem späteren Bischof von Ösel in Estland.[6]
Die Familien Grove und Quirre besaßen benachbarte Grundstücke zwischen der Leinstraße und der Leine in Hannover,[7] einem Gelände, auf dem später das Leineschloss errichtet werden sollte:[8] 1452 schenkte Bischof Grove dem Minoritenkloster in Hannover die „domus“ der Familie Grove – an das Gelände des dort durch die Ordensbrüder dann errichteten Kräutergartens grenzte das „Quirresche Grundstück“.[7]
Quirre, der in der Zwischenzeit Rektor der Marienkapelle in Wolfenbüttel geworden war, holte zahlreiche Verwandte nach Braunschweig, so z. B. den Kleriker Johannes Quirre, der ein Kanonikat am Blasiusstift erhielt. Ebenso einen Vetter weltlichen Standes, der ebenfalls Ludolf Quirre hieß und 1448 mit Gese Kalm in die angesehene Braunschweiger Familie Kalm einheiratete.[11]
Zu Beginn der 1440er Jahre wurde Quirre in das Domkapitel in Lübeck aufgenommen.[4] In seiner Heimatstadt Hannover ließ er zwischen 1445 und 1447 die St. Gallenkapelle errichten, die mit einem Collegium canonicum verbunden war.[1] Mit päpstlicher Autorisierung ließ er die Kapelle später zu einer Stiftskirche ausbauen, deren Vikare die Memoria der Herzöge und der Familie Quirre zu pflegen hatten. Quirre brachte mit dieser für Hannover einzigartigen Familienstiftung den Rang seiner Familie, die in der Stadt keine politischen Ämter bekleidete, zum Ausdruck.[6]
1453 gelang es ihm Dompropst in Halberstadt zu werden, wo ein Kommilitone und Freund aus der Zeit in Bologna mittlerweile Bischof geworden war.[4] Quirre behielt zudem sämtliche bisherigen Ämter bei. In der Stadt selbst hat er wohl den Ausbau des Domes vorangetrieben und dafür gesorgt, dass sein Verwandter Johannes Quirre dort 1459 zum Domdekan ernannt wurde. Ludolf Quirre sammelte förmlich Pfründen, allerdings brachte er es bis 1454 nur zu einem, wenn auch wichtigen, Archidiakonat[4], als „Achidiakonus zu Bamstocken“.[1] Dieses verdankte er ebenso wie andere Braunschweiger Pfründen und ähnliche in Hannover dem Patronat und der Protektion der Welfen sowie anderer einflussreicher Personen, wie dem Papst.[4]
Nachleben
Braunschweiger Dom
Ludolf Quirre starb in der Karwoche 1463 in Braunschweig und wurde im Dom zu Halberstadt beigesetzt. Sein Grab ist heute nicht mehr erhalten.[6]Testamentarisch hinterließ er dem Braunschweiger Blasiusstift zwei Renten, die dazu bestimmt waren, den Neubau des nördlichen Seitenschiffs des Braunschweiger Doms zu finanzieren. Dies geschah zwischen 1466 und 1472 im Stil der deutschen Sondergotik.[12] 1469[13] wurde das Wappen Ludolf Quirres (als Halberstädter Dompropst) über dem Haupteingang angebracht. Es zeigt quadriert den Adler des Bistums Halberstadt sowie einen grünen Blätterkranz mit fünf roten fünfblättrigen Rosen, dem Familienwappen der Quirres.[6][14]
Ulrich Schwarz: Ludolf Quirre (ca. 1395–1463), Dompropst von Halberstadt. Der langsame Aufstieg eines Bürgers in der Kirche. In: Werner Freitag (Hrsg.): Mitteldeutsche Lebensbilder. Menschen im späten Mittelalter. Böhlau 2002, ISBN 3-412-04002-9, S. 183–202.
↑ abcArnold Nöldeke: St. Gallenkapelle auf der Altstadt. In: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. Band 1, Heft 2, Teil 1, Hannover, Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Theodor Schulzes Buchhandlung, 1932 (Neudruck Verlag Wenner, Osnabrück 1979, ISBN 3-87898-151-1), S. 211–212.
↑Anette Haucap-Naß: Der Braunschweiger Stadtschreiber Gerwin von Hameln und seine Bibliothek. In: Wolfenbütteler Mittelalter-Studien. herausgegeben von der Herzog August Bibliothek, Band 8, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1995, ISBN 3-447-03754-7, S. 27.
↑Ulrich Schwarz: Ludolf Quirre (gest. 1463). Eine Karriere zwischen Hannover, Braunschweig und Halberstadt. S. 29.
↑ abcdefBrigide Schwarz: Eine „Seilschaft“ von Klerikern aus Hannover im Spätmittelalter.
↑ abcdefgUlrich Schwarz: Ludolf Quirre. In: Horst-Rüdiger Jarck (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 8. bis 18. Jahrhundert. S. 459.
↑ abArnold Nöldeke: Minoritenkloster. In: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. Band 1, Heft 2, Teil 1, Hannover, Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Theodor Schulzes Buchhandlung, 1932 (Neudruck Verlag Wenner, Osnabrück 1979, ISBN 3-87898-151-1), S. 215–220.
↑Heinrich Meier: Zur Genealogie der Braunschweigischen Stadtgeschlechter. In: Braunschweigisches Magazin. herausgegeben von Paul Zimmermann, Nr. 4., April 1905, S. 45.
↑Paul Jonas Meier, Karl Steinacker: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig. 2., erweiterte Auflage, Braunschweig 1926, S. 26.